Die Bauministerkonferenz hat in ihrer Sitzung vom 26. und 27. September 2019 beschlossen, die Musterbauordnung anzupassen, um die Digitalisierung der bauaufsichtlichen Verfahren zu erleichtern. Herr Derichsweiler, wie schätzen Sie diesen Vorstoß ein?
Der Weg, den die Bauministerkonferenz eingeschlagen hat, ist der richtige. Ich gehe davon aus, dass die Änderung der Musterbauordnung noch dieses Jahr beschlossen wird und unsere Landesbauordnung dies dann möglichst zeitnah musterkonform umsetzt.
Die Bauordnung ist Ländersache. Ist der Föderalismuseine Herausforderung?
Der Föderalismus ist sicherlich eine Herausforderung, wobei sich die 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen an der Musterbauordnung orientieren und sich damit in weiten Teilen recht ähnlich sind. Umgekehrt gibt es einige Innovationen im Bauordnungsrecht nur dank des Vorstoßes einzelner Länder. Nach den positiven Erfahrungen dort kamen die Regelungen in die Musterbauordnung und im Anschluss in die übrigen Bauordnungen. Der Föderalismus schafft Innovationskraft!
Schnelle, einfache Genehmigungsverfahren steigern die Attraktivität von Rheinland-Pfalz für private Bauherren, Firmen und Investoren und fördern somit die Ansiedlung.
Schnelle Genehmigungsverfahren sind in der Tat ein wichtiger Standortfaktor. Mit den Möglichkeiten der Digitalisierung wollen wir hierfür den Rahmen schaffen.
Die Anzahl der Bauanträge steigt. Kann die Digitalisierung hier Entlastung schaffen?
Das sehe ich ambivalent: Überall da, wo Papier bewegt wird, wie bei der Registratur oder Archivierung, kann es Entlastung geben. Doch es entstehen auch neue Aufgaben, etwa um Akteneinsichten digital zu organisieren. In den technischen Bereichen der Bauaufsichtsbehörden kommt es zu einer Mehrbelastung, gleichzeitig aber auch zu einer höheren Qualität.
Welche Vorteile bringt das digitale Baugenehmigungsverfahren mit sich?
Es kommt zu deutlich geringeren Postlaufzeiten, da die digitalen Daten direkt an alle beteiligten Stellen übermittelt werden. Kommunikation sowie Abstimmungsprozesse werden vereinfacht!
Hand aufs Herz: Wie herausfordernd wird die Umstellung?
Sehr, denn die Digitalisierung stellt an Architektinnen und Architekten höhere Anforderungen, ebenso an die Behörden. Wie immer bei großen Veränderungen wird es zunächst viele Widerstände und Fragen geben. Mit der Zeit wird das digitale Verfahren gängige Praxis werden. Und irgendwann werden wir uns fragen, wie es früher rein papierbasiert funktionieren konnte. Doch bis dahin ist es noch ein Stück Weg: Sowohl bei den technischen Voraussetzungen als auch bei den Prozessen ist Entwicklungsarbeit gefordert.
Einige Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg testen bereits Pilotprojekte. Wie sieht es in Rheinland-Pfalz aus?
Abgesehen von dem länderübergreifenden Modellvorhaben "Virtuelles Bauamt Metropolregion Rhein-Neckar" sind mir für Rheinland-Pfalz keine Pilotprojekte bekannt. Von der Gesetzeslage her sind bei uns digitale Bauanträge bereits seit rund zehn Jahren möglich. Hemmschuh ist jedoch das Schriftformerfordernis, das wir weitestgehend reduzieren wollen. Nur so kommen wir zum kompletten digitalen Verfahren. Nur so hört der Irrsinn auf, dass Architekturbüros ihre digital erstellten Anträge in Papierform bei den Aufsichtsbehörden einreichen, diese sie zur internen Bearbeitung einscannen und die Baugenehmigung selbst wieder auf Papier entsteht.
Verleiht die aktuelle Situation der Digitalisierung einen Schub? Das nordrhein-westfälische Bauministerium etwa wurde vorübergehend ermächtigt, digitale Baugenehmigungsverfahren durchzuführen.
Ich gehe nicht davon aus, dass befristete Änderungen der Landesbauordnung wie in NRW weiterhelfen werden. Die Coronapandemie zeigt jedoch, dass durchgehend digitalisierte Arbeitsprozesse gerade in der Zeit eingeschränkter persönlicher Kontakte ortsungebunden relativ störungsfrei ablaufen können. Daher passt es gut, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren so entwickeln, dass das digitale Baugenehmigungsverfahren das Standardverfahren wird.
Vielen Dank für das Gespräch.