Herr Hofer, wie sieht aktuell das baufachliche Beratungsangebot durch Architektinnen und Architekten aus?
In sieben InfoPoints mit der Förderberatung der ISB gibt es zusätzlich auch Architektenberatung, wobei der InfoPoint Altenahr doppelt besetzt ist. Aktuell sind insgesamt 33 Architektinnen und Architekten im Einsatz und gewährleisten fast an jedem der Standorte an fünf Tagen die Woche die Beratung. Also immer noch ein sehr gutes Angebot.
Sie beraten am InfoPoint in Schuld, eine Gemeinde, die besonders stark von der Flut getroffen wurde. Wie stellt sich aktuell die Lage vor Ort dar?
Einige Gebäude sind schon wiederaufgebaut, ein Teil ist in Bearbeitung. Doch bei einem Großteil der Gebäude gibt es noch viel Handlungsbedarf.
Woran liegt es, dass es an manchen Stellen nur langsam oder stockend vorangeht?
Das hat sehr vielfältige Ursachen. Zum einen haben alle am Bau Beteiligten wie auch die Handwerker sehr viel zu tun. Zum anderen hängt der Fortschritt der Baumaßnahmen häufig davon ab, dass die Fördergelder bewilligt sind. Einige Betroffene haben etwas länger gebraucht, um wieder auf die Beine zu kommen und aktiv zu werden. Andere haben erst sehr spät von den Hilfsangeboten und Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Zudem brauchen einige Antragstellungen länger, insbesondere, wenn die Sachlage schwierig einzuschätzen ist.
Mit welchen Fragen kommen Betroffene inzwischen zu Ihnen?
Insbesondere mit komplizierteren Fällen, bei denen hoher Klärungsbedarf auch bei der Antragstellung besteht. Verstärkt wird zudem nach hochwasserangepasstem Bauen gefragt. Hier gilt es, individuelle Lösungen aufzuzeigen.
Wie können diese Lösungen aussehen?
Zunächst einmal sensibilisiert das Thema für die Gefahren von Hochwasser. Beim hochwasserangepassten Bauen gibt es die drei Strategien „Ausweichen“, „Abschotten“ und „Zulassen“, die auch miteinander kombiniert werden können. Durch Flutgeschosse etwa wird Retentionsraum geschaffen. Planerinnen und Planer stehen dabei vor der Herausforderung, hochwasserangepasstes Bauen sensibel in die bestehenden Ortschaften mit ihren identitätsprägenden Bauwerken einzufügen, damit Ortskerne nicht auseinanderfallen. Nichtsdestotrotz wird das hochwasserangepasste Bauen unweigerlich auch zu neuen ortsbildprägenden Räumen führen.
Macht es überhaupt Sinn, die Gebäude wieder an Ort und Stelle aufzubauen?
Das muss im Einzelfall geprüft werden. Es kann durchaus sinnvoll sein, das Gebäude aus dem Risikobereich rauszunehmen. Die Gemeinde Schuld beispielsweise ist gerade dabei, ein neues Baugebiet auszuweisen.
Welche Chancen liegen im Wiederaufbau? Stichwort Baukultur!
Die Chancen liegen in einem veränderten Umgang mit dem Landschaftsraum und den baukulturell prägenden Bausubstanzen. Diese gilt es weiterzuentwickeln, um wieder eine homogene örtliche Struktur zu schaffen. Der baukulturelle Aspekt ist letztlich aber als Add-on zu verstehen. Für die Betroffenen, das müssen wir uns immer wieder klar machen, geht es vielmehr darum, möglichst schnell wieder ein Dach über dem Kopf zu haben.
Wie fällt Ihr Fazit nach zweieinhalb Jahren Beratung aus?
Durch die Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 wurden alle in eine komplett neue, oft traumatisierende Situation hineingeworfen: Betroffene, Gemeinden und Verwaltungen. Aber auch für uns Architektinnen und Architekten ist es eine Herausforderung mit den Betroffenen zu arbeiten. Anlaufstellen wie die InfoPoints sind für die Betroffenen eine wichtige Hilfe und Unterstützung vor Ort, die dankbar angenommen wird.
Was wünschen Sie dem Ahrtal?
Den Menschen im Ahrtal ist zu wünschen, dass sie sobald wie möglich wieder ein einigermaßen normales Leben in ihrer Heimat führen können und es mit dem Wiederaufbau rasch voran geht. Und zu allerletzt, dass eine solche Naturkatastrophe nicht wieder eintreffen wird.
Das Interview führte Lena Pröhl.