„Rheinland-Pfalz ist nicht das klassische ‚Bauhaus-Land‘ und wir können nur wenige Bauhausobjekte aufweisen. Trotzdem oder auch gerade deshalb haben wir uns intensiv Gedanken gemacht, wie unser Beitrag zum Jubiläumsjahr, der sich in bundesweite Ausstellungen und Projekten einreiht, aussehen könnte,“ sagte Bauministerin Doris Ahnen in ihrem Grußwort zur Eröffnung der Ausstellung „Strategien der Moderne am Beispiel einer Stadt: Kaiserslautern“.
17. Juni 2019
„Strategien der Moderne“ im Zentrum Baukultur
Die von der Architektenkammer Rheinland-Pfalz und dem Finanzministerium in Auftrag gegebene und von der Kulturstiftung geförderte Ausstellung leiste „einen wichtigen kulturpolitischen Beitrag in Rheinland-Pfalz im Rahmen des Jubiläums ‚100 Jahre Bauhaus‘“, so die Ministerin weiter.
Das Bauhaus sei das Ergebnis einer umfassenden Reformbewegung in Europa, ergänzte Kammerpräsident Gerold Reker, der die zahlreichen Besucher im voll besetzten Zentrum Baukultur begrüßte. Wie sich diese Reformbewegungen auf die Architektur auswirkten und welche Einflüsse darüber hinaus eine Rolle spielten, erläuterte Ausstellungskurator Prof. Dr. Matthias Schirren (TU Kaiserslautern).
Wenn wir heute nach Strategien der Moderne fragen, so dürfen wir nicht bei der Moderne des Bauhauses der 1920er Jahre stehen bleiben. Vielmehr gilt es, den historischen Gesamtkomplex der Moderne in den Blick zu nehmen.
In seiner Rede zeichnete er die Entwicklung von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart nach. Zunächst ging er auf die Entwicklung der Architektur und des Städtebaus im Allgemeinen ein, denn Ideen, die später das Bauhaus prägen sollten, entwickelte bereits der Architekt Gottfried Semper Mitte des 19. Jahrhunderts. In seiner Denkschrift „Wissenschaft, Kunst und Industrie“, die er 1851 unter dem Eindruck der Londoner Weltausstellung schrieb, forderte Semper die Einrichtung von Mustersammlungen. Die dadurch einsetzende Kunstgewerbereformbewegung führte zur Errichtung von Gewerbemuseen mit angeschlossenen Schulen.
Auch in Kaiserslautern wurde ein Gewerbemuseum mit Baugewerkschule gegründet, die heutige Pfalzgalerie. Überhaupt ist Kaiserslautern geradezu ideal zur Erforschung architektonischer Ansätze. Denn nach dem Dreißigjährigen Krieg verlor die einstige Residenzstadt Kaiserslautern ihre überregionale Bedeutung. Erst mit der Industrialisierung begann die Stadt wieder zu wachsen. Und genau dieser Umstand ist der Grund, warum man heute in Kaiserslautern mustergültige Architekturstile seit 1800 so gut nachvollziehen kann.
Anschließend interpretierte Schirren die stadtbildprägenden Bauten des Oberbaudirektors Hermann Hussong (1881–1960), wie die mehrflügelige Anlage in der Fischerstraße (1919), die von Reparationsgeldern an die französische Besatzung erbaut wurde und stark an die Formensprache französischer Schlösser erinnert. Oder das Bunte Viertel und der Rundbau, ebenfalls in der 1920er Jahren entworfen und schon wegen der auffälligen Farbgebung außergewöhnlich. Hermann Hussong beeinflusste die Geschichte des Städtebaus in Kaiserlautern maßgeblich zwischen 1909 und 1933, jedoch weitab vom Bauhaus und den Zentren der Kunst- und Architekturdiskussion
der Weimarer Republik. Dennoch sind seine Bauten auch von der Bauhausmoderne beeinflusst. 1933 wurde Hussong von den Nationalsozialisten, denen seine Ideen nicht gefielen, zwangspensioniert.
Oben auf der Galerie des Zentrums Baukultur erzählen die beeindruckenden, zeitgenössischen
Modelle von dem Wirken des Oberbaudirektors. Sie machen die Architekturentwicklung auch sinnlich erfahrbar. Ebenso wie die DIN A 2 großen Hefte auf den Tischen neben den großen Gipsmodellen, die neben zeitgenössischen Fotografien auch Pläne wichtiger Projekte Hussongs enthalten, rekonstruiert von Architekturstudierenden der TU Kaiserslautern. Während sich in Kaiserslautern die Einflüsse der Moderne gut nachvollziehen lassen, ist dies in der Landeshauptstadt etwas schwieriger: In einem anschließenden Zwiegespräch machten sich Edda Kurz, Vizepräsidentin der Architektenkammer, und Prof. Dr. Matthias Müller (Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Kunstgeschichte und Musik) auf Spurensuche in der Landeshauptstadt.
„Mainz ist nicht gerade ein Ort der Moderne“, stellte Prof. Müller klar. Nichtsdestotrotz seien auch hier Spuren der Moderne zu finden – zwar keine klassischen Inkunabeln, doch zumindest avantgardistische Architektur. Es gäbe in Mainz sogar sehr viele Gebäude, die auf den zweiten Blick einen Hinweis auf die Moderne enthalten würden. Als Beispiel zeigten Kurz und Müller Gebäude der Siedlung am Fichteplatz und wiesen auf die bereits vorhandenen Bezüge hin. Dabei verschwiegen sie auch die stadträumlichen Probleme der Moderne nicht, wie die radikale Überformung und das manchmal fehlende Gespür für historische Bebauung. Beispielsweise beim 1928 errichteten ehemaligen Telegraphenamt: „Das Telehaus mit seinem gigantischen Volumen ist ein Schlag ins Gesicht, aber wir sind froh, dass wir es noch haben.“ Als herausragende Beispiele der Nachkriegsmoderne nannte Müller den Schalenbau der Muschel und die Zentralmensa auf dem Unicampus, die beide in fast unverändertem Zustand erhalten sind und neuerdings unter Denkmalschutz stehen.
Nach der Präsentation der Wanderausstellung im Zentrum Baukultur Mainz (bis 28. Juni) wird sie auch an weiteren Stationen gezeigt: Voraussichtlich zwischen Ende Juli und Mitte September in den Thermen am Viehmarkt in Trier und ab Oktober im Rathaus von Kaiserslautern
Archivbeitrag vom 17. Juni 2019