Was in Europa den langen und beschwerlichen Weg in Verordnungswerke gefunden hat, wird so schnell nicht wieder in Frage gestellt oder gar rückgängig gemacht; irrsinnig zu glauben, die heutige Architektenschaft würde noch ein sie förderndes Vergabewesen erleben. Das darf uns aber nicht davon abhalten, immer und immer wieder auf Missstände aufmerksam zu machen, die einen ganzen Berufsstand in den Abgrund treiben. Denn unter dem Mantel eines für alle offenen Binnenmarktes und Transparenz in Vergabeverfahren verbirgt sich letztlich nichts als zunehmende Marktkonzentration zugunsten weniger Büros, deren Referenzportfolio stetig wächst. Für die große Zahl derer, die über Jahrzehnte mit kleinen und mittleren Büros die regionalen Wirtschaftsstandorte stärkten, werden die Maschen immer enger. Angesichts dezidierter Forderungen von Referenzen, die oft nur wenige Jahre zurück reichen dürfen, unterliegt deren Erfahrungsschatz einem relativ kurzen Verfallsdatum.
Besserung ist nicht in Sicht; Regeln, die bislang nur für größere Vorhaben galten, werfen schon ihre bedrohlichen Schatten in Richtung Unterschwellenprojekte. So sehr wir auch für möglichst niedrige Hürden zum Eintritt in Verfahren werben, niemandem sind Hunderte von Bewerbern zuzumuten. Das ganze System ist grundfalsch! Muss ein Lappe in Palermo eine KiTa bauen, muss ein Ire einem Griechen in seinem Heimatdorf Konkurrenz machen? Einzig richtig wären Bieterkreise mit Zentrum im Lieferort, deren Zirkelschlag grenzüberschreitend mit der Projektgröße wächst. Zusammenwachsen würde Europa dort, wo es getrennt ist - an den Grenzen. Politik hat nicht undurchdringliche Maschen zu knüpfen, sondern aus einer Vielzahl von Büros, die ihre Leistung wirtschaftlich vor Ort anbieten ... einen europäischen Teppich.
Vizepräsident Ernst Wolfgang Eichler, Alzey
Archivbeitrag vom 17. September 2010