26. September 2024

Denkmalschutz trifft auf Energieeffizienz

Diskussionsrunde sitzend auf dem Podium
Hambacher Architekturgespräche 2024 "Mit Energie!"
Foto: Kai Mehn

Die Hambacher Architekturgespräche am 11. September widmeten sich nachhaltigen Energiekonzepten im Denkmalschutz

Klimaschutz und Denkmalschutz, ein Widerspruch? Keineswegs, wie die diesjährigen Hambacher Architekturgespräche, eine gemeinsame Veranstaltung von Architektenkammer und Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, am 11. September zeigten. Sie rückten nachhaltige Energiekonzepte im Denkmalschutz in den Fokus.

„Klimaschutz und Denkmalschutz sind besondere Herausforderungen, denen wir uns derzeit stellen müssen“, begrüßte Moderatorin  arie-Christine Werner (SWR) die rund 200 Gäste im Hambacher Schloss sowie zahlreiche weitere Teilnehmende an den Bildschirmen zu Hause. Dass sich Klimaschutz und Denkmalschutz nicht zwangsläufig ausschließen, zeigten am Abend Beispiele aus Rheinland-Pfalz und Thüringen.

Zunächst aber kamen die Initiatoren des Gesprächsabends zu Wort: Vizepräsidentin Edda Kurz betonte, die beiden Schutzziele „Klimaschutz und Denkmalschutz“ dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Beide seien miteinander vereinbar. Es gelte, individuelle Lösungen zu finden! Auch wenn dringender Handlungsbedarf bestehe, müssten diese mit Bedacht gewählt werden. Ihr Appell: Über die Hausfassade und damit den Tellerrand hinaus blicken! Bei Photovoltaikanlagen seien Lösungen auch im Quartier oder auf einer freien Fläche denkbar.

Dem schloss sich Landeskonservator Dr.-Ing. Markus Fritz-von Preuschen, Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, an und betonte, dass Standartlösungen beim Denkmal in der Regel nicht funktionierten. Besondere Chancen biete Photovoltaik, die auch auf schwer einsehbaren oder nicht prominentem Dachflächen wie zum Beispiel auf Nebengebäuden angebracht werden könne. In Rheinland-Pfalz werde seit 2023 im Regelfall eine Genehmigung für das Anbringen einer Photovoltaikanlage an oder auf einem Kulturdenkmal erteilt, nur in Ausnahmefällen nicht, etwa bei erheblichen Beeinträchtigungen von Erscheinungsbild oder Substanz des Denkmals. Dennoch dürfe sich die Debatte, wie man Denkmalschutz und Klimaschutz zusammendenken kann, nicht allein auf Photovoltaik beschränken. Man müsse technologieoffener herangehen, zumal es viele Möglichkeiten gebe, regenerative Energien wie Erd-, Nah- oder Fernwäme im Denkmal zu nutzen.

Auch Landrat Hans-Ulrich Ihlenfeld sprach sich für individuelle Lösungskonzepte aus. Bei der Sanierung des Hambacher Schlosses von 2005 bis 2018 kam eine Wärmedämmung nicht infrage. Stattdessen setzte man auf ein neues Lichtkonzept mit LEDs für die Fassadenbeleuchtung – mit Erfolg. Ein Großteil der Kosten konnten so abgepuffert werden. Als Beispiele aus der Region für das Anbringen von Photovoltaikanlagen an sensiblen Orten nannte der Landrat die Salinen in Bad Dürkheim und die evangelische Kirche in Umstein. Sein Fazit: Klimaschutz muss sein; wir dürften nicht zu kleinlich sein! Eine Photovoltaikanlage zerstöre nicht die historische Bausubstanz. Vielmehr gelte es, historische Gebäude zu erhalten und mit moderner Technik auszustatten.

Von der Vergangenheit lernen

Denkmalgeschützte Gebäude können einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das ist nur ein Ergebnis der vom Bundesumweltamt 2024 in Auftrag gegebenen Kurzstudie „Klimaschutz bei denkmalgeschützten Gebäuden“, deren Handlungsansätze Prof. Dr.-Ing. Natalie Eßig von der Hochschule München vorstellte. Nachhaltiges Bauen sei keineswegs teurer, wie eine Lebenszykluskostenbetrachtung zeige, so die Architektin. Die anfänglichen (Mehr)Kosten armortisierten sich schnell. Eßig forderte zu einem (Um)denken und (Um)handeln auf. Denn ein Drittel der Denkmale sei gefährdet oder dringend sanierungsbedürftig. Dass diese Gebäude erhalten bleiben, sei auch im Interesse des Klimaschutzes. So könnten zusätzliche Baustoffe und die damit verbundene graue Energie für Neubauten vermieden werden. Ihre Devise: Von der Vergangenheit lernen! Neben dem Einsatz regionaler Materialien und der Wiederverwendung von Gebäude(teilen) müsse man sich auch auf traditionelle Bauweisen rückbesinnen und das eigene Nutzerverhalten hinterfragen. Müssen im Winter wirklich alle Räume beheizt werden? Eigentümerinnen und Eigentümer müssten für die Thematik sensibilisiert und entsprechend beraten werden, auch hinsichtlich Fördermöglichkeiten. Zudem bedürfe es einer verbesserten Genehmigungspraxis, Leitfäden sowie Gestaltungssatzungen.

