Frau Oldenburg, Sie haben Raum- und Umweltplanung an der Technischen Universität Kaiserslautern studiert. Seit 2000 begleiten Sie mit Ihrer „Agentur für wirksame Prozesse | KOKONSULT“ private, gesellschaftliche und staatliche Institutionen bei der Gestaltung und Steuerung von Projekten und Prozessen der Partizipation, Kooperation, Mediation und Bürgerbeteiligung. Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit?
Die Abwechslung, denn jedes Projekt ist anders und bedarf einer individuellen Begleitung. Stadtplanung ist per se immer auch Kommunikation. Laut Baurecht ist es ihre Aufgabe, zwischen verschiedenen Interessen abzuwägen und eine Lösung zu finden. Spätestens Stuttgart 21 hat gezeigt: Mit dem planerischen Entwurf allein ist es nicht getan. Vielmehr muss ein Diskurs mit allen Beteiligten geführt werden – zwischen der Stadt oder Gemeinde und den Bürgerinnen und Bürgern, den Eigentümerinnen und Eigentümern, den Medienvertretern ... Nur so finden Bauvorhaben die nötige Akzeptanz! Aktuell erleben wir jedoch eine gewisse Beteiligungsüberdrüssigkeit; Beteiligung wird sich daher künftig weiterentwickeln müssen. Um Prozesse adäquat zu begleiten, braucht es stadtplanerische Kompetenz. Wenn ich Wettbewerbsverfahren moderiere, weiß ich als Stadtplanerin genau, welche Verfahrensschritte kommen, wem ich welche Fragen stellen muss. Was ich zum Beispiel einen Politiker fragen kann, was eine Amtsleiterin und was einen Planer. Grundsätzlich gilt es mit allen Beteiligten zu reflektieren und eruieren: Ist die vorgesehene Baumaßnahme, etwa ein Neubaugebiet, das, was wir wirklich brauchen?
Im Herbst wurden Sie in den Vorstand gewählt. Was reizt Sie an der neuen Aufgabe?
Gemeinsam nach Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit und die Herausforderungen des Berufsstandes zu suchen, aber auch Zukunftsfragen in den Blick zu nehmen. „Vordenken“ ist meiner Meinung nach eine der zentralen Aufgabe des Vorstandes! Zudem reizt es mich, Impulse in die berufspolitische Debatte einbringen zu können.
Welche Impulse wollen Sie geben?
Ich möchte mich als kreative Querschnittsdenkerin für die Belange der Stadtplanerinnen und Stadtplaner einsetzen. Gleichzeitig möchte ich aber auch Interdisziplinarität und Kooperation stärken. Denn keiner kann alle Felder alleine bespielen; eine zunehmende Spezialisierung und Zusammenarbeit sind nötig. Dabei kommt der Stadtplanung an der Schnittstelle zu Architektur, Landschaftsarchitektur und Innenarchitektur eine integrierende Funktion zu. Ganzheitliches Denken ist gefragt, um die drängenden Themen der Zeit zu bewältigen. Die Öffentlichkeit soll sehen, dass die vier Fachdisziplinen gemeinsam an Lösungen arbeiten und ihre jeweilige Expertise einbringen.
Was sind Ihre Wünsche und Erwartungen?
Dass wir im Vorstand das (vor)leben, was wir uns fachlich wünschen. Ein guter Kommunikationsstil und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sind für mich besonders wichtig. Ich wünsche mir, dass ein kreativer Raum entsteht, der Vordenken für die künftigen Themen des Berufsstandes ernst nimmt – um Teil der Problemlösung und nicht Teil des Problems zu sein.
Derzeit steht die Stadtplanung vor besonderen Herausforderungen – Stichwort Klimawandel und Bauwende ...
Ja, wir können nicht so weitermachen wie bisher. Wir haben nur diesen einen Planeten. Neue Umbaukultur, Schwammstadt, Charta von Leipzig und die gemeinwohlorientierte Stadt sind sicherlich zukunftsfähige Konzepte. Jedoch braucht es hier eine Schärfung. Was ist denn das Leitbild der Stadt der Zukunft? Wir brauchen andere Räume mit flexibleren Grundrissen, um schnell auf sich ändernde Gegebenheiten reagieren zu können. Wir brauchen eine Anschlussfähigkeit an Politik und Verwaltung, vor allem über Gesetze. Und nicht zuletzt Mut, Mut zu Veränderung. Stadtplanung hat hier eine Schlüsselfunktion. Sie kann die Disziplinen und Menschen zusammenbringen, und für die Politik eine gute Entscheidungsgrundlage schaffen. Während die Politik in Amtsperioden denkt, denkt die Stadtplanung in größeren Zusammenhängen. Ihre Aufgabe ist es, Räume so zu organisieren, dass sie langfristig nachhaltig ein gutes Leben ermöglichen und das stets im Spannungsfeld von Gemeinwohl bzw. Daseinsfürsorge und wirtschaftlichen Interessen. Kein leichtes Unterfangen!
Wo sehen Sie die Chancen im Ehrenamt? Oder anders gefragt: Warum sollten sich auch ihre Kolleginnen und Kollegen in der Kammer engagieren?
Das Ehrenamt bietet die einmalige Gelegenheit, sich über den Tellerrand der Alltagspraxis hinaus mit der aktuellen Politik auseinanderzusetzen und den Diskurs so anzuregen, dass Dinge auf den Weg gebracht werden, die wir morgen brauchen.
Das Interview führte Lena Pröhl.