Bei meinem letzten Sonntagsspaziergang, bei herrlichem Sonnenschein und dem leider bereits vertrauten Versuch, anderen Menschen aus dem Weg zu gehen, entdeckte ich einen an die Hafenmauer gesprühten Text: "Lass mal über Utopien nachdenken, anstatt den Alltag einfach wieder anzufangen."
In den letzten beiden Monaten hat sich buchstäblich die ganze Welt verändert, das kann am Planen und Bauen nicht vorbeigehen. Entschleunigung ist in aller Munde, ein richtiger Ansatz also auch für uns?
Die Pandemie bedingten Hilfen reißen Haushaltslöcher. Kommunen, Land und Bund werden ihre finanziellen Mittel in den nächsten Jahren noch sparsamer ausgeben müssen. Gerade bei Kommunen kommt es wohl besonders hart. Da wird es dann weniger ums Wünschen gehen - falls es das jemals gegeben hat - sondern ums wirklich Notwendige. Die lange Bank droht. Der Boom der vergangenen Jahre - ohnehin mehr von gewerblichen Bauherren und privaten Investoren angetrieben - flacht ab. Zeit zum Nachdenken, auch über Nachhaltigkeit.
Interessantes geschieht gerade in Los Angeles. Dort streitet man im Windschatten der Covid-19 Pandemie über einen 650 Millionen Dollar teuren Neubau für das Kunstmuseum LACMA. Ein "(...) Protest, wie man ihn in dieser Form noch nicht erlebt hat. Der Vorwurf: Das LACMA zerstöre in einer Zeit, in der immer deutlicher wird, wie umweltschädlich Abriss und Neubau sind, sinnlos vier bestehende Gebäude", schreibt die FAZ am 9. Mai.
Doch man streitet nicht über die Notwendigkeit eines besseren Museums und auch nicht darüber, dass das Geld kostet. Es geht um das Wie. In einer privaten Initiative wurde ein Wettbewerb mit dem Ziel ausgelobt, statt Abriss und Neubau eine Lösung für den Bestand zu finden. Das alles sollte mehr Platz bieten, ein anderes Museumskonzept ermöglichen, kostengünstiger sein und eben den Bestand nutzen. Die Neubauplanung war ohne Wettbewerb vergeben worden. Weltweit renommierte Architekten auf beiden Seiten. Was tatsächlich gebaut wird: Noch offen. Die FAZ urteilt, die Wettbewerbsentwürfe "würden deutlich weniger kosten und der auch ökologisch immer fragwürdigen Unsitte, alle fünfzig Jahre gigantische Gebäudekomplexe wegzuknacken (...) ein Ende machen."
Und wir? Zeigt diese Diskussion, was uns die baukulturelle Diskussion 2021 erwarten lässt? Oder zumindest, worüber wir diskutieren sollten, wenn es darum geht, mit knappen Kassen ein Konjunkturprogramm aufzulegen, das intelligenter ist, als die von der Autoindustrie geforderten Abwrackprämien? Wie schön, dass gerade ein Architektenwettbewerb gezeigt hat, wie gut das gehen kann.
Doch die Architektenschaft ist das eine. Vor allem aber sind die Bauherren gefordert, Mut zu zeigen. Den Mut, aus der Logik von "Wenn wir schon investieren, dann..." auszubrechen. Den Mut, nicht vorschnell vor den Unwägbarkeiten von Bestandssanierungen zu kapitulieren und Mut, die Erbstücke der jüngeren Vergangenheit gegen den Mainstream zu verteidigen. Seien wir pragmatisch, helfen wir mit Visionen.