Frau Schultz, Sie haben sich als Architektin auf Grundstücksbewertungen spezialisiert. War dies mit Ihrem Abschluss als Architektin möglich, oder mussten Sie sich zusätzlich qualifizieren?
Immobilienbewertung setzt fundierte Kenntnisse und praktische Erfahrungen aus dem „klassischen Architekturbereich“ voraus, erfordert aber auch bewertungstechnische und betriebswirtschaftliche Kenntnisse, um einen verlässlichen Markt- (Verkehrs)wert oder Beleihungswert zu ermitteln. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich in diesem Bereich weiter zu qualifizieren. Ich habe nach meinem Architekturstudium mehrere Jahre in allen Leistungsphasen in einem Architekturbüro gearbeitet und dann ein zweites Studium zum Diplom-Wirtschaftsingenieur mit Schwerpunkt Grundstücksbewertung angehängt.
Gibt es viele Hochschulen, an denen man dies studieren kann, und wo haben Sie studiert?
Es gibt mittlerweile verschiedene Möglichkeiten, sich in diesem Bereich fortzubilden: Institute an Hochschulen, aber auch Immobilienakademien und Unternehmen bieten Ausbildungen mit unterschiedlicher Dauer und Abschlüssen oder Zertifikaten an. Ich war an der Technischen Akademie Südwest, ein AN-Institut der TU und der FH Kaiserslautern.
Was schätzen Sie an Ihrer Tätigkeit?
Die Verbindung von klassischen, „kreativen“ Bauleistungen und wirtschaftlich- ökonomischen, aber auch strategischen Überlegungen. Neben der klassischen Bewertung von Immobilien, erarbeite ich beispielsweise auch Nutzungsalternativen inklusive Wirtschaftlichkeitsberechnungen für nicht mehr rentable Objekte. Dies geht bis zu Entwurfsvorschlägen, die Erstellung von Bauanträgen, oder auch Bauleitung.
Wer sind Ihre Kunden?
Das sind sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen, Banken, aber auch Rechtsanwälte, Steuerberater und Amtsgerichte.
Die Grundstücks- und Wohnungsnachfrage ist derzeit sehr hoch. Zeigt sich das auch in Ihrer Branche?
Tatsächlich überlegen aufgrund der aktuell niedrigen Zinsen immer mehr Menschen, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Die Banken haben einen entsprechenden Bedarf an Sachverständigen, die im Rahmen der Kreditvergabe den Beleihungswert ermitteln. Viele Institute können diese nicht durch eigene, entsprechend ausgebildete Mitarbeiter decken. Aber auch in Hinblick auf den gerne zitierten demografischen Wandel ist eine vermehrte Nachfrage nach Sachverständigen zu erkennen. Die sogenannte Erbengeneration setzt im Privaten ebenso wie bei Firmenübertragungen verstärkt auf den Rat von Fachleuten. Das bedeutet, dass auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ihr Knowhow durch das Fachwissen eines Sachverständigen ergänzen.
Wie sind die Möglichkeiten, sich als Grundstücksbewerterin selbstständig zu machen? Ist das auch eine Option für Sie?
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit der Selbstständigkeit. Sinnvoll ist es dann, wenn man mehrere Auftraggeber hat, die einen regelmäßigen Auftragseingang gewährleisten. Als Angestellte arbeite ich dagegen in einem Team mit Kollegen, mit konstantem fachlichem Austausch, was ich sehr schätze. Zusätzlich hat dies den Vorteil, dass sich die Verwaltungstätigkeit auf ein Minimum reduziert.
Vielen Dank für das Gespräch!
Archivbeitrag vom 23. Juli 2014