Wenn Sie dieses Heft in den Händen halten, dann ist die Wahl zur X. Vertreterversammlung der Architektenkammer Rheinland-Pfalz bereits in vollem Gange. Erstmals war eine Online-Wahl möglich, die vom 22. bis zum 28. Oktober stattgefunden hat. Allen denjenigen, die nach wie vor per Brief wählen, werden in diesen Tagen die Stimmzettel zugesendet, bis zum 16. November, 15 Uhr wird die Wahl abgeschlossen sein.
Der traditionelle Rückblick, in dem die Themen der zu Ende gehenden Wahlperiode zusammenfassend dargestellt sind, wurde bereits im Septemberheft abgedruckt. An dieser Stelle möchte ich den Bogen vom Rückblick zum Ausblick schlagen. Welche Themen aus dem wirklich breiten Spektrum werden für uns Mitglieder der Architektenkammer in der nächsten Wahlperiode weiter wichtig sein, welche sind erledigt oder können in den Hintergrund treten? Sicherlich ist es richtig, die Liste zu evaluieren, Prioritäten zu setzen, und damit eine Agenda aufzustellen. Allerdings haben die letzten anderthalb Jahre für mich gezeigt, wie wichtig es ist, trotz aller Arbeitspläne, Themenspeicher und To-dos schnell, flexibel und spontan zu reagieren, denn die Aufgaben und Fragestellungen für unseren Berufsstand brachen unerwartet, dringlich und extrem herein.
Zunächst war es die Pandemie, die weitreichende Fragen und Zukunftsaufgaben für uns Planer mit sich brachte, ganz jenseits von dem unmittelbaren Handlungsbedarf der Digitalisierung, technischer Lüftungskonzepte oder Ergonomie von Heimarbeitsplätzen. Die tatsächlichen und die gefühlten Erleichterungen, die wir alle mit dem Wachsen der Impfzahlen empfinden, sollten nicht dazu führen, dass wir die Themen zur Stadtentwicklung, wie ich sie vor ungefähr einem Jahr an dieser Stelle benannt habe, wieder aus den Augen verlieren und uns im Status quo einrichten. Unter dem Schlagwort der Post-Corona-Stadt fördert das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik Pilotprojekte, die angesichts der Covid-19-Pandemie innovative und beispielgebende Lösungen für krisenfeste Stadt- und Quartiersstrukturen erproben sollen. Und auch auf der Ebene der Gebäude werden neue konzeptionelle Ansätze für das Miteinander ebenso gebraucht wie weiterführende Antworten auf die Flächenverschiebung zwischen klassischen Büro- und Wohngebäuden.
Fast gleichzeitig brachte die Flutkatastrophe im Ahrtal ein Szenario mit sich, das vorher in diesem Ausmaß kaum vorstellbar war. Auch hier zeigt sich, dass die bestehenden Instrumente des Hochwasserschutzes, aber auch die Renaturierungsmaßnahmen allein nicht ausreichen, um ein zukunftsfähiges Flächenmanagement abzubilden. Der Begriff des klimaangepassten Bauens hat eine Dimension angenommen, die weit über die Energieeinsparung im Gebäudemaßstab hinausgeht, auf die das Thema häufig verkürzt wird. Ebenso wie bei den Fragen des hochwasserangepassten Bauens kann die Antwort hier nicht mehr die gleiche sein wie noch vor 20 Jahren. Auch hier muss es sowohl auf Objektebene wie auch raumplanerisch neue, tragfähige Ideen und Konzepte geben. Die Forderung steht im Raum, das Ahrtal beim Wiederaufbau zu einer Modellregion zu entwickeln, die exemplarisch sein kann für eine neue Herangehensweise an eine aktuell sich verändernde Umwelt.
Diese Aufgaben stehen an, denn jede neue Situation verlangt eine neue Architektur und erst im Unerwarteten liegt die Chance, zu neuen Ideen und Lösungen zu gelangen.
Diese konzeptionellen Überlegungen dürfen dabei nicht vergessen lassen, dass gerade in Krisensituationen die ersten Schritte zählen, um den Weg in die Zukunft zu ebnen.
Ich möchte an dieser Stelle allen Kolleginnen und Kollegen danken, die unmittelbar und spontan ihre Hilfsbereitschaft und Mitarbeit erklärt haben, um den Menschen deren Zuhause zerstört wurde, Perspektive zu geben.