19. Februar 2025

Ins Handeln kommen!

Talkrunde
Talkrunde: Tanja Samrotzki (Moderation), Ministerpräsident Alexander Schweitzer, Dr. Rainer Schneichel, Präsident der Landestierärztekammer, IHK-Präsident Dr. Marcus Walden, Ökonomierat Michael Horper, Präsident der Landwirtschaftskammer
Foto: Kristina Schäfer, Mainz

Jahresempfang der Wirtschaft 2025

Der Jahresempfang der Wirtschaft, bei vielen längst ein fester Termin im Kalender, lockte am 22. Januar rund 3.000 Gäste aus (Berufs-)Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Medien und Kultur in die Mainzer Rheingoldhalle.

Als größter seiner Art, organisiert von 15 Kammern, genießt der Empfang der regionalen Wirtschaft bundesweite Beachtung – auch dank zahlreicher Gastredner aus den Parteispitzen Deutschlands. So konnten in der Vergangenheit schon Angela Merkel, Olaf Scholz, Christian Lindner, Sigmar Gabriel und Robert Habeck als Redner gewonnen werden, wie Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, in seinem Grußwort betonte. Dialogpartner aus der Politik würden hier mit den Fragen konfrontiert, die mittelständischen Unternehmern und den Angehörigen der Freien Berufe unter den Nägeln brennen: Was ist die Ursache für die Sorgen und Nöte in den Betrieben? Was braucht die Wirtschaft, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Festredner des Abends war der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz, der bereits im Vorjahr zugesagt hatte, als die vorgezogene Bundestagswahl und seine Kanzlerkandidatur noch nicht absehbar waren. Moderatorin Tanja Samrotzki erinnerte einleitend daran, dass Merz nicht zum Wahlkampf eingeladen sei, dennoch und absehbar blieb dieser Kontext deutlich. In knapp 50 Minuten machte Merz einen Parforceritt durch die gegenwärtige angespannte wirtschaftliche und weltpolitische Lage. Dabei richtete er den Blick auch auf die USA. Die Amtseinführung von Donald Trump sei weltweit ganz unterschiedlich aufgenommen worden, am kritischsten in Europa. Doch bei aller Kritik, von Trumps polemischem Wahlkampfslogan „America First“ könne Europa lernen, die eigenen nationalen Interessen in Bezug auf Wirtschaft und Sicherheit (wieder) an erste Stelle zu setzen, so Merz, zumal „America First“ nicht „America Alone“ bedeuten dürfe. Europa müsse geschlossen eine Antwort hierauf finden und Trump entgegenhalten „We will make Europe great again“. Zugleich zeichnete Merz ein düsteres Bild der aktuellen wirtschaftlichen Situation: Deutschland steuere erstmals in der Geschichte auf das dritte Jahr Rezession in Folge zu. Sinkende Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität bei gleichzeitigem Rekordhoch der Zahl der Erwerbstätigen mit 46 Millionen Beschäftigen in 2024. Mit 40 Prozent Teilzeitbeschäftigung habe Deutschland allerdings eine der höchsten Quoten weltweit, gab Merz zu bedenken. Deutschland müsse Industriestandort bleiben, schließlich sei die Industrie das Rückgrat unserer Gesellschaft, ja unseres Wohlstandes. Gleichzeitig warnte er vor einer tektonischen Verschiebung der internationalen Kräfte. Jetzt sei es an der Zeit, die Weichen zu stellen und die Dinge in Europa wieder in die eigenen Hände zu nehmen.

Abschließend ging Merz auf die zwölf Forderungen der Kammern in Rheinland-Pfalz ein und bekräftigte sechs davon. Nur beim Ruf nach mehr Bürokratieabbau wolle er lieber von Rückbau sprechen, sehr zur Begeisterung des Publikums, und sprach von einer Kultur des Vertrauens, die übermäßige Regulierungen ablösen müsse. Statt eines überzogenen Datenschutzes machte er sich für mehr Datensicherheit gegen Cyberangriffe stark. Auch eine Stärkung der beruflichen Bildung sowie ein „Quantensprung“ in der Digitalisierung hielt er für dringend notwendig. Zudem brauche es eine verlässliche (Steuer-)Gesetzgebung und Steuersenkungen. Strategien oder Finanzierungspläne zur Beseitigung der vielen, von ihm dargestellten Schieflagen blieb er jedoch weitestgehend schuldig. Themen rund um die Bauwende, bezahlbaren Wohnraum oder das Bauen überhaupt, suchte man leider vergebens. Und das, obwohl die Bauwirtschaft ungebrochen eine Schlüsselbranche in Deutschland ist.

Bürokratie als Wirtschaftshemmnis

Zuvor hatten SPD-Ministerpräsident Alexander Schweitzer, IHK-Präsident Dr. Marcus Walden, Ökonomierat Michael Horper, Präsident der Landwirtschaftskammer und Dr. Rainer Schneichel, Präsident der Landestierärztekammer über die Zukunft des (Wirtschafts-)Standortes Deutschland im Allgemeinen und Rheinland-Pfalz im Speziellen diskutiert. Die Runde machte deutlich: Wir können nicht so weitermachen wie bisher! Die Landesregierung habe bereits im Herbst ein 57-Maßnahmen-Paket geschnürt, das in engem Dialog mit den gastgebenden Kammern erarbeitet worden war, sagte Ministerpräsident Alexander Schweitzer. Weitere sollen folgen. Da gelte es nicht erst auf Bund und EU zu warten. Doch der heutige Abend mache ihm Mut, denn er zeige das große Interesse an Politik und Demokratie.

Es reiche längst nicht mehr, einzelne Symptome zu behandeln, stellte IHK-Präsident Dr. Marcus Walden fest und plädierte für einen Bürokratieabbau, der in den Unternehmen auch spürbar ankomme. Dr. Rainer Schneichel von der Landestierärztekammer monierte ebenfalls den „Bürokratiewahnsinn“. Die Bevölkerung habe das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Politik verloren, konstatierte Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen. Die kommende Wahlperiode bezeichnete er als letzte Chance zur (Kehrt-)Wende und appellierte: Kommen Sie vom Reden ins Handeln!

Zukunftsfähige Infrastrukturen spielen eine entscheidende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland und sind zugleich die Basis für unser Zusammenleben in Stadt und Land, betonte Kammerpräsident Joachim Rind und verwies dabei auf nachhaltige Energie- und Mobilitätskonzepte sowie den Ausbau von „grüner und blauer Infrastruktur“. Daneben habe auch die Forderung der Architektenkammer Rheinland-Pfalz nach einer Bauwende – weg vom Neubau hin zu einer neuen Umbaukultur – keineswegs an Brisanz verloren.

Das Foyer war nach dem Empfang zum Bersten voll, enges Tête-à-tête von Politik und Berufspolitik, Wirtschaft und Verwaltung, Medien und Kultur.