27. November 2024

Landleben 4.0

Uwe Knauth
Uwe Knauth
Foto: Kirsten Bucher, Frankfurt

Gestiegene Baupreise und langfristige Finanzierungszeiträume mit gestiegenen Zinsen dämpfen nach wie vor die Investitionsbereitschaft für Neubauvorhaben. Die Schonung der Flächenressource Boden führt zu einer Verknappung des Baulandangebots und dies wiederum zu steigenden Grundstückspreisen. Um dem hohen Wohnungsbedarf und der starken Nachfrage dennoch gerecht zu werden, rücken mehr und mehr Bestandsimmobilien ins Blickfeld, auch in der Region.

Nicht nur die Modernisierung von Wohnraum, auch die Wandlung bestehender Wirtschafts- und Gewerbegebäude weckt zunehmend Interesse bei Bauwilligen und Investoren. Ohne gleich experimentelle Wohnlösungen zu kreieren, geben vor allem komplexere Bestandsbauten Spielräume für unterschiedliche Wohnformen vom Singlehaushalt bis zur Wohngruppe. Suffiziente Ansätze kompakten Wohnens sind genauso möglich wie offene Konzepte über mehrere Ebenen. Auch Wohnflächen mit unterschiedlichen Temperaturbereichen für eine wandelnde jahreszeitliche Nutzung sind denkbar: in den warmen Jahreszeiten großflächig und offen, im Winter nach innen konzentriert und behaglich, umgeben von Pufferräumen als Wärmeschutz nach außen.

Flexibilität und Authentizität im Ortskern schließen sich nicht aus.

Gestaltung, Ergänzungen und Eingriffe in die Bausubstanz stellen besondere Herausforderungen dar. Ortssatzungen, mitunter Denkmalschutz, Bauphysik, Tragwerk und Energiekonzepte, fordern ihren Tribut. Trotz dieser Anforderungen und über einzelne Aufgabenstellungen hinaus besteht der Anspruch, die Wesenszüge des Ortes zu erkennen und seine Authentizität durch den Einsatz neuer Bauelemente und historischer Baumaterialien wiederzubeleben.

Erhebliches Potential steckt in größeren Objekten. Sie bieten neben vielfältigen Nutzungs- und Teilungsmöglichkeiten auch Chancen für genossenschaftliches Bauen und Baugruppen. Mit professioneller Begleitung, von Beginn an, ist die Grundlage für kreative Lösungen gegeben. Über den ersten Blick hinaus werden aus den vermeintlich starren Strukturen Entwicklungsmöglichkeiten erkennbar. Im Idealfall lassen sich mit einem Nutzungsmix attraktive Begegnungsräume und individuelle Wohnkonzepte schaffen. Den Werkzeugkasten bilden flexible Grundrisse mit aufgelösten Strukturen ohne Flure, vorgelagerte begrünte Fassadenebenen mit Balkonen, Loggien und Wintergärten, Gemeinschaftsflächen, Werkstätten, Zier- und Nutzgärten.

Bestehende Gebäude in gewachsenen Ortsstrukturen sind eine Chance für bezahlbaren Wohnraum! Sie haben das Potential für individuelle, attraktive Wohnlösungen – und das ohne neue Flächenversiegelung, ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft.