Heizölschäden nach Hochwasser

Feststellen und Handeln

Der Schadstoffexperte Dr. Stefan Tewinkel vom Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer e.V. erklärt in einem neuen Flyer der Architektenkammer Rheinland-Pfalz wie Heizölkontaminationen erkannt und saniert werden können und warum schnelles Handeln erforderlich ist. 

Hochwasserereignisse setzen Schadstoffe frei

Hochwasserereignisse führen zu den gravierendsten Schäden, denenSiedlungsbereiche heutzutage ausgesetzt sind. Mit dem Wasser bringen Erdreich, Schlamm und Schwemmgut Zerstörung und auch Schadstoffbelastungen.

Geruchlich besonders auffällige Stoffe aus der Umgebung, wie etwa Fäkalien aus der Kanalisation und aus Tierhaltungen, können eingespült werden und unter hygienischen Aspekten zu erheblichen Problemen führen. Besonders problematisch sind jedoch Heizölbelastungen.

Problemfall Heizöl

Heizöl ist wie Benzin und viele andere flüssige Kraftstoffe ein auf Erdöl basierendes Gemisch aus verschiedenen Kohlenwasserstoffverbindungen. Stofflich ist es dem Dieselkraftstoff vergleichbar, aus steuerlichen Gründen aber rot eingefärbt.

Den meisten Menschen ist der ausgeprägte Eigengeruch von Heizöl oder Diesel wohlbekannt. Wenige Tropfen auf Haut oder Kleidung lassen sich noch lange wahrnehmen. Heizöl und Diesel sind zudem auch umwelt- und  gesundheitsgefährdende Stoffe. Dementsprechend streng sind die gesetzlichen Bestimmungen beim Umgang.

Bei Überschwemmungen können Tanks durch eindringendes Wasser aufschwimmen, umkippen und auslaufen. Oder in den Tank eindringendes Wasser drückt das leichtere Heizöl heraus. Deshalb müssen Öltanks in Hochwassergebieten besonders gesichert werden. Trotzdem kommt es regelmäßig zu erheblichen Heizölschäden – und das nicht nur bei Gebäuden mit Ölheizung. Da das leichtere Heizöl auf dem Wasser aufschwimmt, kann es mit dem Hochwasser über weite Strecken transportiert werden und die Verschmutzung großräumig verbreiten.

 

Heizölgeruch? Verschmutzung ist wahrscheinlich.

Woran erkennt man eine Heizölproblematik

Das wohl auffälligste Alarmzeichen für eine Heizölproblematik ist der deutliche Eigengeruch. Mit etwas Glück sind nur geringe Mengen die Ursache, dann reichen ein paar Tage Lüften aus. Nicht selten sind aber Anzeichen einer Heizölbelastung auch sichtbar. Spätestens dann ist Lüften keine wirksame Sanierungsmöglichkeit mehr.

Besonders auffällig bei Heizölschäden sind dunklere Bereiche an Putzflächen oder Mauerwerk. Im Gegensatz zu Wasserflecken sind diese Bereiche meist deutlich schärfer abgegrenzt. Wenn das Heizöl mit bituminösen Stoffen wie beispielsweise Sperrschichten aus „Teerpappe“ im Mauerwerk in Berührung kommt, bilden sich zudem dunkle Schlieren an den Oberflächen. Denn im Gegensatz zu Wasser ist Heizöl in der Lage, die schwärzlichen Bitumenanteile aus dem Material herauszulösen.

Viele Häuser besitzen zudem Wärmedämmverbundsysteme, also eine Außendämmung, die oft aus geschäumtem Polystyrol, besser bekannt als „Styropor“, besteht. Auch im Fußbodenaufbau wird Styropor häufig als Dämmschicht unter dem Estrich verbaut. Kommt dieses Material mit Heizöl oder auch nur größeren Mengen an Heizöldämpfen in Berührung, löst es sich auf und hinterlässt größere Hohlräume.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, wenn kein ausgeprägter Diesel- oder Heizölgeruch wahrnehmbar ist, keine Verfärbungen (Wasserflecken natürlich ausgenommen) erkennbar sind und auch verbautes Polystyrol keine strukturellen Beeinträchtigungen aufweist, sind keine Schäden durch Heizöl zu erwarten.

Verdacht auf Heizölschaden? Untersuchung nötig.

Untersuchungen durch einen Sachverständigen

Bei Verdacht auf eine Heizölkontamination, empfiehlt sich ein Sachverständiger. Dieser wird zum einen versuchen, die betroffenen Bereiche bereits vor Ort bestmöglich einzugrenzen, beispielsweise durch Augenschein oder Geruch. Zum
anderen können technische Geräte, wie etwa ein Photoionisationsdetektor („PID“) eingesetzt werden. Mit derartigen technischen „Schnüffelnasen“ können gezielt Spalten oder andere Hohlräume in der Bausubstanz auf „ionisierbare Stoffe“, zu denen auch die Heizölbestandteile gehören, untersucht werden.

Wirklich belastbare Informationen zu Heizölbelastungen setzen aber eine systematische Probennahme und Laboranalyse voraus. Prinzipiell kann damit zwar nahezu jedes Material auf Heizöl untersucht werden, bei organischen (= auf Kohlenstoff basierenden) Materialien, wie etwa Kunststoffen oder bituminösen Materialien, ist die Analyse aber kompliziert und meist nur mit unbelasteten Vergleichsproben möglich.

