17. April 2023

Vertreterversammlung tagt in Pirmasens

Frühjahrssitzung der Vertreterversammlung
Die Vertreterversammlung fand am 24. März 2023 im großen Kuppelsaal des Forums Alte Post in Pirmasens statt.
Foto: Kristina Schäfer, Mainz

Am 24. März 2023 traf sich die Vertreterversammlung zur Frühjahrssitzung im großen Kuppelsaal des Forums Alte Post in Pirmasens

Markus Zwick, Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens, verglich in seiner Begrüßung die Zukunftsfragen des Parlaments der rheinland-pfälzischen Architektenschaft mit denen seiner Stadt: „Als Architektinnen und Architekten stehen Sie vor zahlreichen Herausforderungen: Transformation, Energiewende, demographischer Wandel, Klimawandel, Nachhaltigkeit. Themen, mit denen auch wir uns in Pirmasens auseinandersetzen müssen.“ Demografische und soziale Fragen halten Pirmasens in Atem, seit ein Großteil der Schuhproduktion Anfang der 1970er Jahre ins Ausland verlegt wurde. Doch inzwischen habe sich die Wirtschaft erholt und Pirmasens sei immer noch Schuhstadt, so Zwick.

 

OB Zwick: Die Baukunst erzählt Geschichten

Mit Blick auf den Veranstaltungsort, das Königlich Bayerische Postamt, genannt Alte Post, zeigte er sich überzeugt: „Die Baukunst erzählt Geschichten.“ Denn gerade die Alte Post spiegele die Zeitläufte einer im 19. Jahrhundert prosperierenden Schuhmetropole, in der bis zu zwei Millionen Schuhpakete pro Jahr zu bewältigen waren. Nach Schließung und baulichem Verfall konnte schließlich eine neue kulturelle Nutzung die baukulturelle Qualität der Alten Post in die Gegenwart retten.

Kammerpräsident Joachim Rind lobte das große kommunale Engagement und zeigte sich überzeugt, dass eine solche Transformation Mut und Entschlossenheit der Stadtspitze erfordere.

Berichte des Vorstandes, der Ausschüsse und der AGs

Im anschließenden Bericht des Vorstandes fasste Präsident Rind die wichtigsten Eckpunkte der Kammerarbeit seit der Herbstvertreterversammlung zusammen, darunter die Gespräche mit der Landes- und Kommunalpolitik. Themen hier waren der Wiederaufbau des Ahrtals sowie Fragen der Nachhaltigkeit und des Bauens im Bestand wie die Vorschläge zur Änderung der Musterbauordnung der Bundesarchitektenkammer. Sie sollen Maßnahmen im Bestand erleichtern. Daneben waren das bezahlbare Wohnen, der neue Gebäudetyp E und das serielle Bauen Gegenstand der politischen Gespräche.

Das Positionspapier „Nachhaltiges Wohnen – Gebäudebestand entwickeln“, das von der rheinland-pfälzischen Wohnungswirtschaft und der Architektenkammer gemeinsam verfasst wurde, richtet, so der Präsident, den Blick auf Instrumente zur CO2-Einsparung, auf Ökobilanzen und Lebenszyklusanalysen, aber auch auf das Thema Quartiersentwicklung. Aspekte für einen guten Schulbau wurden im Rahmen zweier Tagungen des Bildungsministeriums Ende des vergangenen Jahres erarbeitet. Die Ergebnisse sollen in die lang geforderte Neufassung der Schulbaurichtlinie einfließen. Danach sprach Joachim Rind über die Umsetzung des OZG (Onlinezugangsgesetzes) und damit des digitalen Bauantrags und der „Digitalen Bundesauskunftsstelle für Architekten und Ingenieure (di.BAStAI)“. Hier sollen alle Bauvorlageberechtigungen bundesweit in einer einzigen Abfrage überprüfbar sein.

Im Anschluss berichteten Marcus Hille über die Aktivitäten des Ausschusses A2 – Vergabe und Wettbewerb und Sabine Hahn aus dem Ausschuss 4 – Sachverständigenwesen. Auch die Vorsitzenden der Vorstands-AGs Nachhaltigkeit, Berufsbild und Nachwuchs in formierten über ihre Arbeit. Jutta Stammwitz-Becker skizzierte als Leiterin der VV-AG „Suffizienz“ die Informationsreihe der AG im DAB bis zum Jahresende. Aus der VV-AG „Kreislaufwirtschaft“ referierte Klaus-Dieter Aichele. Sie plant eine Befragung der Mitglieder zum bereits geübten und künftigen Einsatz sekundärer Baustoffe und Bauteile. Kerstin Mack fasste die Ergebnisse einer bereits Ende 2022 durchgeführten Umfrage zur Vernetzung zusammen, die überwiegend großes Interesse an einer stärkeren Zusammenarbeit der Fachbereiche ergab. Details der Umfrage werden in einer der nächsten DAB-Ausgaben veröffentlicht. Eva Holdenried berichtete abschließend aus der Arbeitsgruppe „Baukulturvermittlung an Kinder“.

