Zu einem ersten wohnungs- und baupolitischen Austausch in der neuen Wahlperiode des Landtages hatten am 15. Juni die Architektenkammer Rheinland-Pfalz und die Arbeitsgemeinschaft der Wohnungsunternehmen in Rheinland-Pfalz - letztere bündelt die Belange der VdW-Verbände Rheinland Westfalen und südwest in Rheinland-Pfalz - eingeladen.
Gekommen waren Dr. Lea Heidbreder für Bündnis 90/Die Grünen - Frau Heidbreder vertritt die Themen „Bauen und Stadtentwicklung“ -, der FDP-Fraktionsvorsitzende und baupolitische Sprecher Philipp Fernis, Christof Reichert, Sprecher der CDU im „Zukunftsfeld Heimat und Finanzen“ sowie Thomas Wansch, städtebau- und wohnungspolitischer Sprecher der SPD.
Zwei Themenblöcke standen bei dem anderthalbstündigen Austausch im Vordergrund: Die Zielsetzung eines zukunftsfähigen Bauens und Wohnens sowie des Klimaschutzes auf der einen, die Stadt- und Siedlungsentwicklung auf der anderen Seite. Gerold Reker, Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, eröffnete den ersten Themenblock und stellte den drei „Neuen“ in der Runde aus CDU, FDP und Grünen sowie Thomas Wansch, SPD, der bereits seit drei Wahlperioden dabei ist, zunächst die aktuellen Schwerpunkte der Architektenkammer und des Zentrum Baukultur vor. Dabei verwies er auf das Engagement der Kammer in einigen Bündnissen des Landes, so beispielsweise im Klimabündnis und im Bündnis Kreislaufwirtschaft. Der Zielkonflikt bei der Lösung des allenthalben beklagten Mangels an Baustoffen mit entsprechenden Preissprüngen, den zunehmenden Anpassungserfordernissen im Klimaschutz und dem Mangel an bezahlbarem Wohnen wurde eklatant. Doch sah Reker in der angespannten Situation auch einen Innovationstreiber. Neben den Herstellern sind es aus seiner Sicht die planenden Berufe, die das Know-How für zukunftsfähige Entwicklungen und intelligente Lösungen mitbringen.
Dr. Lea Heidbreder aus Landau identifizierte beim Bau einen gewaltigen Hebel, um im Koalitionsvertrag verankerte Ziele zur Energieeinsparung (Netto-Null) und Flächeneffizienz einzuhalten. Bei der Neuversiegelung der Flächen unterschreitet Rheinland-Pfalz derzeit bereits das Bundesziel von 30 ha – x pro Tag. Doch komme es aus ihrer Sicht auch auf Qualität an. Sie zeigte sich in diesem Zusammenhang insbesondere für qualitätssichernde Verfahren, beispielsweise für Konzeptvergaben, offen.
Auch Thomas Wansch, Kreis Kaiserslautern, verwies auf den Koalitionsvertrag, richtete sein Augenmerk aber vor allem auf den Wohnungsbau. Während dieser 2020 gut zugelegt hat, bleiben die Zahlen 2021 bislang hinter diesem Niveau zurück – wohl nicht zuletzt wegen der Baustoffknappheit. Diese wiederum übe neben vielen anderen Faktoren Druck auf die Frage des kostengünstigen Bauens und des bezahlbaren Wohnens aus. Nicht zuletzt hierin sah Wansch eine Herausforderung, der er – die alte Kammerforderung der Bündelung in einem Bauressort ansatzweise aufgreifend – ressortübergreifend begegnen möchte.
Der Pirmasenser Abgeordnete Christof Reichert sah beim Klimaschutz zunächst den Landesbau in der Verantwortung, das Land werde, so seine Kritik, seiner Vorbildfunktion hier noch nicht ausreichend gerecht. Auch im Bereich des Wohnungsbaus stand für ihn ein „noch nicht genug“ im Vordergrund, da auch die relativ hohe Zahl an Fertigstellungen 2020 nicht ausreiche, um die Anzahl der umgekehrt aus der Bindung fallenden Wohnungen auszugleichen. Doch während auch er auf passende Förderprogramme und deren Inanspruchnahme abhob, sah Philipp Fernis aus Bad Kreuznach das Instrument der Förderung eher skeptisch, da es Preisvorteile ländlicher Räume verwässere. Zudem warnte er mit Blick auf die Hochzeit des geförderten Wohnungsbaus Anfang der 1990er Jahre und den darauffolgenden Rückgang vor dem Bedarf jeweils nachlaufender Zyklen von hohen oder reduzierten Förderanreizen.
Seitens der Wohnungswirtschaft sprachen sich Verbandsdirektor Dr. Axel Tausendpfund, VdW südwest, und sein Kollege Alexander Rychter, VdW Rheinland Westfalen, gemeinsam mit dem Sprecher der Arbeitsgemeinschaft rheinland-pfälzischer Wohnungsunternehmen, Thomas Will, für einen Abgleich der Wohnungsbauförderung einerseits und der baurechtlichen Klimaschutzvorschriften andererseits aus. Immer höhere Belastungen für den Wohnungsbau belasten aus ihrer Sicht unweigerlich die Rentabilität der Objekte und damit die Mieterinnen und Mieter. Gerade bei Entwicklungen im Bestand, bei Sanierungen, Aufstockungen und Innenentwicklungen seien Berechnungen Energieeinsparende Maßnahmen und Klimaschutz am besten auf Quartiersebene realisierbar. Die Vertreter der Wohnungswirtschaft forderten technologieoffene Ansätze.
„Reparieren statt Wegwerfen“ – diese Maxime wollte Stadtplaner Frank Böhme, Vizepräsident der Architektenkammer, auf Quartiere und Innenstädte anwenden. Verstärkt durch die Pandemie sah er es als soziale, ökologische und qualitative Aufgabe der Stadt- und Siedlungsentwicklung, neue Wege für den Bestand, Leerstände und sich wandelnde Nutzungen zu finden. In der Förderung nicht-investiver Maßnahmen sah er einen Schlüssel, dies für Investoren und Planungsbüros leistbar zu gestalten.
Sein Vorstandskollege Uwe Knauth nahm den Ball auf. In seinem Plädoyer erinnerte er an das vergaberechtlich fixierte Prinzip des Leistungswettbewerbs, in dessen Rahmen freiberufliche Leistungen, so auch die für Planungsbüros, zu vergeben sind. Der Wegfall der HOAI-Mindestsätze hat daran nichts geändert, was schon Landkreistag und Architektenkammer in ihrem gemeinsamen Appell zur Anwendung der HOAI-Basissätze explizit festgehalten hatten.