Endlich wieder gemeinsam in einem Saal zusammenkommen, Themen im direkten Kontakt diskutieren, sich in der Pause kollegial austauschen, zusammen über berufspolitische Leitlinien abstimmen. So dürften es viele der Vertreterinnen und Vertreter empfunden haben, so wurde es im Nachgang berichtet.
Ganz ohne digitalen Gast kam aber auch die 2. Vetreterversammlung 2021 nicht aus. Die im Mai dieses Jahres neu gewählte Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Andrea Gebhard, war virtuell aus München zugeschaltet.
12. November 2021
Endlich wieder in Präsenz!
Zu den Themen, die die engagierte Stadt- und Landschaftsarchitektin in der BAK federführend voran bringen will, zählen die HOAI, der große Bereich Nachhaltigkeit und die Stadtentwicklungspolitik. Das Motto der diesjährigen Biennale „How will we live together?“ bringt für die BAK-Präsidentin den Anspruch an die eigene Profession auf den Punkt. So sei ihr persönlich der Schutz des Klimas, der Schutz unseres Planeten ein großes Anliegen. Hier neue Wege zu gehen und die Erde so zu hinterlassen, dass sie für alle bewohnbar bleibt, dafür mache sie sich stark. Es gehe jetzt darum, Nägel mit Köpfen zu machen. Das Musterarchitektengesetz und die Musterbauordnung, aber auch das Baugesetzbuch seien daraufhin zu prüfen, welche Regeln sinnvoll und welche eben auch einfach falsch seien. Gemeinsam mit den Universitäten will die Präsidentin den Umbau einleiten. Entsprechend wünschte sich Andrea Gebhard, dass sich künftig neben den älteren Kollegen auch viele junge Menschen mit anderen Wertevorstellungen in der Kammer engagieren werden. Beim Thema Hochwasserschutz gehe es darum, verstärkt in die Raumordnung und die Landesplanung hineinzugehen. Dem hohen Material- und Flächenverbrauch beim Planen und Bauen sollte mit einer dreifachen Innenentwicklung begegnet werden. Diese müsse Antworten finden auf die Frage: „Wo und wie können wir bauen und wie bringt die Mobilität das zusammen?“ „Darüber hinaus müssen Wohnungsbau, Ressourcenschonung und Finanzierung in Einklang gebracht werden“, sagte die Präsidentin. Die Architektenkammern stünden mit ihren Forderungen nach Nachhaltigkeit nicht alleine da, sondern befänden sich in einer großen Allianz beispielsweise mit den „Architects for Future“. Auf bundespolitischer Ebene stehe in den Koalitionsverhandlungen deshalb die Forderung nach einem starken Bauministerium im Vordergrund. Mit diesem als starkem Partner hoffe sie, dass wir künftig gemeinsam die Bundesregierung beraten können.
Berichte des Vorstandes
Kammerpräsident Gerold Reker startete anschließend mit dem Bericht des Vorstandes in den internen Teil der Vertreterversammlung - und hier zunächst mit den Gesprächen zwischen Architektenkammer und Kommunal- und Landespolitik. Als weitere Glanzlichter der aktuellen Berichtsperiode führte Reker den Ausloberpreis Rheinland-Pfalz, die Podcastreihe „Kreislaufwirtschaft“, den Architekturpreis Wein, das Online-Forum „Baukultur im ländlichen Raum“ und den Tag der Architektur auf. Außerdem informierte er brandaktuell zum Stand der Wahl für die Vertreterversammlung.
Unterstützung für Flutopfer
Länger fiel der Bericht zu den Aktivitäten im Ahrtal aus. So habe der Vorstand in einer Sondersitzung direkt nach der Katastrophe zunächst über Unterstützungsmöglichkeiten für die Opfer beraten. Für die vor Ort betroffenen Kammermitglieder fand bereits Anfang August ein erstes Treffen von Kollegen für Kollegen in Bad Neuenahr-Ahrweiler statt. Am gleichen Tag hatte die Architektenkammer in einem Schreiben an die Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) offensiv die Unterstützung durch Architekten und Stadtplaner beim Wiederaufbau angeboten. Am 23. August folgte die von der GDKE unter Beteiligung der Architektenkammer organisierte digitale Veranstaltung „Tatort Altbau“, in der es um den Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden, aber auch um Themen wie Kontaminierung, Trocknung und Schimmelbildung ging.
