Prof. Heinrich Lessing, HEINRICH LESSING ARCHITEKTEN, Mainz
Noch kurz bevor der Lockdown alles verändern sollte, habe ich Videokonferenzen kategorisch abgelehnt und nur widerwillig daran teilgenommen. Wenn Mitarbeiter*innen einen Tag im Homeoffice arbeiten wollten, war das natürlich ok. Ich habe darin aber für den gesamten Prozess im Büro keine Perspektive gesehen, und gedacht: Was passiert, wenn das jetzt auf einmal alle machen? Am 16. März 2020 haben wir dann das Büro dicht gemacht, und für uns begann eine neue Arbeitsrealität. Homeoffice. Erstmal so etwas wie ein Notfall, aber relativ bald entstand der Eindruck, dass das Arbeiten unter diesen Bedingungen, im Vergleich zur akustischen Belastung im Büro, mehr Konzentration ermöglicht und die Projekte eher befördert als behindert. Viele Abläufe ließen sich damit sehr gut abbilden. Gleichzeitig bekam das persönliche Gespräch, das gemeinsame Entwickeln eines Gedankens anhand der Skizze, am Modell, im Rahmen der neuen Randbedingungen einen besonderen Wert. Videokonferenzen sind mittlerweile Alltag. Anstrengend, aber durchaus zielführend und eine sehr gute Alternative zum Ressourcenverbrauch, der mit Präsenzterminen verbunden ist, wenn 12 Teilnehmer aus einem Umkreis von 100 km anreisen. Meine Einstellung bezüglich des dezentralisierten Arbeitens hat sich in den letzten Wochen stark verändert. Weil wir mussten, haben wir Erfahrungen machen können, die wir ohne diese äußeren Umstände nicht gemacht hätten. Eine sehr wertvolle Erkenntnis. Deutlich wurde aber auch: Nichts ersetzt das persönliche Gegenüber, den unmittelbaren Dialog oder eine Geste, ein Augenzwinkern, das die Datenübertragungsrate sicher verschluckt hätte…