15. Mai 2024

Die NEUE EINFACHHEIT in der Architektur

Alexandra Faßbender
Alexandra Faßbender
Foto: Kirsten Bucher, Frankfurt

Was brauchen wir wirklich, um Grundbedürfnisse wie Schutz und Sicherheit beim Bauen zu erzielen? Wieviel ist genug? Was ist der neue Luxus?

Bauen in Förderprogrammen gedacht heißt immer effizienter mit mehr Technik, mehr Materialeinsatz, mehr Konstruktion. Dabei befinden wir uns bereits in einem hohen Standard, den es nun sinnvoll einzusetzen gilt. Politik sollte eher animieren und Anreize schaffen für ein Bauen mit einfachen Mitteln, Materialien und Techniken.

EINFACHer UMDENKEN: Was ist der geringste Einsatz an Material und Technik, den es braucht, um ein Maximum an Raum zu schaffen? „Einfach bauen“ ist nicht zu verwechseln mit Reduktion zur Nüchternheit und Bauen von Räumen, die unsere Stimuli nicht mehr erreichen. Frugales Bauen, Denken in Komfortstufen, Wartungskonzepte für wiederverwendete Baustoffe sind neue Formen zur Umsetzung. Einfachheit ist keinesfalls ein Qualitätsmangel. Reduzieren von Volumen und Ressourcen heißt nicht Räume kleiner formen. Gebäude konzeptionell betrachten und flexibel denken, adaptierbar und mit offenem Ende: Häuser teilen, Räume abgeben, tägliche Nutzflächen abgrenzen. Das Nutzerverhalten ist als Stellschraube dabei nicht zu unterschätzen: Das Leben in hochgedämmten Gebäuden verleitet dazu, mit höheren Temperaturen zu wohnen. Bescheidener denken und leben. Was ist der neue Luxus?

EINFACHer UMNUTZEN: Ziel der Zukunft ist es, den Gebäudebestand nutzbar zu machen, Leerstände mit teils üppigen Grundrissen wieder mit Leben zu füllen. Uns erwartet neben aussterbenden Ortskernen eine Gebäudeflut von Elternhäusern der Generation X. Gebäude, die großzügig gebaut wurden, mit einfachem aber ausreichendem Standard. Materialien, die noch immer funktionieren. Wie gehen wir mit diesen Gebäuden in Zukunft um? Ein Erwerb mit anschließender energetischer und technischer Aufrüstung nach gefordertem und gefördertem Standard macht Gebäude dieser Zeit unrentabel. Ist es das, was wir wollen? Weitere Leerstände zulassen, weil ein Neubau wirtschaftlicher bleibt? Hier sind politische und gesellschaftliche Neuausrichtungen notwendig.

Einfach bauen sollte zum Standard werden.

EINFACHer UMSETZEN: Neben Konstruktions- und Prozessopimierung, Vereinfachung von Verfahren, Denken in Schichten und lösbaren Konstruktionen, sowie Design for Disassembly gilt es auch, Technik anders zu denken: weg vom „Worst Case“. Low Tech heißt nicht No Tech, sondern sinnvoller Einsatz angepasst an die Nutzung. Um Haustechnik reduzieren zu können, muss man diese gut verstehen. Ein interdisziplinäres Miteinander und neue Leistungsbilder bestimmen zukünftige Planungspozesse: Hintere Leistungsphasen werden bereits im frühen Entwurfsstadium nach vorne genommen. Kommunikation und Diskussion sind dabei zu honorieren.

EINFACH JETZT BAUEN heißt ins Doing kommen. Nur dann erreichen wir unsere Ziele, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, Bestand zu beleben, Denkmalgebäude zu erhalten. Wir sollten so bauen dürfen, wie es die Situation erlaubt. Hoch diskutierte Fördermaßnahmen verfälschen das Bild für ein Tun, das wirklich notwendig ist. Einfach bauen sollte zum Standard werden dürfen.