Bauen allein ist nicht genug: Die Referenten gaben vielschichtige Informationen zur Zukunft des Bauens
Dr. Peter Hettenbach vom iib, Institut Innovatives Bauen in Schwetzingen, veranschaulichte, wie man Kohlendioxid sparen, die EnEV 2009 und die Immobilienökonomie erfolgreich kombinieren kann. Eines seiner Glaubensbekenntnisse: Der Baudienstleister muss sich professionalisieren. Bauen allein ist nicht genug. Viele Vorhaben lassen sich ohne Quartiersentwickler, Energiebeobachtung und kenntnisreich geordnete Umzugsdienste nicht mehr umsetzen. Der Architekt ist auch Dienstleister.
Einen für die Kollegenschaft (und andere) bedenkenswerten Vorschlag machte Prof. Dr.-Ing. Annette Rudolph-Cleff von der Technischen Universität Darmstadt mit ihrem Forschungsvorhaben in der Aubuckel-Siedlung Mannheim Feudenheim. Dort wird eine Siedlung der 1960er Jahre in ein energieeffizientes Stadtquartier umgebaut. Auffallend, dass hier ein Projekt „ganzheitlich“ betrachtet wird, in dem Sinne, wie es die Architektenkammer Rheinland-Pfalz immer wieder einfordert. Die Verknüpfung von Abriss und Ersatzneubau, um Erschließungen und barrierefreie Zugänge auch im Altbestand zu ermöglichen, die Ergänzung von energetischen Maßnahmen unter Einbeziehung von Besonnung und Grün-Umraum, die Ausnutzung von Abwärmemengen aus Abwasser und Wärmetauschung. Kein spinnertes Wunschbild, sondern eine wissenschaftlich angelegte Untersuchung. Ein bemerkenswerter Weg von der unreflektierten Verstärkung der Dämmung hin zum kybernetischen Denken. Auf die Ergebnisse kann man gespannt sein.
Dr.-Ing. Bernd Hunger vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) stellte die Preisträger des Deutschen Bauherrenpreises vor, der am 18. Februar 2010 auf der Berliner Baufachmesse bautec verliehen wurde. Die preisgekrönten Neubauten überzeugen, weil sie sich in die bestehende Stadtstruktur einpassen, die Nutzungsmischung im Quartier verbessern und gleichzeitig bestehende Gebäude aufwerten. Klimaschutz und Energieeinsparung spielen bei allen Vorhaben eine wichtige Rolle. Die Vorhaben zeigen, dass dies alles wirtschaftlich machbar ist. Architektur, Kosten und Nutzen stimmen.
Der vom Thema her anfangs vielleicht etwas trocken erscheinende Vortrag des Diplom-Ökonomen Mathias Günther vom Eduard Pestel Institut e.V. Hannover, erwies sich bei Insidern dann doch schnell als Kracher, weil er in klaren Zahlen und Statistiken den zukünftigen Wohnungsbedarf und die Wohnungsnachfrage in Rheinland-Pfalz beleuchtete. Politische Aussagen außen vor lassend, war jedem klar, wie wirtschaftliche und sozialpolitische Implikationen das Arbeitsfeld vieler Architekten bestimmen (ohne dass diese das im Einzelnen wüssten - ahnen kann man vieles). Allein die Vorhersagen über die klassische Wohnungsbedarfsermittlung, den qualitativen Zusatzbedarf und die Aussagen über die längerfristigen Wirkungen niedriger Wohnungsbautätigkeit waren hörenswert. Mancher - den Einbruch des Wohnungsbaus beklagender - Kollege hätte sich nach diesem Vortrag möglicherweise neu aufgestellt.
Den Wechsel zwischen gedanklicher Betrachtung und tatsächlich prallem Tagesgeschäft verdeutlichte Hermann Karrié von der Karrié Bau GmbH & Co KG aus Mainz. Selbst der in der Theorie einfach erscheinende Einbau eines gläsernen Aufzuges bei der Sanierung eines Mehrfamilienhauses zeigte die logistische Anstrengung bei der Durchführung in bewohntem Zustand.
Andreas Vondran von der WODEGO Düsseldorf stellte abschließend ein aktuelles Vorhaben seiner Wohnungsgenossenschaft vor, bei dem nach Marktuntersuchung und Wirtschaftlichkeitsberechnung ein Abriss und Ersatzneubau der Sanierung vorgezogen wurde. Wie schon Dr. Hettenbach, stellte er den Brückenschlag zu den Mietern heraus: Ohne Mietergespräche, Mieterversammlungen, Umzugsabwicklung, Zukunftswerkstätten und die laufende Auskunft über die Planungsstände seien solche Vorhaben nicht mehr möglich.
Die Veranstaltung zeigte, dass nicht jedes abgewirtschaftete Winkelchen der unbedingten „Restaurierung“ bedarf. Manchmal scheint ein Abriss nicht nur wirtschaftlicher, sondern einfach besser, weil er Raum für Neues schafft. Eine zweckmäßige - und gestalterisch - durchdachte neue Erschließung, versorgte Freiräume für eine alternde Gesellschaft, ungehinderte Zugänge, Verweilbereiche und mitteilsame Aufenthaltsorte können nicht schlechter sein als ein Balkon der Fünfziger Jahre. Man hätte sich - über Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hinaus - noch ein Quäntchen mehr an gestalterischen Aussagen gewünscht. Aber alles zu seiner Zeit.
Innovationspreis Bauforum
Es lohnte sich auf die Verleihung des Innovationspreises zu warten. Zum 10-jährigen Bestehen des Bauforums war dieser im vergangenen Jahr erstmals ausgelobt worden. Finanz- und Bauminister Dr. Carsten Kühl und Rainer Richarts ehrten sechs Unternehmen.
Jeweils einen Innovationspreis erhielten:
- die Osika GmbH Ludwigshafen für die Revitalisierung der Konversionsfläche „Quartier Normand“ in Speyer,
- die JPS Parkingsystems Germany GmbH für ein automatisches, Flächen schonendes Parksystem,
- die Bau AG Kaiserslautern für das Projekt „Assisted Living“ - Barrierefreiheit mit technischen Unterstützungssystemen.
Zusätzlich wurden drei Auszeichnungen verliehen, an:
- die EGP Entwicklungsgesellschaft Petrisberg, Trier, für das Projekt „Wohnen am Lindenplatz in allen Lebenslagen“,
- die Juniorprofessoren Dr. Christian Kohlmeyer und Dirk Bayer für das Projekt „Ein Raum im Weinberg“, das interdisziplinär an der TU Kaiserslautern in den Fachbereichen Architektur und Bauingenieurwesen entstand,
- Die CMS KG aus Oberdürenbach für ein modulares Kühlfluid-Schutzsystem zum abwehrenden Brandschutz.
Wenn auch die Frage „Sanieren-Abreißen-Neubauen?“ naturgemäß nicht eingleisig beantwortet werden konnte, war doch schon das Anreißen des Themas ein Gewinn. Der Kollegenschaft kann man nur anraten, solche Foren zu nutzen.