Frau Ehrhardt, Sie sind angestellte Landschaftsarchitektin und wurden im vergangenen Jahr zum ersten Mal in die VV gewählt. Was war Ihr Grund zu kandidieren und wie ist Ihr Engagement bislang verlaufen? Hat sich seither für Sie etwas geändert?
Ein Kollege hatte nachgefragt, ob es ‚Freiwillige‘ gibt. Zu diesem Zeitpunkt hatten nur sehr wenige Landschaftsarchitekten kandidiert. Da ich es sehr wichtig finde, dass wir als kleine Disziplin in der VV auch vertreten sind, hatte ich mich spontan dazu entschlossen. Bislang gab es bereits ein erstes Kennenlernen der in der VV vertretenen Landschaftsarchitekten. Aber auch die Vertreter der Kammergruppe Pfalz hatten sich vorab online zusammengefunden. So konnte ich schon vor der ersten Sitzung einen besseren Einblick in die ehrenamtliche Arbeit gewinnen und den ein oder anderen bereits kennenlernen. Das fand ich sehr angenehm für den Einstieg. Ich habe dadurch einen besseren Überblick über die Arbeit der Kammer und der Vertreterversammlung gewonnen. Durch den Austausch verstehe ich aber auch die Herausforderungen, mit denen sich unser Berufsstand momentan konfrontiert sieht, besser. Ich finde es auf jeden Fall sehr interessant, mich damit auseinander zu setzen.
Für wen und was möchten Sie sich künftig in der Vertreterversammlung stark machen? Dürfen sich etwa Landschaftsarchitektinnen und –architekten oder Angestellte besonders über eine neue Stimme in der VV freuen? Oder möchten Sie Ihre Schwerpunkte unabhängig davon setzen?
Das Bauen im Bestand ist ein spannender Punkt. Im ersten Moment mag man da vielleicht weniger an die Landschaftsarchitektur, sondern vielmehr an den Hochbau denken, doch das ist ein Thema, das uns ebenso betrifft. Daneben interessiere ich mich sehr für Beteiligungsprozesse. Ich kann es mir gut vorstellen, mich in solch allgemeine Themen einzubringen und gleichzeitig als angestellte Landschaftsarchitektin in der VV zu wirken. Bevor ich hier eine Entscheidung fälle, würde ich aber gerne noch die nächste Vertreterversammlung abwarten, noch stehe ich ja ganz am Anfang meines Engagements.
Klimaangepasstes und ressourcenschonendes Bauen sind die großen Zukunftsaufgaben, die der neue Vorstand rascher denn je voranbringen will. Welchen Beitrag können Sie als Landschaftsarchitektin hier leisten?
Ich würde gerne mit einem Beispiel in diese Frage einsteigen. Wir haben vor kurzem einen Spielplatz mit einer unzugänglichen Bauminsel aus den 80er Jahren umgestaltet. Tatsächlich gab es keinen einzigen Baum mehr darin und es wäre naheliegend gewesen, diese abzureißen. Jetzt ist dort aber mit einigen Findlingen als Kletteraufstieg und ein paar Baumstämmen, die wir sozusagen als Mikado darum herum verbaut haben, ein ‚Ninja-Warrior-Parcours‘ entstanden. Ein solcher Hindernisparcours ist unter den Kindern sehr gefragt momentan. Auf jeden Fall wurde die ehemalige Bauminsel so zum zentralen Element des neuen Spielraumes. Die Kinder finden den größten Wunsch aus der Beteiligung wieder und letztendlich ist eine Win-Win-Situation für alle entstanden: die Baukosten waren niedriger, da wir den Abbruch und die Entsorgungskosten nicht bezahlen mussten. Dafür konnten wir in natürliche und regionale Baumaterialien wie zum Beispiel Stammholz und Sandstein aus dem Pfälzerwald investieren. Die Kinder finden Vorhandenes, was sie noch kennen, auf dem Spielplatz wieder und wir als Landschaftsplaner konnten eben kreativ mit dem Bestand arbeiten und gebrauchtem einen neuen Sinn geben.
