Frau Kurz, wo liegt die wesentliche Reform für den Schulbau in Rheinland-Pfalz?
Endlich werden individuelle Lösungen möglich, die maßgeschneidert und zukunftsfest auf den Bedarf der Nutzenden hin entwickelt werden können! Haben bisher Schulträger, Architekturbüros und Schulen immer wieder mit starren Raumvorgaben für unterschiedliche Schultypen kämpfen müssen, so öffnet der Perspektivwechsel vom Raum- zum Flächenbezug nun die notwendige Offenheit, den individuellen Anforderungen der Schulen gerecht zu werden. Bedarf wird nicht mehr katalogartig am Schultypus festgemacht, sondern jede Schule hat ihre individuellen Konzepte.
Wie sehen die Flächenprogramme aus?
Der Ansatz richtet sich nach verschiedenen Faktoren wie beispielsweise der Schulart und der Anzahl der Klassenzüge. Für Ganztagsschulen werden zusätzliche Flächen angesetzt. Aufgrund der eingetretenen Baupreissteigerungen wurden außerdem die Kostenrichtwerte für die Förderung pro Quadratmeter genehmigter Hauptnutzfläche neu festgesetzt.
Was ist darüber hinaus noch neu?
Neu als Begriff eingeführt – und wohl von uns allen noch mit konkreten Handlungsstrategien zu füllen – ist die „Phase Null“. Es geht darum frühzeitig miteinander ins Gespräch zu kommen. Neben den pädagogischen Grundlagen, die seitens der Schule für ihre Entwicklung beizusteuern sind, geht es hier um das frühzeitige Erkennen und Einbinden vieler Interessen: Schulträger, Schülerinnen- und Lehrerschaft, Eltern, Schulbehörde, Nachbarschaft und Vereine … Diese Voraussetzungen sauber zu klären und in das weitere Verfahren einzubinden, mag auf den ersten Blick kompliziert erscheinen, aber der partizipative Ansatz zahlt sich zuletzt auch durch mehr Planungssicherheit aus.
Dazu ist jetzt ein weiterer, für uns besonders wichtiger Baustein in der neuen Schulbaurichtlinie verankert: der Architektenwettbewerb. Die neue Schulbaurichtlinie verweist auf das Instrument des Wettbewerbs als dem einzigen, das bei der Vergabeentscheidung für das planende Büro bereits die Lösungsansätze für die konkrete Aufgabe integrieren kann. In der „Phase Null“ wird dafür idealerweise schon das „Pflichtenheft“, was die Schulbaumaßnahme alles leisten soll, erarbeitet.
Warum war Ihnen das Engagement der Architektenkammer zur Reform der Schulbaurichtlinie wichtig?
Schon zur letzten Novelle haben wir diese Themen aus planerischer Sicht vorgetragen. Inzwischen sind ziemlich genau 13 Jahre vergangen und die Welt an den Schulen und beim Bauen hat sich weiter verändert. Wir haben regelmäßig das Gespräch mit dem Ministerium für Bildung und Ministerin Dr. Stefanie Hubig gesucht und freuen uns deshalb über den konstruktiven Dialog und, dass unsere Sicht der Architektenschaft jetzt einfließen konnte – und damit meine ich die Kolleginnen und Kollegen aus allen Fachrichtungen. Die Schulhöfe und Freianlagen sind jetzt ebenso im Fokus wie die neuen Innenräume, der transparenter und vielfältiger werdenden Schulwelten.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Eine neue Prozessqualität ist mit der Novelle in die Schulbaurichtlinie eingezogen und es wäre ein guter Ansporn und eine tolle Wertschätzung, wenn wir in drei oder vier Jahren gelungene bauliche Umsetzungen von solch zeitgemäßer Schulentwicklung – sei es beim Neubau oder in der Bestandsentwicklung – mit einem „Schulbaupreis Rheinland-Pfalz“ auszeichnen könnten! Das hätte Vorbildcharakter und es wäre eine Ehrung für die Schülerinnen und Schüler, die dann mit Recht stolz auf ihre Schule sein können.
Wo finden sich weiterführende Informationen zur Novelle?
Das Ministerium für Bildung hat in Zusammenarbeit mit der Montag Stiftung das Kompendium „Zukunftsfähige Schulbauten in Rheinland-Pfalz“ als Magazin und als Download veröffentlicht, das wir auf der Homepage der Kammer verlinkt haben. Hier sind viele hilfreiche Informationen wie das
Flächenprogramm und Hinweise zum Verfahren oder auch zum Brandschutz zusammengestellt.
Das Interview führte Bärbel Zimmer.