Die aktuelle Marktsituation der Architekten sei einerseits das Resultat der abnehmenden Baumaßnahmen und auf der anderen Seite einer stetig wachsenden Zahl von Architekten. In den vergangenen Jahren sei zwar eine leichte Erholung beim gewerblichen und öffentlichen Bauen zu verzeichnen gewesen, „aber machen wir uns nichts vor, wir müssen die Finanzkrise erst noch ausbaden“, trübte Hommerich gleich zu Beginn seines Vortrages jegliche Hoffnungen. „Insgesamt müssen wir feststellen: Das Bauvolumen geht mit gewissen Erholungsphasen tendenziell nach unten.“ Um in diesem Markt zu überleben, bräuchten Architekten neue Geschäftsmodelle, so Hommerich. Architekten müssten sehr viel betriebswirtschaftlicher denken und verstärkt in Teams arbeiten.
Selbstbild der Architekten
Das Leitbild der Architekten als künstlerisch Tätige, Kreative, habe sich in den vergangenen Jahren schon gewandelt, hat Hommerich in seinen Studien festgestellt. „Heute sehen sich die Architekten doch schon mehr als Berater, Planer, Entwerfer und Koordinatoren, jedoch immer noch nicht als Baucontroller, als diejenigen, die auch die Verantwortung für das Ergebnis übernehmen.“ Dies stelle immer wieder ein Spannungsfeld zwischen Architekten und Bauherren dar, merkte Hommerich an. In modernen Märkten komme man nicht umhin, sich auch dem, was Bauherren wünschen - nicht gänzlich zu unterwerfen - aber zu stellen und einen offenen Diskussionsprozess zu suchen.
Die Architekten wüssten mittlerweile, so Hommerich, dass Kostensicherheit und Wirtschaftlichkeit von Projekten wichtig seien, sie gewichteten dies aber deutlich geringer als die kreative planerische Leistung. „Da zuckt der Bauherr zurück“, so Hommerich. In einer Zeit, in der immer weniger Menschen mit Architekten bauen, wo auch Fertighäuser durchaus innovative Angebote lieferten und Erfolge feierten, sei es hochriskant, mit diesem Selbstverständnis an den Markt zu gehen. Seine Verwunderung äußerte Hommerich auch darüber, dass die Architekten ihre eigenen Umsätze und Gewinne eher in den Hintergrund stellten und ihre Leidenschaft für den Beruf in den Vordergrund. Das sei sehr heroisch, aber auf Dauer nicht auskömmlich. In seinen Studien habe sich gezeigt, dass in vielen kleinen Büros eine „Pi mal Daumen-Buchhaltung“ gemacht würde. Es sei jedoch nicht so, dass Betriebswirtschaftslehre in der Ausbildung nicht vermittelt werde, die Studenten gingen nur nicht hin, so Hommerich.
Bauherren verlangten vor allem Kostensicherheit, Terminsicherheit und Wirtschaftlichkeit und die Architekten betonten sehr stark ihren gestalterischen Anspruch und die Verbindung von sozialen, ökologischen und ökonomischen Kriterien. Diese möglicherweise unterschiedlichen Zielsetzungen müssten miteinander verbunden werden. 57 Prozent der Bauherren entschieden sich für einen Architekten unter dem Aspekt der Kostensicherheit, verdeutlichte Hommerich.
Spezialisierung als Strategie
Besonders die Freien Berufe hätten auf Überfüllungskrisen immer mit innerer Differenzierung reagiert. Heute seien viele Ärzte Spezialisten und nur wenige Allgemeinmediziner, ebenso seien in wenigen Jahren fast 30 Prozent der Anwälte Fachanwälte geworden. Früher hätten Anwälte als Generalisten angefangen, heute seien die erfolgreichsten jungen Anwälte vom ersten Tag an spezialisiert. Nur bei den Architekten gebe es das nicht. Eine der zentralen Zukunftsfragen ist für Hommerich, ob das Modell des Generalisten auf Dauer funktioniere? Denn es würden Spezialisten auf den Markt drängen.
Als Spezialisierungsgebiete würden Architekten Energieberatung, energieeffizientes Bauen sowie das Bauen im Bestand nennen, doch nach Ansicht von Hommerich reichen diese Lösungen nicht, um die vielen Architekten auf Dauer zu versorgen. Auch im Facility Management sieht Hommerich keinen Ausweg: In der Branche seien so wenig Architekten beschäftigt, dass dies den Markt für Architekten nicht wesentlich entspannen könne.
Vernetzung
„Es bestehen zu wenig Ideen für die Erschließung der Märkte“, bemängelte Hommerich. Die Architekten müssten eine marktgerechte Balance zwischen Spezialisierung und Leis-tungsbreite finden, die flexible Reaktionen auf wechselnde Marktanforderungen ermögliche. Wer darauf warte, dass das Telefon klingelt, der werde lange warten. Alle Maßnahmen müssten zudem von erheblichen Anstrengungen in Sachen kommunikativer Vernetzung begleitet werden, sowohl untereinander als auch mit anderen Berufsgruppen, so Hommerich. Nur so könnten komplexe Bauaufgaben gelöst und Nischen erschlossen werden.