Ein weiteres Thema ist die grüne Grundstruktur. Vegetation ist natürlich grundsätzlich immer gut fürs Kleinklima, ich kann mir damit aber auch eine Frischluftschneise zustellen oder verbauen. Deshalb muss Landschaftsplanung immer im Kontext betrachtet werden. Wir sind mit unseren Projekten aber tatsächlich eher in einem kleinräumigen Maßstab unterwegs. So entwerfen wir vor allem Kindergartenaußengelände, Schulhöfe oder Mehrgenerationenparks.
Wenn ich an die BUGA Mannheim denke, fällt mir ein, dass dort alle Bäume im Nachgang weiter ins übrige Stadtgebiet verpflanzt werden müssen, weil das BUGA-Areal in einer Frischluftschneise liegt. Ich frage mich aber auch, was Nachhaltigkeit darüber hinaus für Großveranstaltungen wie eine BUGA noch bedeuten kann, ob zum Beispiel ganze Elemente der temporären Ausstellungen so geplant werden können, dass man sie dann an ander Stelle im Stadtgefüge bei anderen Projekten weiter nutzen kann.
Andersherum gefragt: Wie beeinflusst der Klimawandel Ihre Arbeit als Landschaftsplanerin?
Wir merken in den letzten Sommern, dass das Etablieren von Vegetation schwieriger wird und eine langfristige Fertigstellungspflege immer wichtiger, sodass wir die Pflanzen die ersten drei bis vier Jahre tatsächlich möglichst immer durch eine Garten- und Landschaftsbaufirma pflegen lassen. In der Vergangenheit hat das bei Projekten, für die nicht viel Geld vorhanden war, auch ohne diese intensive Pflege funktioniert, aber heute ist es tatsächlich so, dass wir das brauchen. Private Bauherren übernehmen die Pflege zumeist selbst. Da wir aber viel im städtischen Kontext planen, werden diese Leistungen zumeist von Beginn an mit ausgeschrieben. Daneben ist das Verständnis für jahreszeitliche Einflüsse wichtig: Es sollte eben möglichst nicht im Hochsommer gepflanzt werden, sondern im Frühjahr und im Herbst, wobei auch Förderprogramme hierauf tatsächlich nur wenig Rücksicht nehmen. Außerdem müssen wir uns mit der Pflanzenauswahl auseinandersetzen. Hier gibt es beispielsweise die robusten ‚Klimabäume‘, die sich für veränderte Klimaverhältnisse in unseren Breiten besser eignen. Darüber hinaus beschäftigen uns zunehmend auch Wetterextreme, also Überschwemmungen einerseits und längere Trockenperioden andererseits. Hier werden wir uns künftig stärker mit dem Regenwasser auseinandersetzen müssen. Wie kann ich dieses beispielsweise für die Bewässerung nutzen und gleichzeitig gut abführen, etwa in Versickerungsmulden? Mich ärgert es jedes Mal, wenn ich im Stadtgefüge Baumscheiben ohne oberflächliche Regenwasserzufuhr sehe und obendrein ein Baum darin sitzt, der schon diverse Trockenschäden aufweist. Ich finde das sooo traurig. Dabei könnte man das ändern oder anders planen. Ein weiterer Punkt sind unsere optischen und ästhetischen Erwartungen. Wenn wir unser Streben nach Perfektion einfach einmal hinterfragen, dann beginnen wir vielleicht zu akzeptieren, dass unsere Rasenflächen bei knappem Wasser im Hochsommer eben nicht so schön grün wie im Rest des Jahres sein können.
Die Sehnsucht nach mehr grüner und blauer Infrastruktur in den Städten ist bekannt. Ein Ideal, das sich sowieso in ihren Arbeiten wiederspiegelt oder würden Sie hier gerne noch stärkeren Einfluss auf die Umwelt nehmen? Wenn ja, wie könnte das aussehen?
