18. Januar 2018

Zeitaufwendig aber beispielhaft legitimiert

Porträt Hermann-Josef Ehrenberg
Foto: Heike Rost, Mainz

Vorstandsmitglied Hermann-Josef Ehrenberg berichtet in der Februar-Ausgabe des Deutschen Architektenblattes über den Interessensausgleich in der Vertreterversammlung.

Als die Vertreterversammlung der Architektenkammer Rheinland-Pfalz im Herbst 2017 zusammen kam, ahnten die meisten Mitglieder nicht, welch akribische Sorgfalt zur Beschlussfindung bei dieser Sitzung aufgewendet werden musste. Und das war auch gut so! Sowohl Haushaltsabschluss und Entlastung als auch Planung und Vollzugsregeln des Haushaltes 2018 wurden nach Antrag im Einzelnen und geheim entschieden. Das hat gedauert. Aber die Entscheidungen haben in jedem Fall mit deutlich über 90 Prozent, ja teilweise sogar einstimmig das zustimmende Votum der Mitgliedervertretung zum Ausdruck gebracht. Insofern geriet die Veranstaltung zu einem überwältigenden Vertrauensbeweis für die Führung der Architektenkammer. Sie wurde so aber auch eine Sternstunde demokratischer Legitimation der Mitgliedschaft.

Gerade der Rechtfertigungsgrund einer öffentlich- rechtlichen Kammerstruktur gerät im Alltagsgeschäft leicht aus dem Blick. Der differenzierte, zeitaufwendige und geheime Wahl- und Entscheidungsvorgang während jener Versammlung hingegen hat offengelegt, dass den Vertretern die gesetzlichen Aufgaben der Kammerorganisation und ihre Vorteile bewusst sind. Das sogenannte „Äquivalenzprinzip“ bestimmt die Rechtfertigung und letztlich Beitragshöhe und Beitragspflicht! Der regelmäßige, obligatorische Bericht des Vorstandes dokumentiert das nachweisbar objektive Interesse und die potentielle Nutzbarkeit der Kammerangebote. Sie sind im Einzelnen und für jeden individuell zwar nicht messbar, aber die Wahrung und Förderung der Gesamtbelange nach außen ebenso wie die Interessenvertretung und Mitgliederförderung nach innen sind definitiv als die zentralen Aufgabengruppen nachzuvollziehen.

Das alles rechtfertigt auch die Pflichtmitgliedschaft und die Beitragsgestaltung. Mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 2017 wird auf die exklusiven Mitgliedschaftsrechte zur aktiven Partizipationsmöglichkeit im Kammergeschehen verwiesen. Der Staat geht sozusagen subsidiär davon aus, dass die Aufgabenerfüllung durch die Kammern für Betroffene und Staat gleichermaßen die günstigere Variante darstellt. Eine freiwillige Mitgliedschaft begünstige eher das „Trittbrettfahren“ bei Kammerleistungen, ohne selbst Beiträge zu zahlen.

Das höchstrichterliche Urteil von 2017 weist aber auch noch auf einen zusätzlichen Gedanken hin, der bei unserer letzten Vertreterversammlung in exemplarischer Weise gelebt worden ist. Demokratische Entscheidungsfindung ist das eine, die Pluralität der Kammermitglieder muss zum Ausdruck gebracht werden. Dazu zählen aber auch und in gleicher Weise die Minderheiteninteressen, die trotz abweichender Mehrheitsentscheidung in wichtigen Fällen kenntlich gemacht werden müssen. Das ist dann nicht mehr nur ein Ergebnis von Abwägung, sondern der Beratung und Beschlussfassung der Vertreterversammlung kommt zentrale Bedeutung zu. Das braucht gegebenenfalls Zeit, die Entscheidungsfindung kann dauern. Das war auch im November 2017 so. Die Vertreterversammlung hat aber in beispielhafter und geduldiger Manier die Grundzüge gelebten Kammerrechts präsentiert.

  

Archivbeitrag vom 18.01.2018