Versuchs- und Forschungsgebäude
Wörrstadt (2011)
Panoramaweg / Gemarkung Sulzheim, 55286 Wörrstadt
- Architekten: Prof. Dipl.-Ing. Dirk Bayer, Prof. Dipl.-Ing. Bernd Meyerspeer, TU Kaiserslautern, Fachbereich Architektur zusammen mit Prof. Dr. Ing. Jürgen Schnell sowie Junior-Professor Dr. Ing. Christian Kohlmeyer, TU Kaiserslautern, Fachbereich Bauingenieurwesen. MEHR
- Mitarbeiter: Dipl.-Ing. Christoph Perka (Entwurfsverfasser), Dipl.-Ing. (FH) Frank Müller M.Eng. Dipl.-Ing. Christian Keil, Dipl.-Ing Andreas Schmitt
- Bauherr: Architekt Dipl.-Ing. Klemens Perka, Wörrstadt. MEHR
Das kleine Weinberghaus in Wörrstadt will die überkommene Bauform sowohl konstruktiv wie gestalterisch neu interpretieren und die Grenzen des in zeitgenössischer Überformung für diesen Bautyp Möglichen ausloten. In ihrer Überschaubarkeit ist die skulptural-minimalistische Form ein interessanter Diskussionsbeitrag der TU Kaiserslautern. Das Experiment sensibilisiert für die Zwitterstellung des Weinberghäuschens als Wetterschutz und Geräteschuppen einerseits und Merkzeichen in der Landschaft andererseits.
Aus der Jurybewertung
Das Lehrgebiet Methodik des Entwerfens und Entwerfen sowie das Lehrgebiet Baukonstruktion 1 und Entwerfen am Fachbereich Architektur der TU Kaiserslautern hat gemeinsam mit den Lehrgebieten Massiv- und Baukonstruktion sowie Konstruieren mit Hochleistungsbetonen des Fachbereichs Bauingenieurwesen ein Entwurfsseminar zur Erprobung von Konstruktionsstrategien mit ultrahochfestem Beton durchgeführt. Die gleichermaßen spannende wie auf den ersten Blick bescheidene Bauaufgabe für die Studierenden der Universität war das Thema Weinberghäuser. Hier bot sich die Möglichkeit, mit Aussicht auf Realisierung einen in der Region verwurzelten Bautyp gestalterisch zu hinterfragen und seine Möglichkeiten bis an die Grenzen zu erforschen.
Der Ursprung des Bautyps Weinberghäuser scheint im Mittelmeerraum zu liegen, in ähnlichen formalen Ausprägungen finden sich Weinberghäuser jedoch auch in den Weingegenden des deutschen Südwestens. Meist treten sie in Form eines überkuppelten Rundbaus auf, ursprünglich konstruktiv als ummanteltes Skelett, später dann als steinerne Wölbung auf rechtwinkligem Grundriss. Sie befinden sich meist außerhalb der geschlossenen Ortschaften in den Weinbergen und dienten ursprünglich als Wetterschutz und für das Lagern von Werkzeugen. Als untergeordneter Bautyp wurde das Weinberghaus lange wenig beachtet, fand aber in den letzten Jahrzehnten immer mehr Freunde. Seiner ursprünglichen Funktion weitgehend beraubt, sind die historischen Beispiele längst zu Landmarken in den Weinbergen geworden. Mehr und mehr werden sie touristisch genutzt, inzwischen werden vereinzelt wieder neue Weinberghäuser errichtet.
Die Studierenden an der TU Kaiserslautern und ihre Professoren wollten den Bautyp in eine zeitgemäße Konstruktion und Form übertragen, ohne in weinselige Klischees zu verfallen. Erklärtes Ziel war es auch, das überzeugendste der vorgelegten studentischen Entwurfsergebnisse mit Betonfertigteilen in Eigenbau tatsächlich auszuführen. Daher standen von Anfang an neben der Konstruktion und der Erscheinung auch Fragen der materiellen Fügung von Boden, Wand und Dach im Mittelpunkt der Betrachtungen.
Entsprechend wurde mit Studien und Vormodellen gearbeitet. Es wurden Probestücke gegossen, ihre Materialtauglichkeit und ihre Stabilität wurden untersucht. Der eingesetzte Hochleistungsbeton konnte durch seine hohe Festigkeit und seine Fließfähigkeit für den Bau von nun drei Zentimeter dicken Fertigteilen minimiert werden.
Errichtet wurde das Weinberghaus dann schließlich in Wörrstadt/Gemarkung Sulzheim südwestlich von Mainz in der sanften rheinhessischen Hügellandschaft. Wie seine traditionellen Vorgänger greift es auf bauliche Archetypen zurück, unterscheidet sich von diesen, indem es auf gewölbte Überdeckungen verzichtet und mit Giebelwänden und Satteldach die Urform des Hauses spiegelt. Es variiert diesen Archetypus durch Verziehen des Grundrisses aus dem rechten Winkel in ein Parallelogramm. Im Weinberg fordert es den Betrachter und seine gewohnte Sehweise durch die Verschiebung heraus. Es stellt Perspektiven in Frage und lädt so ein, die rheinhessische Weinlandschaft, die Bautypologie und konstruktive Gewissheiten zu hinterfragen.
„…Es kommen Leute von weit her und erkundigen sich nach der Konstruktion sowie nach Sinn und Zweck. Alle, die vorbeikommen, dürfen verweilen und wenn wir da sind, mit uns den Tropfen probieren. Aussicht gibt es über den Wißberg und den Donnersberg bis zum Rheingraben“.
Der Architekt und Nebenerwerbswinzer Klemens Perka musste wohl nicht zweimal gebeten werden, als sein Sohn Christoph Perka ihn um die Realisierung des Entwurfsprojektes aus seinem Studium an der TU Kaiserslautern bat. Wie anders hätten sich die Interessensgebiete von Architektur und Wein enger verschränken können?
Auf rund 1.800 Quadratmetern baut Klemens Perka seit gut zehn Jahren Silvaner in Wörrstadt an. Als passionierter Nebenerwerbswinzer erledigt er alle Arbeiten, die zur Erzeugung der rund 500 Flaschen jährlich nötig sind, von Hand. In Handarbeit werden die Reben geschnitten und gebogen. Spritzen, Haken, Ausbrechen, Lesen, alles geschieht von Hand und mit Freunden - natürlich auch das Trinken. Die rund 11 Quadratmeter Weinberghaus dienen dabei als Ruhe- und Genussraum, um alleine oder mit bis zu vierzig Freunden die Früchte der Arbeit zu genießen.
„Es geht uns nicht um Gewinnoptimierung oder ähnliches. Uns macht es Spaß, seit etwas mehr als zehn Jahren Wein und Architektur zu verbinden und die Winzer in unserer Gegend zu Ähnlichem zu begeistern“, so Klemens Perka.