Herr Tesch, Sie sind das jüngste Mitglied der X. Vertreterversammlung und gerade seit drei Jahren Kammermitglied. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kammerkontakt?
Das war im Studium während meines zweiten Mastersemesters. Damals informierte die Kammer im Rahmen einer Infoveranstaltung zum Berufsbild und zur beruflichen Weiterbildung für Mitglieder. Zu dieser Zeit hatte ich noch keine konkreten Pläne, spätestens während der Masterarbeit wusste ich aber, dass ich in die Kammer eintreten möchte. Hier habe ich später auch viele Fortbildungen absolviert. Kurz nach meinem Eintritt kam dann auch schon das Angebot, in das Architekturbüro, dem ich seit meinem Praxissemester verbunden bin, einzutreten.
Was hat Sie dazu bewogen jetzt zu kandidieren? Oder anders gefragt: Warum wollen Sie im „Parlament“ der Architektenkammer mitwirken?
Ich habe den Aufruf gelesen und war sofort interessiert. Ich finde es ist einfach eine gute Möglichkeit, das berufliche Umfeld auf kurzem Wege mitzugestalten. Auch unser Büro wird direkt von den Entscheidungen der Vertreterversammlung beeinflusst. Ich verstehe die Mitarbeit im Prinzip als eine spannende Form von Teilhabe, was in anderen Berufen so überhaupt nicht möglich ist. Also habe ich meinen Hut in den Ring geworfen und freue mich jetzt natürlich auch, dass es gleich im ersten Anlauf geklappt hat.
Warum ist es wichtig, dass die Stimme jüngerer Mitglieder im Parlament der Architektenkammer vertreten ist? Gibt es Themen, die speziell jüngere Kammermitglieder bewegen?
Zurzeit findet ein großer Umbruch statt. Die ältere Generation, der die klassischen Büroinhaber angehören, steuert auf die Rente zu. Die folgende, meine Generation, steht schon in den Startlöchern. In den kommenden Jahren wird diese immer mehr an Bedeutung gewinnen. Deshalb ist es wichtig, dass junge Mitglieder frühzeitig in Entscheidungen und in die Arbeit der Gremien und Ausschüsse eingebunden werden. Es wäre fatal für das Berufsbild, wenn in naher Zukunft keine Nachfolger bereitstünden, die wichtige Positionen besetzen können. Die Kammer muss handlungsfähig bleiben. Deshalb sollten die „Jungen“ frühzeitig von den „Alten“ lernen. Einmal getroffene Entscheidungen machen sich zwar nicht unbedingt sofort bemerkbar, haben dafür aber langjährige Auswirkungen. Diejenigen, die in einigen Jahren betroffen sein werden, sollten deshalb schon heute mitentscheiden.
Im Zuge der Corona-Pandemie ist viel passiert. Was uns natürlich bewegt, ist das Thema Digitalisierung. Der digitale Bauantrag ist so ein Beispiel, an dem vieles hängt. Auch andere Bereiche sind im Umbruch. Den klassischen Architekten am Zeichenbrett gibt es schon lange nicht mehr. Die Weiterentwicklung des Berufsbildes ist ein Punkt, der vor allem junge Leute anspricht, und den wir unbedingt mitgestalten und in eine Richtung lenken sollten, die auch funktioniert.
Haben Sie sich schon mit anderen jungen Kammermitgliedern ausgetauscht? Vernetzen Sie sich untereinander?
Natürlich haben wir immer wieder Kontakt miteinander, über Seminare, über Veranstaltungen. Durch die Corona-Pandemie wurde das in den vergangenen Jahren stark eingeschränkt. Zwar gab es viele digitale Angebote, der informelle Austausch hat hierunter aber stark gelitten. Ich hoffe, dass wir uns in Zukunft wieder verstärkt „in echt“ begegnen können, da freue ich mich schon drauf.
Was wollen Sie durch Ihre Arbeit für andere junge Architektinnen und Architekten in der Kammer in den nächsten fünf Jahren bewirken? Haben Sie schon konkrete Vorstellungen, was Ihr Engagement betrifft?
Wettbewerbe sind ein wichtiges Thema und beschäftigen mich seit Beginn meiner beruflichen Laufbahn. Wir als Büro nehmen häufig an Wettbewerbsverfahren teil, weil sie ein wunderbares Instrument für einen Leistungsvergleich sind. Sie bieten insbesondere jungen Kolleginnen und Kollegen, oder jungen Kreativen mit besonderen Ideen und innovativen Ansätzen, die Möglichkeit sich durchzusetzen - auch in Konkurrenz mit etablierten Büros. Es ist schon etwas ganz Besonderes, allein über die Anonymität und einen sportlichen Wettkampf, einen Auftrag an Land ziehen zu können - unabhängig von Personen, von Kontakten, von Erfahrungen. Es geht hier einzig um die beste Idee, um das beste Konzept. Viele der heute sehr bekannten Büros haben durch Wettbewerbszuschläge eine erste Chance erhalten. Dadurch sind sie zu dem geworden, was sie heute sind. Leider fällt immer wieder auf, dass oftmals hohe Hürden für Teilnahmen an Verfahren geschaffen werden. Diese machen eine Qualifikation von vornherein schwierig. Deshalb möchte ich mich für niedrigschwellige Wettbewerbsverfahren einsetzen. Ich wünsche mir, dass Berufsanfänger auch zukünftig die Chance erhalten, sich zu beteiligen und zu behaupten und letztlich hierüber einen Einstieg in den Beruf finden.