Die zuverlässigsten Ergebnisse erhält man, wenn nur die mineralische Bausubstanz, also Mauerwerk, Beton und Putzlagen beprobt werden. Diese sollten keine Zuschlagstoffe aus Kunststoff, wie etwa Styroporkügelchen, enthalten. Reines Styropor oder andere Kunststoffe sollten in keinem Fall beprobt werden.

Und wenn Heizöl in der Bausubstanz ist...

Zeigen die Untersuchungen oder auch bereits die offensichtlichen Befunde, dass tatsächlich eine deutliche Belastung mit Heizöl vorliegt, muss man zügig handeln. Die Belastungen zu ignorieren, ist keine Option.

Bei nur geringen und oberflächlichen Belastungen kann es ausreichen, den Wandputz und den Bodenaufbau (Estrich und Dämmung) zu entfernen. Das ist bei ausgeprägten Schlammoder anderen Schmutzeinträgen ohnehin zu empfehlen.
Sobald viele Gebäude betroffen sind, ist ein schnelles Handeln aber oft nicht zu realisieren. Dann kommt es nicht selten zu einer Ausbreitung der Heizölbelastungen im Mauerwerk und den Geschossdecken.

In Wohnbereichen wird im Allgemeinen bei einem Gehalt von mehr als 50 mg Heizöl pro Kilogramm Bausubstanz ein Rückbau der betroffenen Materialien empfohlen. In weniger stark genutzten Bereichen, wie etwa Keller oder Garagen, kann dieser Wert auch etwas höher angesetzt werden. Dieser Rückbau kann den Austausch des Mauerwerks oder auch ganzer Geschossdecken bedeuten. Liegen stark ausgeprägte Belastungen in weiten Teilen des Gebäudes vor, können Abriss und Wiederaufbau des kompletten Gebäudes die einzig wirtschaftliche Lösung sein.

Chemische, biologische oder physikalische Verfahren zur Entfernung des Heizöls aus der Bausubstanz sind nur sehr begrenzt wirksam. Liegen geringfügige erhöhte Belastungen vor, kann dies dennoch versucht werden. Anschließend wird  aber eine Abschottung der Bauteile empfohlen, um ein späteres Ausgasen von Restbelastungen in die Wohnräume zu verhindern. Ob Abschottungen oder Sperrschichten infrage kommen, muss im Einzelfall entschieden werden.

Heizölschaden nachgewiesen? Sanierung nötig.

Egal welches Verfahren oder welche Maßnahmen letztendlich angewandt werden, das Ziel jeder Sanierung muss der einwandfreie hygienische Zustand der Innenräume sein. Der Sanierungserfolg lässt sich hierbei am einfachsten über den  Geruch überprüfen. Wenn die für Heizöl sehr empfindliche Nase bei üblichen Innenraumbedingungen (mind. 20 °C Raumtemperatur) keinen auffälligen Heizölgeruch mehr wahrnimmt, lässt sich im Allgemeinen selbst mit aufwändigen Raumluftuntersuchungen keine Belastung mehr feststellen. Ist der Geruch aber noch deutlich wahrnehmbar, ist die Belastung vermutlich noch immer zu hoch!

Erfolgreiche Sanierung? Mit der Nase prüfen.

Schadstoffgutachten im Flutgebiet

Schadstoffbelastungen insbesondre mit Heizöl oder Fäkalien können ein großes Problem für den Wiederaufbau und die Sanierung betroffener Häuser darstellen. Auch auf die Schadenshöhe und für die Beantragung der Hilfsgelder ist Klarheit über die Frage ob und wie stark Belastungen vorliegen, sehr wichtig. Die folgenden Büros stehen unter anderem für Schadstoffgutachten zur Verfügung. MEHR

Weiterführende Literatur

Tewinkel, Nach dem Hochwasser – Untersuchung von Heizölschäden in der Bausubstanz. In: Der Bausachverständige, 5.2014, S. 24-28

Tewinkel, Das Hochwasser 2013 – Untersuchung und Sanierung von Heizölschäden. In: Schadenprisma 1/2015, S. 20-29

Tewinkel, Feuchtigkeits- und Schimmelschäden, Haufe-Lexware, 1. Aufl. 2016

Tewinkel, Umgang mit Heizölkontamination nach Hochwasser – Alles muss raus? In: db deutsche bauzeitung 6|2019. Internet: https://www.db-bauzeitung.de/bauen-im-bestand/schwachstellenaus-bauschaeden-lernen/heizoelkontamination-nach-hochwasser/

Golz, Naumann, Resch, Tewinkel, Wang, Zeisler, Sanierung von Hochwasserschäden – Ratgeber für die Praxis, Analysieren – Sanieren – Vorbeugen, 1. Auflage 2022

Download des Flyers

Der Flyer befindet sich derzeit im Druck. MEHR

Der Autor

Dipl.-Chem. Dr. Stefan Tewinkel

Institut für Schadenverhütung und
Schadenforschung der 
öffentlichen Versicherer e.V. (IFS)
Preetzer Straße 75
24143 Kiel
E-Mail: tewinkel@ifs-ev.org