Frau Holdenried, Sie haben die Veranstaltungsreihe „Auf dem Weg zur BUGA29“ mit Auftakt am 12. März in Bacharach initiiert. Was ist die Intention?
Wir möchten Beherbergungsbetriebe und Innenarchitekt*innen zusammenbringen, Netzwerke herstellen und nachhaltige Lösungen aufzeigen. Denn im Mittelrheintal herrscht in Hotellerie und Gastronomie Modernisierungsstau. Dabei reichen oft schon kleinere innenarchitektonische Eingriffe, damit Betriebe als attraktivere Gastgeber wahrgenommen werden, wie wir anhand von Best-Practice-Beispielen zeigen wollen.
Welche Faktoren verhindern Investitionen der Betriebe im Oberen Mittelrheintal?
Im Mittelrheintal gibt es primär kleinere, inhabergeführte Hotel- und Gastronomiebetriebe, die angesichts des Strukturwandels in der Branche zunehmend unter Druck geraten. Zu den Herausforderungen zählen steigende Betriebskosten, insbesondere für Personal, Energie und Lebensmittel, anhaltender Fachkräftemangel und fehlende Digitalisierung. Inflation und schwache Konjunktur mindern die Kaufkraft und beeinflussen somit das Reise- und Ausgehverhalten negativ, zumal das Gastgewerbe im Mittelrheintal sehr wetter- und saisonabhängig ist. Hinzu kommt eine im Bundesvergleich nur geringe Wachstumsdynamik (9,9 %, Bund: 27 %), sodass Investitionen oft nur zögerlich getätigt werden. Doch gerade in Hinblick auf die BUGA29, die zahlreiche Gäste anlocken wird, ist jetzt genau der
richtige Zeitpunkt, um über zukunftsfähige Konzepte nachzudenken.
Welche Impulse können Innenarchitekt*innen für die Modernisierung von Hotellerie und Gastronomie, aber auch für die Aktivierung von Leerstand geben?
Innenarchitekt*innen sind Expert*innen für das Bauen im Bestand und damit prädestiniert dafür, hier neue Ideen zu entwickeln und anzustoßen, wie der Bestand anders genutzt oder reorganisiert werden kann. Sie beraten zu Materialien, Trends und zeigen, wie Themen aktuell bespielt werden können, um das ganze Tal wieder attraktiver zu machen. Im Mittelpunkt steht dabei auch die Frage, wie man gemeinschaftlich agieren kann, um Gästen ein tolles Angebot zu unterbreiten. Bei der Auftaktveranstaltung wird Prof. Carolin Seegmüller auch am Beispiel der „Genussfabrik“ in Walsheim zeigen, welch großes Potential Bestandsbauten bieten und wie selbst denkmalgeschützte Gebäude für das Gastgewebe revitalisiert werden können. Aus der ehemaligen Fabrik wurden Ferienappartements mit industriellem Charme und modernem Interieur.
Welche Architekturtrends zeichnen sich beim Bauen für Gäste ab?
Es gibt gerade ganz unterschiedliche Trends, wobei der Fokus auf dem Thema Nachhaltigkeit liegt. In Hotellerie und Gastronomie gehen wir von einem Renovationszyklus von nur sieben Jahren aus. Dann ist ein Trend abgefrühstückt und es kommt etwas Neues. Genau das sollten wir aufbrechen, indem wir nachhaltige Konzepte entwickeln und Gestaltungsbilder anbieten, die dauerhafter sind als Trends, die nur die Optik bedienen, wie zuletzt „Dark Luxury“.
In Anbetracht der verbleibenden Zeitspanne zur BUGA von fünf Jahren: Was ist noch möglich?
Ganz viel! Gerade im Bereich Innenarchitektur, denn hier brauchen wir keine Baugenehmigung, solange wir nicht in die tragende Konstruktion und das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes eingreifen. Also, es lässt sich noch vieles bis zur BUGA realisieren.
Macht Architektur Gäste?
Auf jeden Fall. Das Beste Beispiel hierfür ist der sogenannte Bilbao-Effekt. Durch das Guggenheim-Museum von Frank Owen Gehry wurde Bilbao überhaupt erst wieder als touristisches Ziel interessant. Ein weiteres Beispiel ist Südtirol, das sich durch die Kombination von lokaler Handwerkskunst und konsequent modernen Ansätzen in der Formensprache hervortut. Hier hat sich dank spannender Architektur eine ganz neue Form des Tourismus etabliert, der vor allem anspruchsvolle Reisende anzieht, die sich in einem ansprechendem Umfeld aufhalten möchten. Durch die Einbeziehung der lokalen Wirtschaft können starke Impulse für die ganze Region ausgehen. Das lässt sich natürlich auch im Kleinen umsetzen und kann beispielgebend sein, um im Mittelrheintal ein neues Bewusstsein für die regionale Baukultur zu etablieren!
Das Interview führte Lena Pröhl.