Hommerich glaubt, dass die Zukunft der Architekten in der Vernetzung liegt. Entsprechend müssten die Architekten lernen, in Teams zu arbeiten. Er prognostizierte, dass Architekten immer stärker in komplexe Projektmanagementteams eingebunden würden. Es gäbe eine Fragmentierung der Märkte, besonders bei großen Projekten, Architekten würden dabei zunehmend mit der Ausführung von Teilleistungen beauftragt. Sie müssten flexibel in diese Wertschöpfungskette einsteigen, die ihnen Projektentwickler anböten. Das bedeute auch, dass die Architekten mit Projektentwicklern kommunizierten und präsent seien.
Aktive Strategie
Bislang würden noch die meisten Aufträge über persönliche Kontakte und Empfehlungen generiert. Dies funktioniere nach Einschätzung von Hommerich immer weniger, je dichter der Markt besetzt sei. Der Kuchen müsse auf immer mehr Köpfe verteilt werden. Der Ausweg besteht für Hommerich in einer klaren Strategie. Wer ohne Strategie arbeite, gerate in eine Verzettelungskrise. Strategie bedeute Bündelung der begrenzten Kräfte eines Büros - ohne Strategie kein Controlling, ohne Controlling keine systematische Fortentwicklung des Büros.
Hommerich stellte den Anwesenden die Frage: Können Sie mit einem Wort sagen, wofür Sie oder Ihr Büro stehen? Als Antwort reiche dabei nicht der Hinweis auf Qualität, denn dies würden alle Architekten sagen. Es sei wichtig, präzise benennen zu können, wofür das Büro steht und damit natürlich auch, wofür nicht.
Es gebe zwei Optionen eine Strategie zu bedienen, erläuterte Hommerich: Von innen nach außen zu schauen oder von außen nach innen. Entweder von den eigenen Kompetenzen ausgehend bestimmte Leistungen am Markt anzubieten oder Signale aus dem Markt aufzunehmen und darauf zu reagieren. Nach Einschätzung von Hommerich sei in gesättigten Märkten die erste Option, eigene Ideen zur Besetzung von Märkten und zum aktiven Aufbau neuer Märkte zu entwickeln, die bessere Strategie.
Notwendig sei eine klare Positionierung am Markt. Dafür müssten einige Schlüsselfragen beantwortet werden: Für wen will man arbeiten? Was will man erstellen? Welche Leistung sollen angeboten werden? Wie und von wem soll die Leistung erbracht werden? Welches Potenzial hat das Büro? Ein Problem sei nach wie vor, dass viele Menschen nicht wüssten, welchen Nutzen der Architekt stifte. Diese Botschaft müsse transportiert werden und dafür sei Marketing notwendig.
Marketing
Marketing definierte Hommerich als „Vertrauen bildende Kommunikation“. Das seien nicht Werbung, bunte Bilder oder Bürobroschüren. Es müsse ein aktiver Vertrauensprozess eingeleitet und mit großer Verve in Gang gebracht werden. Architekten müssten intensiver kommunizieren. Sie müssten zudem die Kammern in ihrer Öffentlichkeitsarbeit aktiv finanziell unterstützen. Als Gemeinschaftsgremium sei diese wichtig, da viele Architekten alleine zu schwach seien. Büros mit einem Jahresergebnis unter 30.000 Euro könnten alleine keine Marketingmaßnahmen finanzieren. Ein Problem sei zudem der Wegfall von öffentlichen Foren, in denen über Architektur aktiv diskutiert werde.
Die Kommunikationsleistung der Architekten muss erheblich gesteigert werden, ist sich Hommerich sicher. Durch öffentliche Einmischung der Architekten, durch eine Beteiligung der Architekten an öffentlichen Dialogen, in jeder Stadt, in jedem Dorf, durch öffentliche Präsenz der Architekten und mehr Solidarität unter den Architekten. Dies bringe die Architektenschaft auf Dauer weiter.
Entweder es entwickelten sich eine Diskussion über den Zusammenhalt der Architekten und aktive Berufsverbände, die die öffentliche Einmischung wieder ernster nehmen oder die Architekten fänden sich als Beruf wie jeder andere wieder, mahnte Hommerich. Das sei die Konsequenz, die der Politik zum Teil sogar sehr genehm wäre. „Am Beispiel der neuen HOAI hat sich deutlich gezeigt, wie wenig Gewicht die Architekten in der Politik besitzen“, sagte Hommerich zum Abschluss.
Archivbeitrag vom 18. November 2009