24. Juli 2019
2. Mainzer Architekturquartett
Text: Kirsten Schewe
Im Rahmen des Gastspiels der Wohnmaschine in Mainz haben die Architekten Markus Hille und Henning Grahn ihre Häuser vorgestellt, sowie Helge Hußmann seine Recherche zum historischen Telegraphenamt. Das Podium war mit Prof. Yvonne Fehling, Van Bo Le-Mentzel, Grit Weber und Prof. Gernot Weckherlin prominent besetzt.
Die Experten knüpften an den umfassenden Ansatz an, mit dem Modernität und Fortschrittlichkeit erprobt wurde. Ihre Lebensläufe zeigen, wie interdisziplinär alle ausgebildet wurden und ebenso im Berufsleben un-terwegs sind.
Prof. Yvonne Fehling ist ausgebildete Schreinerin, hat Produktdesign an der Hochschule für Gestaltung in Karls-ruhe studiert und Erfahrungen bei namhaften Gestaltern in Deutschland, den Niederlanden, Taiwan und China gesammelt. Ihr Blick richtet sich auf die vielschichtige Wechselbeziehung zwischen Mensch, Ding und Raum im jeweiligen Kontext. Seit 2017 hat sie die Professur für den Bereich Möbel – Objekt – Raum an der Hochschule Kaiserslautern inne.
Van Bo Le-Mentzels Arbeit zeigte sich bei der Wohnmaschine. Er ist Architekt und Gründer der Tiny Foundation und durch das Design der Harz IV-Möbel, der 100-Euro-Wohnung und der Wohnmaschine einem breiten Publi-kum bekannt geworden. 2015 war er Gastprofessor an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Vor-bilder seiner Arbeiten sind De Stijl und das Bauhaus, z.B. Gerrit Rietveld, Mies van der Rohe, Marcel Breuer und Erich Dieckmann.
Grit Weber war mehrere Jahre Kunstredakteurin des Journals Frankfurt. Inzwischen ist sie stellvertretende Direktorin und Kuratorin für Design, Kunst und Medien des Museums Angewandte Kunst in Frankfurt. Ihre Ar-beit kennzeichnet insbesondere das spartenübergreifende Denken. In der von ihr kuratierten Ausstellung „Mo-derne am Main“ zeichnete sie ein facettenreiches Bild vom Aufbruch der Moderne in Produkt-, Raum- und Werbegestaltung, Mode, Musik, Film und Fotografie. Die Ausstellung setzte sich mit der Frage auseinander, ob und in welcher Weise grundlegende gesellschaftliche Veränderungen auch einen ästhetischen Wandel mit sich bringen sollten und wie das Neue in die Welt kommt.
Prof. Gernot Weckherlin hat Bauzimmerer gelernt, dann Architektur an der TU München studiert. Nach einem Auslandsstipendium am PCL London und Primary Studies in Architecture im französischen Briey hat er in Lon-don und Berlin als Architekt gearbeitet. Dann hat er begonnen Geschichte und Theorie der Architektur zu leh-ren u.a. an der Bauhaus-Universität Weimar und am Bauhaus Dessau. Seit 2015 ist er Gastprofessor für Archi-tekturtheorie an der btu Cottbus-Senftenberg. Besonders interessant ist seine Dissertation zur Bauentwurfs-lehre von Ernst Neufert, einem Bauhausschüler. Hier untersuchte er, unter welchen historischen Bedingungen solch ein spezifisches Expertenwissen gesammelt und aufgeschrieben wurde, welcher Systematik es dabei folgte und wie dessen Status als verlässlicher Wissensspeicher entstehen konnte.
Aktuell wie vor einhundert Jahren sind die Fragen, die die Bauhäusler schon umtrieb, wie die Menschen leben wollen und mit welchen Dingen sie sich im Alltag umgeben wollen. Dies scheint im 21. Jahrhundert ebenso zu sein. Nachdem die Podiumsteilnehmer tagsüber die ausgewählten Projekte in Augenschein genommen hatten, stellten sie dem Publikum am Abend die Projekte aus ihrer Sicht vor. Darüber entspann sich eine angeregte Diskussion und die Erkenntnis, dass mit Architektur weder die Welt gerettet werden kann, noch, dass sie erzie-herisch sein sollte. Lehren lassen sich vom historischen Bauhaus weniger ziehen, dafür aber Parallelen in An-sätzen wie Kooperation, Partizipation und interdisziplinärem Arbeiten finden, so das Fazit des Podiums. Trotz gestalterisch durchaus unterschiedlicher Ansätze geben die beiden diskutierten Wohngebäude verblüffend ähnliche Antworten, wie Räume mehrfach genutzt werden können bzw. neue Wohnmodelle mit Leben gefüllt werden. Da wird ein Haus unter der Woche als Architekturbüro genutzt, am Wochenende wird es für eine Fa-milie das Zuhause oder mehrere Generationen bewohnen gemeinsam ein Anwesen und proben ein Zusammen-leben jenseits von familiären Bindungen. Diese Ansätze inspirieren, wie zukünftig gewohnt werden könnte. Sie lassen auf Zukunft hoffen, da war sich das Podium einig.