Ich meine, dass wir mit dem was wir tun, schon einen sehr wichtigen Beitrag leisten. Indem wir eben Räume schaffen, in denen die Allerjüngsten unserer Gesellschaft Naturerfahrungen machen können. Gerade im städtischen Kontext haben Kinder nicht viele Räume, in denen überhaupt erst einmal ein Bezug zu Natur und Umwelt entsteht. Ich teste meine Spielräume auch immer selbst sehr gerne aus. Wenn ich mir die Spielraumprojekte mancher Planer-Kollegen ansehe, dann würde ich mir oft wünschen, dass diese weniger stark möbliert wären und dass vielmehr die Spielgeräte als ergänzende Bewegungsangebote in einer Landschaft verstanden werden.
Zwar sind momentan Spielgeräte aus Robinienholz modern, aber diese sind erstmal nur optisch naturnah. Wenn wir als Landschaftsarchitekten die Pflanzen zum Verstecken und eine bewegte Topographie vergessen, dann fehlt eben einfach die Landschaft. Einen rutschigen Hügel hinaufzulaufen, das müssen Kinder erst lernen. Manche Kinder schaffen es nicht, wenn sie das erste Mal im Wald unterwegs sind, einen rutschigen Berg hinauf zu laufen. Eine Landschaft hat aber noch einen weiteren Vorteil: sie hat Bestand. Wenn ich nach 15 Jahren ein Gerät abbauen oder ersetzten muss, dann bleibt dort immer noch eine spannende Landschaft übrig. Und das ist das Ziel: erstmal eine abwechslungsreiche Landschaft zu schaffen und diese dann mit dem notwendigen Inventar zu ergänzen.
Da wir fast alle Projekte mit Beteiligung umsetzen, können zudem auch Bauherren mit begrenztem Budget ein tolles Ergebnis erhalten. In solchen Fällen nutzen wir noch stärker das schon Vorhandene, wir schauen, welche Baufirmen es im Ort gibt, die wir vielleicht involvieren könnten, wir überlegen, wo es vielleicht Materialien umsonst gibt, und wir beteiligen zum Beispiel die gesamte Schulgemeinschaft von den Kindern über die Lehrenden und Eltern bis hin zu den Großeltern. Und schon kann in mehreren Bauaktionen ein ganzes Projekt umgesetzt werden. Heute entwerfen wir durchaus auch viele größere Vorhaben, die dann überwiegend von Garten- und Landschaftsbaufirmen ausgeführt werden, aber auch hier versuchen wir immer eine Beteiligung in die Planung und Umsetzung zu integrieren. Weil wir so einfach viel mehr Identifikation mit dem Raum schaffen.
Nachhaltiges, ressourcenschonendes, grünes und soziales Bauen – Aspekte, die in ihrer Arbeit eine wichtige Rolle spielen. Gibt es noch weitere Zukunftsthemen, die ihren Berufsstand bewegen?
Ich persönlich finde neben dem Klimawandel und der Digitalisierung eben auch den sozialen Aspekt, über den wir gerade gesprochen haben, sehr wichtig. Dieser dritte Baustein der Nachhaltigkeit, nämlich das Soziale, sollte gleichwertig zu dem Ökologischen und dem Ökonomischen betrachtet werden. Gerade durch Beteiligung schaffe ich nämlich mehr Begegnung und Identifikation mit dem Projekt. Damit können wir Entwürfe auf eine praktischen Ebene mit Leben füllen. Und indem ich eben das Soziale in der Planung mitdenke und Beteiligung in der Planungsphase und in der Umsetzung schaffe, kann ich eine Plattform kreieren, auf der sich Menschen begegnen, die sich sonst nie begegnet wären in ihrem Alltag. Es kommen in unseren Projekten oft ganz unterschiedliche Menschen zusammen. Wenn sie aber erstmal einen Spaten in der Hand halten, dann sind sie alle auf Augenhöhe, sie schaffen zusammen etwas und haben am Ende des Tages ein riesiges Erfolgserlebnis. Neulich zum Beispiel, als wir den Spielplatz mit der besagten Bauminsel eröffnet haben, da waren die Kinder tatsächlich der Meinung, dass wir Landschaftsarchitekten im Grunde nur ihr Modell des Ninja-Warrior-Parcours ‚abgemalt’ haben. Ein schönes Kompliment wie ich finde. Ganz so einfach war es natürlich nicht, aber die Kinder fanden ihre Idee wieder.
Frau Ehrhardt, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Melanie Schulz