Aktuell unterstützen 166 Architektinnen und Architekten aus Rheinland-Pfalz die Bauherren vor Ort mit fachlichen Stellungnahmen, die dem Förderantrag an die ISB beizufügen sind. Außerdem wirken mehr als 100 Architektinnen und Architekten an den Beratungsstellen für betroffene Bürger vor Ort mit. Insbesondere die Vor-Ort-Beratung habe sich erst einspielen müssen, viele der Betroffenen wüssten etwa gar nicht, ob sie ein Bau-, Finanz- oder Wohnproblem hätten, fasste Reker die ersten Rückmeldungen aus dem Ahrtal zusammen. Dass Beratungs- und Planungsleistungen nicht von der selben Person erbracht werden können, werde häufig hinterfragt, sei jedoch aus compliance-Gründen seitens des Landes als Regel gesetzt.
Bevor die gutachterliche und beratende Hilfe startete, fand am 28. September eine Infoveranstaltung mit über 350 Architekten und Ingenieuren statt. Des Weiteren hatte die Architektenkammer Rheinland-Pfalz an zwei Ahrtalkonferenzen am 7. und 30. September in Grafschaft teilgenommen und steht bis heute in engem Austausch mit Politik und Verwaltung. Für den 16. November wurde außerdem zu einem ersten Erfahrungsaustausch für die Gutachter eingeladen.
Anschließend gab Vorstandsmitglied Julia Holzemer-Thabor einen Einblick in die Aktivitäten der öffentlichen Hand. Die Architektin engagiert sich in einer Arbeitsgruppe der SGD Nord, in deren Zuständigkeitsbereich das Ahrtal liegt. Sie berichtete zunächst von den täglich stattfindenden Videokonferenzen. Zwar liege die Federführung bei der Wasserwirtschaft, an dem Austausch nehme jedoch auch die Gewerbeaufsicht, die Wasser-, Abfallwirtschaft und der Bodenschutz, der Naturschutz und das Bauwesen teil. Außerdem seien Mitglieder der Kreisverwaltung und je nach Fragestellung das Bauministerium, das DLR oder die Katasterverwaltung zugeschaltet. Aktuell, so die Einschätzung von Holzemer-Thabor, befinde man sich bei vielen Themen noch im Bereich der Krisenbewältigung. Insbesondere die neuen Überschwemmungsgebiete im Ahrtal, die Auskunft darüber geben, wo neu- oder wiederaufgebaut werden darf und wo nicht, führten zu vielen Fragen bei den Betroffenen.
Gerold Reker hakte ein und skizzierte einige grundsätzliche Fragestellungen des Wiederaufbaus: Ersatzgrundstücke für zerstörte Gebäude, die an gleicher Stelle nicht mehr aufgebaut werden dürfen, sind im engen Tal mit seinen naturschutzrechtlichen Restriktionen schwer zu finden. Wie hochwassersicheres Wiederaufbauen und Sanieren aussehen könne, wenn nicht alle Erdgeschosse untergeordneten Nutzungen wie Garagen vorbehalten blieben, sei ein noch ungelöstes Problem. Das aber in baukultureller, touristischer und nicht zuletzt emotionaler Hinsicht dringend zu klären sei, wenn man dem Tal sein Gesicht zurückgeben wolle. Deshalb müsse die Architektenschaft konsequent auf die städtebaulichen und landschaftsplanerischen Folgen aller Entscheidungen hinweisen.
Erweiterung Landesgeschäftsstelle
Vizepräsidentin Edda Kurz und Rechtsanwalt Valentin Fett berichteten über die Erweiterung der Landesgeschäftstelle. Pandemiebedingt kam es zu Verzögerungen. Im Moment geht es um eine Einigung mit der Eigentümergemeinschaft. Die Baugenehmigung sei bereits eingereicht und der Wettbewerbsentwurf weiter ausgearbeitet worden.
Task Force | Novelle HOAI
Rechtsanwalt Fett berichtete, dass die Task Force HOAI in regelmäßigen Zeitabständen tage. Eine große Rolle in der Diskussion spiele noch immer die letzte Tabellenerhöhung aus dem Jahr 2013. Positiv sei die Anpassung der Honorare für Hochbauarchitekten mit steigenden Baukosten, während es für Stadtplaner eine ähnliche Harmonisierung nicht gebe. Die Stadtplaner stünden deshalb in regelmäßigem Austausch mit der Task Force. Des Weiteren spiele die Anpassung der Leistungsphasen an BIM eine große Rolle.