 

Fachregister kommen

Nach den Berichten der Ausschüsse, der Vorstands- und der VV-AGs verabschiedeten die Vertreterinnen und Vertreter einstimmig die Satzung der Architektenkammer Rheinland-Pfalz zur Führung der Fachgebietsregister „Energieeffizienz“, „Fachpreisrichter/Fachpreisrichterin“, „Vergabe- und Wettbewerbsbetreuung“ und „Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination“. Für jedes dieser Fachregister war außerdem ein Fachausschuss zu bilden.

 

Impuls zum Holzbau

Einen Impuls in Sachen nachhaltiges Bauen gab am Nachmittag Viktor Poteschkin, Koordinator des t-Lab für Holzarchitektur und Holzwerkstoffe an der RPTU, der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau, vormals TU Kaiserslautern. Poteschkin stellte gleich drei spannende Holzbauprojekte vor: das Gemeinschaftshaus Flüchtlingsunterkunft Spinelli in Mannheim, den flexiblen Holzhybriden, ein siebenstöckiges Gebäude für Parken, Wohnen und Arbeiten, sowie das Design-Build-Projekt „Werk- und Forschungshalle Diemersteiner Tal“ bei Kaiserslautern. Das Besondere am Gemeinschaftshaus für Flüchtlinge: Studierende der Architektur haben das Gebäude gemeinsam mit den Flüchtlingen in gerade einmal drei Monaten konzipiert und anschließend in Selbstbauweise errichtet. Die Erkenntnis: Das Bauen mit Holz alleine ist noch nicht kreislauffähig. Durch die natürliche Verformung des Baustoffes sind geschraubte Verbindungen schon nach kurzer Zeit nicht mehr lösbar, das Gebäude nicht demontabel. Um auch dieses Problem zu lösen, wandten sich die Forscherinnen und Forscher beim Holzhybriden und
der Forschungshalle dem kreislaufeffektiven Bauen mit vorgefertigten Bauelementen zu. Hier sind nicht nur die Gebäudegrundrisse flexibel, alle Bauteile können zudem wiederverwendet werden. Dazu werden sie mit Konusadaptern, also reversiblen Verbindungen aus Kunstharzpressholz, verschraubt. Joachim Rind bedankte sich für die Denkanstöße und pflichtete Poteschkin bei: „Wir müssen das Bauen endlich wieder einfacher machen!“

Denkmalsanierung Alte Post

Zum Abschluss des Tages stellte Architekt und Vertreter Christoph Arnold, dessen Büro das Postamt der Stadt Pirmasens in den Jahren 2008 bis 2013 sanierte, den Tagungsort im Detail vor. Die Alte Post wurde 1893 im Stil eines italienisch-französischen Neo-Renaissance-Barocks errichtet. Insbesondere die großen Fensterbögen erinnern an einen italienischen Palazzo. Der Mosaikfries entlang der Dachtraufe zeigt Motive der Industrialisierung. Die Mosaiksteinchen lieferte damals Villeroy & Boch. Ein Glücksfall, denn für die Sanierung des stark beschädigten Frieses konnte auf bauzeitliche, -originale Farbmuster beim Traditionsunternehmen zurückgegriffen werden.

Der wirtschaftliche Aufschwung der Schuhindustrie gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte den Bau des Postamtes notwendig gemacht. Aber noch 1945 wurde die Innenstadt von Pirmasens nahezu vollständig zerstört. Auch das alte Postamt war stark beschädigt, erlitt in der Folge weitere Überformungen und wurde 1976 vollständig aufgegeben. Seit 1986 steht die Alte Post unter Denkmalschutz, bis zur endgültigen Rettung als Galerie, Ausstellungs- und Kulturzentrum vergingen aber nochmals gut drei Jahrzehnte. Inzwischen konnten auch andere Zeugnisse der industriellen Blütezeit wiederbelebt werden, beispielsweise das Neuffer am Park oder die ehemalige Schuhfabrik Rheinberger mit dem Dynamicum.