Im Anschluss hieß es Ausschwärmen zum Rundgang im Dorf und Erkunden der Burg. Das Standesamt im Kellergewölbe, der Burgfried und die Gastronomie waren geöffnet und alle nutzten die Gelegenheit, die Facetten des Ortes 1:1 kennenzulernen.
Pünktlich startete die Gesprächsrunde um 18 Uhr. Auf dem Podium Nathalie Franzen, Regionalberaterin im Dorf, Architekt Rainer Hub, verantwortlich beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ und mit der „wild card“ dabei, Josef Mathis aus Zwischenwasser im Voralberg, 2016 vom Verein LandLuft als Baukulturgemeinde ausgezeichnet.
Dorfplanerin Franzen berichtete von ihrer Arbeit, die sie in die Schwerpunktgemeinde Reipoltskirchen führte. In Partizipationsprozessen wurde innerhalb eines Jahres herausgearbeitet, was im Dorf fehle, wo die Stärken und wo die Schwächen liegen. Besonders die Jugend habe sich aktiv beteiligt und sich für einen Generationenplatz und Jugendtreff eingesetzt.
Im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ gehe es bei der Beurteilung um solche Prozesse, um soziale Einrichtungen mit bürgerschaftlichem Engagement, erläuterte Rainer Hub. Die regionale Baukultur sei neben der Infrastruktur, wie dem Vorhandensein von Gewerbe, ein Aspekt unter vielen.
Ganz anders ist das im Voralberg. Josef Mathis ließ den Berufsstand neidisch werden bei seinen Erzählungen über seine Baukulturgemeinde. „Hier entscheidet der Bürgermeister, was gebaut wird“, so Mathis, „und weil er nicht viel von Architektur versteht, lässt er sich von einem Gestaltungsbeirat beraten“. „Das Bestehende ehren, Neues zulassen, der Heimat und sich selbst treu bleiben“ ist Mathis Mantra. Dabei sei der Prozess, wie gutes Bauen entsteht, ein Teil von Baukultur. Bürgerbeteiligung sei dabei das A und O. Die Menschen müssten für die Projekte gewonnen und in Wettbewerbsprozesse einbezogen werden. Nur so könnten die Dörfer ihre Identität stärken und sich für die Zukunft rüsten. Gutes privates Bauen werde in Zwischenwasser gelobt und öffentlich ausgezeichnet. „Junge Frauen verlassen zuerst das Dorf“, gab Mathis zu bedenken. Eine ausgeprägte Willkommenskultur und eine gute Infrastruktur sollen die jungen Menschen nach der Ausbildungsphase zurückholen.
Wie ist es um all diese Faktoren in Reipoltkirchen bestellt? Die regionalen Experten kamen nun zu Wort: Verbandsbürgermeister Andreas Müller zeigte sich zufrieden. Die wichtigen Einnahmen aus der Gewerbesteuer seien um das 15-fache gestiegen, 100 Arbeitsplätze in Voll- und Teilzeit seien vor Ort und mit dem Chatbot „Waldi“ soll die digitale Kommunikation, besonders im Hinblick auf den Tourismus, gestärkt werden. Zufriedenheit auch im Bereich Bildung. Mit 20 Schulen im Landkreis Kusel sei man gut aufgestellt, so Schulleiterin Birgit Gehm-Schmitt aus Wolfstein. Das Landesmotto „kurze Beine, kurze Wege“ werde hier umgesetzt. Die Schülerzahlen seien stabil, das Ganztagsangebot bedarfsdeckend. Hier auf dem Land gebe es „keine Probleme, sondern Herausforderungen“ lernten die Zuhörer von Michael Bohrmann, Chief Human Resource Officer bei Karl Otto Braun GMBH & Co. KG, Weltmarktführer im Bereich medizinische Spezialtextilien, mit 800 Mitarbeitern am Firmensitz im zwölf Kilometer entfernten Wolfstein. Er räumte ein, dass es besonderer Anstrengungen bedürfe, junge Menschen für Wolfstein zu begeistern. Auch wenn einige aus Kaiserslautern und Mainz pendelten, so sei das Wohnen in der Region aufgrund der Kosten, der Infrastruktur und der Naturlandschaft dagegen sehr attraktiv für junge Familien.
Aber wie ist es eigentlich um die Baukultur in der Region bestellt? Landrat Otto Rubly bedauerte, dass trotz engagierter Dorferneuerung, nachhaltige und umfassende „Masterpläne“ nicht möglich seien. Die schlechte finanzielle Ausstattung der Gemeinden bedinge, dass man selbst bei EU-Förderprogrammen, die Eigenanteile nicht finanzieren könne. So handele es sich in der Dorferneuerung oft um notfallmäßige Einzelmaßnahmen.
„Gutes Bauen muss nicht teuer sein“ gibt Mathis zu bedenken. Der Gestaltungsbeirat koste die Gemeinde Zwischenwasser zwischen 12.000 und 15.000 Euro im Jahr. Selbst kleine Maßnahmen, zum Beispiel im öffentlichen Raum, die auch mit Bürgerbeteiligung umgesetzt werden könnten, bewirkten viel.
Nils Ballhausen, Architekturjournalist und selbst ein „Kind vom Land“, moderierte achtsam und souverän das Podium und bezog die Experten im Besucherkreis ausgewogen ein.
Viel Lob erhielt das Team um Spitzley mit Kirsten Ferry-Gehm, Simone Zeeck und Paul Mocanu für das vielschichtige und kurzweilige Veranstaltungskonzept. Im Herbst 2019 werden „Local Heroes“ im Landkreis Kaiserslautern eine Bühne haben.
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