Man kann sich das Zitat sparen; jeder kennt Helmut Kohl’s legendär vorgetragenen Beurteilungsmaßstab für das Entscheidende an der Qualität politischen Handelns.
Bei allem Respekt ist es jedoch nicht so, dass der Zweck alle Mittel heiligt; politisches Handeln bedarf Überwachungsmechanismen, und so haben die Väter des Grundgesetzes und der Landesverfassungen z.B. die Kontrolle wirtschaftlichen und sparsamen Umgangs mit Steuermitteln den Rechnungshöfen als unabhängigen Organen im Staatsgebilde übertragen. Das ist gut so, denn durch deren Arbeit offenbarte sich schon so manche politische Fehlleistung.
Schön ist das für die Verantwortlichen nicht, nachträglich „zerpflückt“ zu werden; und so hat man in Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr Hessen und dem Bund folgend den Präsidenten des Rechnungshofes zum „Beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“ bestellt. Damit sollen politisch verantwortlich Handelnde besondere Kompetenz nutzen und sich im Zusammenhang mit großen Projekten und Ausgaben im Hinblick auf deren Wirtschaftlichkeit beraten lassen können. Das klingt einleuchtend, aber wo Licht ist, gibt’s auch Schatten.
Fragen tun sich auf; zum Beispiel an der Nahtstelle zur kommunalen Selbstverwaltung, denn Beratung soll den gewählten Vertretern des Volkes helfen, nicht deren Verantwortung ersetzen, deren Arbeit behindern, oder Entscheidungen bestimmen. Schon vor der Neuregelung gab es Fälle, in denen die „Fürsorge“ des Rechnungshofes in laufender Projektabwicklung eben nicht förderlich oder kostensenkend, sondern zeitraubend und kostenerhöhend war.
Fragen tun sich auf im Zusammenhang mit anerkannten und in ministeriellen Rundbriefen geregelten Verfahren, z.B. „baufachlichen Prüfungen“, die bislang von erfahrenen angestellten und beamteten Architektinnen und Architekten in den Struktur- und Genehmigungsdirektionen verantwortungsvoll durchgeführt wurden und werden. Welche Auswirkungen auf deren Arbeit hat eine daneben gestellte „Supervisionsinstanz“ und warum entstehen jetzt Kosten für zwei Prüfbehörden statt für eine?
Fragen tun sich auf zu Abwägungsprozessen, die Bürger von der öffentlichen Hand erwarten dürfen. Wer legt fest, welche Bedeutung Baukultur, Nachhaltigkeit, Gestaltqualität, städtebauliche Entwicklungspotentiale, gesellschaftliche Aspekte und Weiteres neben der Kostenbetrachtung haben?
Fragen tun sich auf im Zusammenhang mit Prüfungskriterien? Warum werden vom Rechnungshof in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts festgelegte Planungsrichtwerte blindlings benutzt, obwohl sie vor dem Hintergrund bautechnischer Weiterentwicklungen und energiepolitischer Zielsetzungen völlig überholt sind und eine zielorientierte Anpassung zwingend nötig wäre?
Fragen tun sich auf im Spannungsfeld zwischen billig und wirtschaftlich. Unbestritten lassen sich Bau- und Technikkosten am besten durch das Raumprogramm beeinflussen, und nach Hochrechnungen mittels mehr oder weniger geeigneter Richtwerte kann der Rechnungshof dann über erzielte Einsparungen berichten.
Aber zu den Projektkosten gehören noch fünf weitere Kostengruppen z.B. Grundstücks-, Erschließungs-, Einrichtungs- und Planungskosten, die sich nicht zwingend, teilweise gar nicht verändern, wenn man das Raumprogramm reduziert.
In eine Gesamtbetrachtung müssten korrekterweise auch konjunkturell bedingte Kostensteigerungen einfließen, die während Monate und Jahre andauernder Prüfungen auflaufen. Es darf bezweifelt werden, dass alle vom Rechnungshof in seinen Jahresberichten präsentierten, am „grünen Tisch“ ermittelten Einsparungserfolge unter Berücksichtigung dieser Begleitfaktoren tatsächlich belastbar sind. Wirtschaftlichkeit ist nämlich keine Unveränderliche Größe, sondern eine Relation zwischen einem wie auch immer gearteten Nutzen und den dafür eingesetzten Mitteln.
Wenn der Rechnungshof für seine Veröffentlichungen von Bauprojekten nur erzielte Einsparungen für den Bürger herauspickt, nicht aber offenbart, welche Auswirkungen seine Arbeit z.B. auf Rentabilität, Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Gestaltung, usw. hat, mangelt es an notwendiger Transparenz in Berichten, die doch als seriöse Diskussionsgrundlage dienen sollen.
Mit der Novelle des Rechnungshofgesetzes wurde eine Beratungsleistung ermöglicht, die es anzubieten und anzunehmen gilt; dabei muss ein ergebnisoffener Austausch möglich sein und geübt werden. Solange politisch Verantwortliche und Verwaltungen dem Rechnungshof aus Angst vor dessen Berichterstattung mehr als gebührenden Respekt zollen, und ihr verantwortliches Urteil seinem möglichen Votum unterordnen, muss man so entstandene Arbeitsergebnisse und Beschlüsse noch sehr in Frage stellen im Sinne von … Kohl’s Fazit.
Vizepräsident Ernst Eichler, Alzey
Archivbeitrag vom 19. Juni 2015