Wir haben dieses Jahr beispielsweise zwei erste Preise gewonnen. Einen davon haben wir für den Entwurf eines Wasserturmes auf der IGA (Internationale Gartenausstellung Metropole Ruhr) 2027 in Duisburg erhalten. Den anderen Preis haben wir für den Neubau einer Kita in Hasselroth gewonnen. An beiden Entwürfen habe ich maßgeblich mitgewirkt. Ohne den Background eines etablierten Büros hätte ich jedoch in beiden Verfahren keinerlei Chance gehabt. Ich finde das sehr schade, dass Bewerberinnen und Bewerber ohne Referenzen oftmals außen vor bleiben. Hier würde ich gerne den Sinn für mehr Offenheit bei den Auslobern schärfen. Außerdem möchte ich die Kolleginnen und Kollegen in den zuständigen Stellen für die Nöte von jungen Architektinnen und Architekten sensibilisieren. Natürlich gibt es auch heute offene Verfahren oder Verfahren mit geringen Hürden. Außerdem haben Anfänger die Möglichkeit, sich gemeinsam mit etablierten Büros zu bewerben. Und dass Auslober gewisse Referenzen sehen wollen, ist auch nachvollziehbar. Dennoch sollte man die Hürden so niedrig wie möglich ansetzen, um diese Offenheit im Verfahren zu erzielen. Letztendlich profitiert hiervon niemand Geringeres als der Auslober oder die Ausloberin selbst. Denn: Gute Ideen setzen sich durch, auch wenn sie von Leuten kommen, die noch nicht fünf Kindertagesstätten gestaltet haben. Diese sind dann vielleicht sogar besonders gut oder besonders innovativ
Welche Themen wollen Sie darüber hinaus in die VV einbringen?
Um beim Thema Wettbewerb zu bleiben, viele der Preisgerichte sind mit sehr erfahrenen Kolleginnen und Kollegen besetzt. Für den Erfolg eines Verfahrens ist es auch wichtig, auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen zu können. Ich halte es dennoch für ratsam, auch in die Jury frühzeitig die nächste Generation einzubinden. Auch dahingehend versuchen wir zu beraten. Manchmal klappt das, aber ich würde mir wünschen, dass es noch verstärkt passiert, dass man auch hier einen Austausch zwischen den Generationen stattfinden lässt. Denn irgendwann sind auch die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen in den Preisgerichten weg. Am besten lernt es sich jedoch unter realen Bedingungen, also im Kreise von erfahrenen Preisrichterinnen und Preisrichtern.
Wie empfinden Sie insgesamt die Situation junger Architektinnen und Architekten in Rheinland-Pfalz?
Zu Beginn meines Studiums hieß es noch, dass Dreiviertel der Absolventen arbeitslos sein werden. Das ist zum Glück nicht mehr so. Es gibt sehr viel Bewegung in der Branche, das Berufsbild, die Arbeitsstrukturen und auch die Flexibilität im Arbeitsleben haben sich massiv gewandelt, selbst in den wenigen Jahren, in denen ich jetzt dabei bin. Als ich mich im Jahr 2020 selbständig machte, brach gerade die Corona-Pandemie aus. Im Zuge dessen hielten viele neue Arbeitsformen Einzug ins Arbeitsleben. Ich denke an täglich stattfindende Videokonferenzen oder an den Austausch über multimediale Online-Plattformen. Die digitale Welt hat natürlich auch die Abläufe extrem optimiert. Im Jahr 2019 war es noch völlig undenkbar, eine Jurysitzung digital abzuhalten. Anfang 2020 haben wir es gemacht. Unser Büro war hier Vorreiter und wir haben es bereits mehrfach wiederholt. Die Technik, das Digitale ist ein weiterer Türöffner für die junge Generation. Hiermit sind wir aufgewachsen, dieses Wissen können wir in die bestehenden Strukturen einbringen. Das ist eine große Chance für alle und deshalb schätze ich die Situation junger Kolleginnen und Kollegen insgesamt als gut ein.
Was sind Ihre allgemeinen Erwartungen an die Arbeit in der VV?
Ich hatte keine großen Erwartungen, als ich mich zur Kandidatur entschlossen habe. Ich habe im Vorfeld mit Kolleginnen und Kollegen aus der Vertreterversammlung gesprochen. Deren Berichte fand ich sehr spannend. Jetzt freue ich mich erst einmal auf den Austausch. Ich freue mich auf eine offene und konstruktive Kommunikation, auf die Vernetzung über eine solche Plattform, darauf, Themen zu besprechen und teilen zu können.
Was versprechen Sie sich persönlich von Ihrem Engagement?
Ich hoffe, dass erfahrene Kammermitgliedern ihr Wissen gerne weitergeben. Genauso freue ich mich aber auch darauf, meine Kenntnisse einzubringen. Und ich möchte mehr darüber erfahren, wie die Kammer nach innen und außen funktioniert: also gegenüber der Architektenschaft aber auch anderen Institutionen gegenüber, wie dem Land. Die gesamte Struktur finde ich wahnsinnig interessant. Schließlich sind die Architektenkammern ein ganz besonderes Organ in den Ländern. Ich finde es schön, dass es das in unserem Berufsfeld gibt und finde es extrem spannend, ein Teil davon sein zu dürfen.
Das Interview führte Melanie Schulz