Kreislaufwirtschaft Architektur

Energieeffizienz von Gebäuden wird oft nur an ihrem Wärmebedarf gemessen. Für eine energieeffiziente Bauweise spielen aber auch die eingesetzten Bauteile, die Rohstoffe und die zum Bauen verwendete Energie eine wichtige Rolle. Eine in den letzten Jahren neu hinzugekommene Herausforderungen für die Architekten ist es, neben der Energieeffizienz in Planung und Bauausführung auch auf die Materialeffizienz der eingesetzten Konstruktionen und Bauteile zu achten – und zwar unabhängig davon, ob es um Neubau, Sanierung oder Umbau geht.

Bauen ist immer mit der Bereitstellung von Rohstoffen für die Herstellung von Baustoffen und ihrer Weiterverarbeitung zu Bauteilen verbunden. In der Regel werden diese Rohstoffe der Umwelt entnommen, sie werden transportiert, aufbereitet, verarbeitet und schließlich eingebaut. Jeder Arbeitsschritt braucht selbst Energie und es entstehen jeweils Abfälle. Da Bauabfälle den größten Teil des gesamten Abfallaufkommens darstellen, ist die Reduzierung bzw. die Verwertung von Bauabfällen daher ein wichtiges Ziel der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, in der gesamten Verarbeitungskette von der Gewinnung über den Einbau bis zur Entsorgung möglichst wenig Abfall zu erzeugen.

Gebrauchte Baustoffe, die bei Rückbau, Umbau oder Sanierung von Bauwerken anfallen, sind zu wertvoll für die Entsorgung auf einer Deponie. Durch die Wiederaufbereitung von Abbruchmaterialien zu neuen Baustoffen, dem Recycling, können die natürlichen Rohstoffressourcen geschont und somit für die Zukunft länger verfügbar gemacht werden. Auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft ist es ein erster Schritt, die Verwendung rezyklierter Baustoffe zum Baustellenalltag werden zu lassen.

Die Bauweise eines Gebäudes entscheidet schon über die Wiederverwendbarkeit der Baumaterialien. Alles, was später rezykliert werden soll, muss heute schon so geplant und verbaut werden, dass es sich später kostengünstig trennen und verwerten lässt.

Vor allem Recycling kommt, so der aktuelle Stand der Fachdiskussion, das Nutzen und Weiternutzen. Der deutsche Beitrag bei der Architekturbiennale in Venedig 2012 hat diesen Gedanken bereits einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Unter dem Motto „Reuse – Reduce – Recycle“ machte der Kurator Muck Petzet klar, dass die Aufarbeitung und Wiederverwertung, das „Recycle“, erst am Ende der Kette steht. Der Beitrag machte darauf aufmerksam, dass die Architektur selbst zunächst die beste Ressource ist. Gebäude, so seine Forderung, sind zu erhalten und bestmöglich zu pflegen, um das Entstehen von Bauschutt an der Wurzel einzudämmen. Darüber hinaus zielt dieser Ansatz auf den Erhalt der immateriellen Schichten, die Gebäuden oft während ihrer Gebrauchszeit zuwachsen. Diese kulturelle Dimension geht zwar weit über die reine Betrachtung der Stoffströme und der Energiebedarfe hinaus, wird von vielen Menschen, die ihr Herz für alte Gebäude entdecken, aber besonders wert geschätzt. Die Idee des „Reuse – Reduce – Recycle“ propagiert intelligente, minimalinvasive Lösungen. Die Forderung lautet, in gute Planung und Qualität zu investieren, statt in billige, schnell erstellte und schnell wertlose Baumassen.

Recycling

als Endpunkt der Verwertungskette stellt gegenüber der achtlosen Entsorgung zwar einen wirklichen Fortschritt dar, kann jedoch zwei Nachteile haben: Erstens muss oft viel Energie aufgewendet werden, um die Materialien so aufzubereiten, dass man sie erneut verarbeiten kann. Zweitens bleibt die Qualität dabei oft nicht dieselbe. In diesem Fall spricht man von Downcycling, also der Abwärtsverwertung, die den ursprünglichen Baustoff einer weniger wertvollen Nutzung zuführt.

Upcycling

Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein: Ein Produkt aus wiederverwerteten Materialien kann auch einen höheren Wert und bessere Eigenschaften als das Ursprungprodukt erhalten. Diesen Prozess nennt man Upcycling. Nicht immer muss dafür das Ursprungsprodukt aufwendig recycelt werden. Müll lässt sich auch in seinem ursprünglichen Zustand "umfunktionieren". Diese Idee beginnt gerade, sich zu einem Trend zu entwickeln. Zahlreiche junge Produktdesigner haben bereits Upcycling als Geschäftsidee für sich entdeckt. Im Bereich des Bauens hat Upcycling mindestens zurzeit noch den Charakter einer Avantgardebewegung, die besonders in den Niederlanden, aber längst nicht nur dort, viele Anhänger hat.

Cradle-to-Cradle

Die Idee des Upcyclings geht aber noch weiter: Unter dem Stichwort Cradle-to-Cradle sollen in Zukunft Produkte so konzipiert werden, dass von Anfang an feststeht, welchem Zweck sie nach ihrer Verwendung zugeführt werden können. Dieser Ansatz soll Müll komplett vermeiden. Die heute noch in Teilen für das Bauen eher visionäre Idee ist dem unendlichen Kreislaufprinzip der Natur entlehnt.

Langfristiges Ziel des Bauwesens muss es sein, den gesamten Kreislauf von der Produktion der Baustoffe bis zur Entsorgung oder Weiterverwertung des Gebäudes in ein Nachhaltigkeitskonzept einzuordnen, wobei Abfälle sowie eine ineffiziente Nutzung von Energie vermieden werden müssen. Neben dem Fachwissen und der Kreativität der Architektenschaft sind auch die Bauherren gefordert, sich für die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft zu öffnen.