21. November 2016

Warum Building Information Modeling (BIM)?

Vizepräsident Ernst Wolfgang Eichler und Eva Holdenried, Mitglied der Vertreterversammlung, sind als Vertreter der Kammer Mitglied im Koordinationskreis des BIM-Clusters Rheinland-Pfalz. Ein Interview mit Vizepräsident Eichler über die Vor- und Nachteile von BIM.

Herr Eichler, warum engagiert sich die Architektenkammer im BIM-Cluster?
Das Thema Building Information Modeling, kurz BIM, ist längst in unserem Berufsleben angekommen. In europäischen Nachbarländern und in den USA ist BIM beim öffentlichen Bau schon verpflichtend, und in Deutschland nimmt das Thema Fahrt auf. Anfang 2015 wurde die Initiative Planen und Bauen 4.0 gestartet und Ende des gleichen Jahres ein BIM-Stufenplan präsentiert. Dieser zielt ab auf die Umsetzung konkreter Schritte beim öffentlichen Bauen ab 2020; inwieweit das umsetzbar ist, muss man sehen. Wir haben uns mit dem Thema auseinanderzusetzen, damit unser Berufsstand nicht irgendwann überrascht und hilflos fremdgesteuert wird, sondern sich aktiv mit seinen Belangen am Entwicklungsprozess beteiligen kann. BIM soll zum Hilfsmittel für uns werden, nicht wir die Sklaven von BIM. Vor diesem Hintergrund haben wir gemeinsam mit vielen relevanten Partnern ein rheinland-pfälzisches BIM-Cluster als offene Diskussionsplattform gegründet, um Auswirkungen, Chancen und Risiken von BIM zu diskutieren.

Warum ist BIM wichtig für den Berufsstand?
BIM ist ein hochkomplexes Verfahren zur Planung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, von der Projektentstehung über die Bewirtschaftung bis zum Rückbau. Alle Projektbeteiligte - Auftraggeber, Planer, Hersteller und Nutzer - müssen diszipliniert an diesem geregelten Prozess mitwirken. Höhere Planungsqualität, weniger Fehler am Bau und verbessertes Facility Management sind dadurch denkbar. Aber wenn sich die Rahmenbedingungen unserer Arbeit ändern, müssen wir Kompetenz entwickeln, um an vorderster Front den Prozess mitzugestalten.

Welche Chancen und welche Herausforderungen sind mit BIM verbunden?
BIM eröffnet neue Berufsfelder; wenn es gelingt, Prozesse und Verantwortlichkeiten klar zu regeln, kann das Bauen als Wiederholung eines virtuellen Vorgangs fehlerfreier ablaufen als bisher. Das reicht bis in die CAM-gesteuerte Produktion von Bauteilen. Aber klar ist auch: den Mehrwert von und den Mehraufwand für BIM gibt es nicht umsonst. Architekten müssen investieren in Weiterbildung, Personal, Soft- und Hardware. Gewerbliche und private Auftraggeber werden dafür ungern tiefer in die Tasche greifen. Die öffentliche Hand könnte Marktmacht nutzen, um Mehrkosten zu vermeiden. Da liegen schwierige Diskussionen vor uns. Zudem hat der öffentliche Auftraggeber offensichtlich den Eindruck, lanänderungen seien mit BIM leichter umzusetzen; das ist ein Fehlschluss. Der Flughafen BER z.?B. wäre angesichts der Flut von Änderungswünschen aus dem politischen Raum mit BIM noch grandioser gescheitert als schon jetzt. Hinzu kommt eine Vielzahl bislang noch ungelöster Probleme beim Urheber-, Vertrags- und Haftungsrecht.

Wird sich BIM auch in Deutschland durchsetzen?
Manche Kollegen schwören schon auf BIM, weil sie in eingespielten Planerteams positive Erfahrungen machen konnten. Öffentliches Vergaberecht setzt dem aber Grenzen; zusammengemischte Planerteams und der Zwang zu produktneutralem Planen und Ausschreiben behindern BIM. Bauteilbibliotheken, die von der Industrie zur Verfügung gestellt werden, müssen erst noch „neutralisiert“ werden. Aber die Digitalisierung lässt sich nicht aufhalten, BIM wird kommen und sich durchsetzen. Das wird aber länger dauern, als die Politik glaubt - auch da sie selbst Teil des Prozesses ist.