15. Februar 2018

Von Rechten und Pflichten

Vizepräsidentin Edda Kurz
Vizepräsidentin Edda Kurz
Heike Rost, Mainz

Vizepräsidentin Edda Kurz fragt sich im März-DAB, warum vielerorts Städte und Gemeinden ihre Planungshoheit nicht so nutzen, wie es möglich wäre.

Die Planungshoheit der Gemeinden bezeichnet das Recht zur örtlichen Planung, das den Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland verfassungsrechtlich garantiert ist. Die Grundlage ist im Grundgesetz als Selbstverwaltungsrecht festgelegt. Deshalb regelt das Baugesetzbuch, dass Bauleitpläne von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen sind. So sagt es jeder gängige Rechtskommentar - aber wird es auch in der Praxis so umgesetzt? Die Gemeinde hält mit der Bauleitplanung ein grundlegendes Instrument zur Steuerung ihrer städtebaulichen und soziokulturellen Entwicklung in der Hand - weshalb wird es vielfach nicht ausreichend genutzt? Nicht nur in kleinen Kommunen auf dem Land, auchin größeren Städten geht die Tendenz dazu, nicht beplante Innenbereiche als solche zu belassen und sich im Genehmigungsverfahren auf §34 BauGB zu berufen. Ist das eine ausreichende Grundlage für Stadtentwicklung?

Die pragmatische Begründung lautet vielerorts: Bebauungsplanverfahren kosten Zeit und binden damit Mitarbeiterkapazitäten, die in der Vergangenheit immer weiter reduziert wurden und heute deshalb knapp sind. Überdies sind Aufstellungsverfahren zu langwierig, um auf Entwicklungen zeitnah reagieren zu können. Das Szenario der "Verzögerung" ist in einer schnelllebigen Zeit, in der kurzfristige Renditeüberlegungen und politische Erfolge im Wahlperiodentakt im Mittelpunkt stehen, schon ein K.-o.-Kriterium an sich. Dabei garantiert das geregelte Aufstellungsverfahren genau das, was aktuell die zentrale Thematik bei allen planerischen Prozessen ist: Eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit, der Behörden und Fachleute gleichermaßen - die vorgezogene Bürgerbeteiligung, die Bürgerversammlung, die Abwägung aller dabei eingebrachten Stellungnahmen vor der Erstellung des Planes und die anschließende Offenlage mit erneuter Möglichkeit zur Stellungnahme – das ist transparente, demokratische Prozesskultur! Und die darf auch eine angemessene Zeitspanne in Anspruch nehmen – schließlich geht es um langfristige Stadtentwicklung!

Bauleitplanung sollte ein Instrument langfristiger Stadtentwicklung sein!

Wenn man stattdessen die städtebaulichen Auswirkungen von umfangreichen Planungen im Genehmigungsverfahren nach §34 hinter verschlossenen Türen aushandelt oder Aufstellungsverfahren als verkürzte Verfahren durchlaufen lässt, um die vorgezogene Beteiligung "zu sparen", dann fehlt dieser demokratische Prozess. Wenn man umgekehrt Bebauungspläne vorhabenbezogen auf Investorenplanungen maßschneidert, fehlt die unabhängige, projektübergreifende, fachlich-zukunftsorientierte Planung für die Kommune.

Denn ein weiterer Aspekt tritt hinzu, der sicherlichnoch schwerer wiegt: Es liegt derzeit im Trend, klaren Entscheidungen auszuweichen und stattdessen reaktiv zu handeln... auch in der Stadtplanung trifft man oft auf geschmeidige Anpassung statt klarer (Bau-)kante, wenn ein Investor oder Interessent in Sicht kommt. Dann beginnt das Tauziehen und Verhandeln um Kompromisslösungen und Zugeständnisse dort, wo es keine planerische Festlegung gibt. Bauleitplanung beinhaltet den Begriff des Leitens – verantwortlich führen, dazu braucht es eine eigene Zieldefinition für eine zukunftsgerichtete Entwicklung. Die Gremien entscheideder Gemeinden und Städte dürfen nicht zum Spielball von Partikularinteressen, Bauherrenwünschen und Investorenverheißungen werden.

Der vielleicht altertümlich anmutende Begriff der Planungshoheit kommt nicht von ungefähr, bezeichnet Hoheit doch das Recht, über etwas zu gebieten und laut Duden damit Würde und Erhabenheit. Diesen Attributen muss die Kommunalpolitik sich stellen und ihr gerecht werden.

  

Archivbeitrag vom 15.02.2018