Die rheinland-pfälzische Architektenkammer – erste Kammer im Bereich der damaligen Bundesrepublik – wird 70. Grund genug für den Ehrenpräsidenten, das kammerseitige Angebot für einen Rück- und Ausblick anzunehmen. Gerne und aus Überzeugung.
70 Jahre Architektenkammer Rheinland-Pfalz, das ist eine lange Phase aktiven Eintretens zugunsten des Bauens und der Umwelt, im Bundesland Rheinland-Pfalz und darüber hinaus. Sind beständige Anstrengungen um öffentliches Verständnis für den Berufsstand, aller Fachrichtungen und dessen Bemühungen um baukulturelle Qualität im umfassenden Sinne einschließlich der Voraussetzungen dafür. Das und vieles Weiteres mehr, ehrenamtlich getragen und vollzogen von einer beachtlichen Zahl engagierter Architektinnen und Architekten innerhalb einer über die Jahre flächendeckend entwickelten Kammergruppenstruktur, unterstützt von einer leistungsstarken Verwaltung. Programmatisch ausgerichtet im Kontext zu einer im beständigen Wandel begriffenen Gesellschaft im Rahmen einer Vielzahl von Initiativen und Interventionen, von Publikationen und Veranstaltungen unterschiedlichster Art. Um Vergabe- und Wettbewerbswesen, um Aus- und Weiterbildung, um Berufsbild- und Berufsausübung, um die Arbeit der regionalen Kammergruppen und, nicht zuletzt, um die freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Länderkammern, mit Bundesarchitektenkammer, wie ebenso den Berufsstandorganisationen westlicher Nachbarländer.
Nicht zu vergessen, die bereits in den 80er Jahren erfolgte programmatische Etablierung
des Begriffes Baukultur im umfassenden Sinne einschließlich deren Einforderung und Entgegennahme durch die Landesregierung als Staatsziel anlässlich des 50-jährigen Kammerjubiläums „heute baut morgen“ im Jahr 2000. Schließlich, in Konsequenz dessen, die darauf begründete Einrichtung eines ZENTRUM BAUKULTUR als letzte Amtshandlung des Verfassers im Jahr 2007. Inzwischen längst etabliert, weiterentwickelt und landesweit geschätzt als Katalysator baukultureller Bewusstseinsförderung. Gefördert durch eine aufgeschlossene Landesregierung, an die sich gegenwärtig die dringende Erwartung nach Verantwortungsübernahme zugunsten einer konzeptionell begründeten, wirtschaftlich tragbaren Ertüchtigung des Gutenberg-(Welt)Museums in Mainz richtet. Nach Hambacher Schloss und – hoffentlich – dem neuen Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz als weiterer Meilenstein gelebter Baukultur im Lande.
Teil eines langen, kontinuierlichen Entwicklungsprozesses im Gefolge fortschreitender Veränderungen unterschiedlichster Art. Verbunden allerdings auch mit existenztangierenden Eingriffen, etwa in den Bereichen Vertragsgestaltung und Vergütung, Haftungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht einschließlich deren Umsetzung. Mit einer Veränderung des Berufsbildes vom einstmaligen Generalisten bis hin zum planungsbeteiligten Dienstleister gelegentlich, innerhalb eines Systems sich verändernder Zuständigkeiten im Prozess des Planens und Bauens nicht zuletzt. Innerhalb einer Gesellschaft, die sich tendenziell stattfindender Moderneentwicklung immer wieder verschließt zugunsten von vermeintlicher Wirtschaftlichkeit und dem Prinzip Beliebigkeit. Mitverantwortlich hingenommen von einer fachlich zunehmend ausgebluteten Exekutive und Legislative und deren Strategie, unter Inanspruchnahme gefälliger externer Kompetenz etwa, kaum weiterführende Vorstellungen durchzusetzen – nicht immer und nicht überall, zuweilen aber eben auch in Rheinland-Pfalz und seiner Hauptstadt.
Im Rahmen einer gesellschaftlichen Entwicklung zwischen Wohlstandserwartung und Krisengefährdung sieht sich der Wirtschaftsbereich des Planens und Bauens gegenwärtig bisher
nicht vorstellbaren Veränderungen im Gefolge einer heimtückischen Pandemie und deren weitreichenden Auswirkungen ausgesetzt. Auswirkungen, die sich allerdings auch als Chance erweisen könnten für ein grundlegendes Umdenken zugunsten eines sozialverträglichen, akulturell aufgeschlossenen und zugleich wirtschaftlich stabilen Gesellschaftssystems, einer ganzheitlichen Bau- und Umweltkultur im Weiteren. Verinnerlicht und mitzutragen von einer Generation junger, gut ausgebildeter Architekten und Stadtplaner, Landschafts- und Innenarchitekten aller Tätigkeitsarten und jedweden Geschlechts. Deren Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement in den Gremien
der Architektenkammer eingeschlossen.
Darauf hofft und vertraut jedenfalls der über ein halbes Jahrhundert hinweg lokal und regional,
national und international längst im Pulverdampf eines angestrengten Engagements ergraute
gegenwärtige Ehrenpräsident. Bis in die Gegenwart mit seiner Heimatstadt am „Runden Tisch Stadtbaukultur“ k ritisch verbunden, wünscht er gerade jetzt – zusammen mit seinem Dank an viele langjährige Mitstreiter – seinen Nachfolgern hinreichend Weitblick, Mut und Haltung zugunsten des schönen Bundeslandes Rheinland-Pfalz und seiner liebenswerten, baukulturell leider allzu oft zerrissenen Hauptstadt Mainz. Es gibt viel zu tun – die Zukunft beginnt jetzt!