Seit Wochen gehen Studenten auf die Straße und rufen nach besseren Studienbedingungen; es geht ihnen sicher nicht darum, weniger lernen zu müssen oder mehr Freizeit zu haben. Vielmehr treibt sie die Erkenntnis, dass die durch den Bologna-Prozess eingeleitete Studienreform unterm Strich nicht zur Berufsqualifikation führt und sie letztlich als Versuchskaninchen auf der Strecke bleiben. Allen Warnungen der Architektenkammern zum Trotz wurden in der Republik landauf, landab 6-semestrige Studiengänge etabliert. Angemessene Studienzeiten für einen rapide zunehmenden und komplexer werdenden Lehrstoff wurden der vermeintlichen Attraktivität des kurzen Studiums geopfert. Die Leidtragenden sind Bachelor, denen ganz wesentliche Voraussetzungen zur Berufsbefähigung fehlen. Anders als gut ausgebildete Diplom-Ingenieure haben sie große Probleme bei der Stellensuche, und schon zum Schutz des Verbrauchers bleibt ihnen der Kammerzugang in fast ganz Deutschland und in Europa verwehrt.
Der Ruf der Studenten nach einer qualitätsorientierten Ausbildung konnte nicht ungehört verhallen, steht und fällt doch unsere Wirtschaft mit Fachkompetenz der Absolventen. Aber es bringt nichts, Prüfungs- und Arbeitsbelastungen zu reduzieren oder die nationale und internationale Anerkennung von Prüfungen zu erleichtern; die Studenten wollen keine „Verdünnung“ des Lehrstoffs. Der jüngste Beschluss der Kultusminister und Hochschulrektoren wird die Probleme deshalb auch nicht lösen.
Die Architektenkammer unterstützt weiterhin die Forderung der Studenten nach ausreichender Zeit für ein intensives Studium, für eine umfassende Vertiefung der vielfältigen Themenbereiche unseres Berufes, und die beginnt in 25 von 27 europäischen Ländern nicht bei 6 Semestern, sondern bei ... 10+ !
Vizepräsident Ernst Wolfgang Eichler, Alzey
Archivbeitrag vom 16. Dezember 2009