Alle zwei Jahre befragen die Bundesarchitektenkammer und die Architektenkammern der Länder bundesweit Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen zu deren beruflicher Situation und zur wirtschaftlichen Lage ihrer Büros. Befragt wurden Angestellte sowie die Inhaber der Büros. Die Zahlen von 2019 zeigen den wirtschaftlich guten Zustand der Branche vor der Coronakrise.
Aus der Befragung lassen sich wichtige Trends erkennen: Bei den angestellten Kammermitgliedern zeichnete sich, unabhängig ob sie in Architektur- und Planungsbüros, der gewerbliche Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, im Vergleich zu den vorherigen Befragungen eine weitere Zunahme des Bruttojahresgehaltes ab. Teilzeit ist in allen Tätigkeitsfeldern auf dem Vormarsch. 78 Prozent der Beschäftigten leisten regelmäßig Überstunden von im Schnitt 5 Stunden pro Woche bzw. 3,4 Stunden bei den Teilzeitbeschäftigten. Anders als noch 2012 oder 2014 werden mittlerweile bei 71 Prozent der Befragten die Überstunden durch Freizeit oder zusätzliche Vergütung kompensiert.
Die wirtschaftlich stabile Lage im Jahr 2019 vor der Coronakrise spiegelt sich auch bei den selbstständigen Kammermitgliedern wider: Bei Betrachtung des Honorarumsatzes pro Kopf sowie des Büroüberschusses wurden 2019 unabhängig von der Bürogröße Höchstwerte erreicht. Die befragten Inhaberinnen und Inhaber haben 2019 durchschnittlich 59 Prozent ihres Gesamtumsatzes mit Honoraren erzielt, die nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) festgelegt wurden. Der durchschnittliche Umsatzanteil aus nach HOAI abgerechneten Honoraren liegt umso höher, je größer das Büro ist. In Ein-Personen-Büros wurde im Schnitt ein Umsatzanteil von 45 Prozent mit nach HOAI festgelegten Honoraren erzielt. In Büros mit 10 und mehr Beschäftigten liegt der entsprechende Anteil bei 76 Prozent. Kleinere Büros nehmen dem gegenüber vermehrt Honorarabrechnungen nach geleisteten Stunden oder auf Basis einer Zeitschätzung vor. Gegenüber ihren Auftraggebern rechneten die Befragten 2019 Stundensätze in Höhe von durchschnittlich 85 Euro je Inhaber-Stunde für Inhaber/Partner ab, was jedoch unter den Werten vergleichbarer akademischen Berufsgruppen liegt.
Die Befragung erlaubt weitere wichtige Einblicke in die Branchenstruktur: Die meisten Architekturbüros befinden sich in Großstädten oder im Einzugsgebiet einer Großstadt; immerhin 32 Prozent liegen derzeit aber im ländlichen Raum. Sie beschäftigen im Mittel 4,3 Personen. Die vergleichsweise geringe Größenstruktur kompensieren die Büros jedoch, indem sie vielfach formelle Kooperationen mit anderen Büros eingegangen sind. 85 Prozent der Büroumsätze werden im eigenen Bundesland generiert, nur 2 Prozent im Ausland, wobei 6 Prozent der Büros generell auch im Ausland tätig sind.
Die Studie gibt auch Auskunft über die unterschiedlichen Erwerbsbiographien von Frauen und Männern in Architekturberufen. Deutlich wird, dass Frauen (31 Prozent) ihre selbstständige Tätigkeit viel häufiger unterbrechen als Männer (5 Prozent). Auch bei der Frage nach der Dauer der Tätigkeit in Teilzeit nach Monaten ist die Dauer bei Frauen (72 Monate) mehr als doppelt so hoch wie bei den Männern (30 Monaten). Gleiche Tendenzen gelten auch für die Antworten der angestellten und beamteten Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen. 27 Prozent der Büros werden von Inhaberinnen allein- oder mitgeführt. Im Jahr 2015 wurden 21 Prozent der Büros von Inhaberinnen allein- oder mitgeführt, im Jahr 2017 waren es 24 Prozent.
Hintergrundinfos zur Befragung:
Rund 20 Prozent der Kammermitglieder, genau 16.651 Personen, haben im Mai und Juni dieses Jahres mit ihren Antworten Auskunft erteilt unter anderem über die wirtschaftliche Situation der Büros, die Auswirkungen des EuGH-Urteils zur HOAI, zum Stand der Digitalisierung, zu Wochenarbeitszeit, zur berufliche Fort- und Weiterbildung, zu Überstunden und zum Gehalt.
Bei den Befragten überwiegt die Gruppe der Hochbauarchitektinnen und -architekten mit 85 Prozent, darin bildet sich die bundesweit tatsächliche Aufteilung der Fachrichtungen ab. Doch die Zahlen sind auch für die die Fachrichtungen Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung aussagekräftig.