Sanierung Hof Wendenius in Hainau

Architekt Marc Flick aus Wiesbaden stellte die mit BDA Architekturpreis 2021 prämierte Sanierung des „Hof Wendenius“ vor. Der über 200 Jahre alte, denkmalgeschützte Dreiseithof im rheinland-pfälzischen Hainau wurde für Wohnen und private Veranstaltungen umgebaut. Dazu wurden die Fassaden vollständig vom alten Putz befreit und anschließend mit einer historischen Natursteinschlämme in hellem Weiß-Grau überzogen. Das alte Fachwerk wurde aufwändig aufgearbeitet; zahlreiche Holzbalken ausgetauscht. Die Fließen an der Gaderobe stammen aus einem Abbruchhaus. Eingangstüren und Fenster wurden erhalten und verstärkt. Die ursprünglich sehr kleinen Grundrisse wichen einem großer Raum. Eine statische Herausforderung, denn die Bodenplatte musste nachträglich ergänzt werden, so Flick.

60NEU | 40ALT Schottenhöfe in Erfurt

Beim Energiekonzept für das Quartier der „Schottenhöfe Erfurt“ mit 54 Wohneinheiten ist Architekt Matthias Schmidt, Osterwold Schmidt Architekten (Weimar), über (Grundstücks)Grenzen gegangen. Das vielfach ausgezeichnete Projekt ergänzt das Quartier aus dem 18. und 19. Jahrhundert und entwickelt es u zeitgemäß weiter. Statt nur Baulücken zu schließen, wurden neuen Stadtbausteine entwickelt,die konsequent zwischen Alt und Neu vermitteln. Dabei sorgt das Motiv der Zwerchhäuser für Unikate mit hoher Wiedererkennung. Eine Standardlösung war hier nicht gefragt, so der Architekt, vielmehr ein zusammenhängendes, individuelles Konzept, das auf Fernwärme und energetische Ertüchtigung setzt: maximal verträgliche Optimierung im denkmalgerecht sanierten Altbau kombiniert
mit einer „Übererfüllung“ der geforderten Standards im Neubau. Die Tücke stecke im Detail, konstatierte Schmidt.

Nachhaltiger Denkmalschutz

In der abschließenden Gesprächsrunde wurde noch einmal deutlich: Es gibt zentrale Stellschrauben für einen CO2-neutralen Denkmalschutz wie den Einsatz nachhaltiger, regionaler Baustoffe und den Erhalt und die Weiterverwendung möglichst vieler Bauteile. Die Experten riefen zu mehr Mut und Risikobereitschaft auf. Dabei sahen sie insbesondere auch die Gesetzgebung in der Pflicht. Haftungsfragen etwa bei der Wiederverwendung von Bauteilen seien längst nicht abschließend geklärt. „Als Architekten stehen wir immer mit einem Fuß im Gefängnis“, so Eßig. Ihr Appell: Nicht alles in eine DINnorm reinpressen und Prozesse vereinfachen! Verschiedene Denkmalschutzbehörden entschieden teils sehr unterschiedlich, hier sei mehr Transparenz gewünscht. Schmidt, der sich für einfaches Bauen stark machte, riet Behörden frühzeitig einzubinden. Es brauche mehr innovative Konzepte, die den Einsatz regenerativer Energien wie Photovoltaikanlagen mitdenken. Einig war man sich auch, dass die Komplexität der Planungs- und Bauaufgaben weiter zunehmen werde und Bauen im Bestand zurecht an Bedeutung gewinne. Schließlich entfallen knapp 60 Prozent des gesamten Abfalls in Deutschland auf die Baubranche. Bausubstanz zu erhalten ist also eine zentrale Klimaschutzmaßnahme! Die Gespräche haben gezeigt, dass es noch viel Potential gibt, wie Denkmalschutz und Energieeffizienz besser miteinander verzahnt werden können. Die präsentierten Beispiele demonstrierten eindrucksvoll, wie denkmalgeschützte Bauten oder ganze Quartiere Teil der Lösung beim Klimaschutz werden können. Der Abend klang mit guten Architekturgesprächen bei Pfälzer Wein aus.