Novelle Architektengesetz
Fett berichtete den Vertreterinnen und Vertretern vom Stand der Novellierung des Architektengesetzes. Demnach seien die von der Kammer geforderten Sachregister angelegt, die Juniormitgliedschaft werde eingeführt und wer sich ehrenamtlich für die Kammer engagiert, solle einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber sowie einen Entschädigungsanspruch erhalten. Das Gesetzgebungsverfahren soll bis zur Jahresmitte 2022 abgeschlossen sein.
Bayerische Architektenversorgung
Vizepräsident Frank Böhme gab einen ausführlichen Überblick über die wirtschaftliche Situation der Bayerischen Architektenversorgung und den Stand der berufsständischen Altersversorgung. Trotz des Corona-Einbruchs war 2020 ein sehr gutes Jahr. Der erwirtschaftete Nettozins lag bei 3,7 Prozent, mindestens erforderlich gewesen wären 3,24 Prozent. Der Kapitalisierungsgrad zum Jahresende lag bei 103,7 Prozent. Die Zahl der Versorgungsempfänger und -empfängerinnen stieg um 5,5 Prozent, der Versorgungsaufwand um 8,5 Prozent. Durch das gute Jahresergebnis 2020 ist eine Dynamisierung der Renten um ein Prozent möglich, gleichzeitig wird die Verzinsung der Anwartschaftsverbände AV-3 und AVP für 2020 um je ein Prozent von 2,25 auf 3,25 Prozent angehoben. Trotz des wirtschaftlichen Einbruchs zeichnet sich auch für 2021 ein solides Ergebnis ab.
Berichte der Ausschüsse
Vorsitzender des Ausschusses 1 - Ausbildung, AiP/Junge Architekten, Weiterbildung Christoph Arnold zog Bilanz: Im letzten Halbjahr fanden 49 Webinare und sechs Präsenzveranstaltungen statt. Die Webinare seien sehr gut angenommen worden, sodass es auch zukünftig digitale Angebote geben wird. Neben dem klassischen Seminarangebot der Architektenkammer, führe diese auch Blockseminare an den Hochschulen durch und unterstütze das duale Studium an der Hochschule Kaiserslautern. Den Flyer „Meine Zukunft“ für Schulabsolventen habe man aktualisiert. Der Seminarleporello sei zwar ein Auslaufmodell, dennoch soll es ihn neben dem Angebot auf der Homepage noch einige Zeit lang weiter geben.
Sabine Hahn berichtete aus dem Ausschuss 4 - Sachverständigenwesen. Zweimal habe man den 24-tägigen Sachverständigenlehrgang „Schäden an Gebäuden“ bereits absagen müssen, zu gering sei das Interesse gewesen. Deshalb hat sich der Ausschuss ein neues Format ausgedacht: eine kostenlose Auftaktveranstaltung. An der Online-Veranstaltung, in der in erster Linie Sachverständige aus ihrem Erfahrungsschatz berichten, sollen bereits 40 Interessierte teilgenommen haben. Des Weiteren sei es geplant, ein Imagevideo zu drehen.
Vizepräsidentin Edda Kurz appellierte als Vorsitzende des Ausschusses A2 - Vergabe und Wettbewerbswesen schließlich an alle Berufkolleginnen und -kollegen die HOAI als Maßstab für auskömmliche Preise anzusetzen. Denn: Preisdumping müsse um jeden Preis verhindert werden, die Kammer versuche stets die Auftragsgeberseite hierfür zu sensibilisieren. Edda Kurz: „Kalkulieren Sie auskömmlich und bewerben Sie sich mit ihren Leistungen.“ Diesem Appell schloss sich eine engagierte Diskussion über geeignete Strategien gegen Preisdumping an, denn immer häufiger sei zu beobachten, dass vergaberechtswidrig der Preis zum entscheidenden Zuschlagskriterium gemacht werde. Rechtsanwalt Valentin Fett erklärte mit Nachdruck, dass ein öffentlicher Auftraggeber ein Angebot nicht bezuschlagen dürfe, wenn es nicht auskömmlich sei, sondern in diesem Fall um Aufklärung bitten müsse. Zwar seien einfache Preisabfragen zulässig, jedoch ein Zuschneiden des Vergabeverfahrens auf den Preis nicht. Wenn die Kammer rechtzeitig über solche Fälle informiert werde, also vor dem Zuschlag, könne sie entsprechend tätig werden. Mit dem Städte- und Gemeindebund sei man bereits einen Schritt weiter, denn dieser habe bereits verstanden: „Wer billig plant, baut teuer.“ Entsprechend sei eben das wirtschaftlichste Angebot nicht automatisch das Billigste. Vizepräsident Frank Böhme forderte daraufhin mehr Transparenz von der öffentlichen Hand.