Frau Holdenried, Sie sind im Vorstand für das Thema Digitalisierung verantwortlich. Wickeln Sie in Ihrem Büro die Projekte komplett in BIM ab?
Das ist abhängig vom Projekt und den Projektpartnern. In jedem Fall machen wir aber ein internes BIM. Sprich wir arbeiten die komplette Planung in 3D durch, integrieren die Angaben der Fachplaner und ziehen die Massen aus dem Modell – zur Qualitätssicherung!
BIM ist also nicht nur etwas für große Projekte...
BIM ist keine Frage der Projektgröße, sondern der Planungsmethode. Unser Anspruch ist ein ganz pragmatischer: Wir integrieren das, was wir an Informationen bekommen können und verbessern damit die Planungsqualität. Beispielsweise haben wir bei einem kleinen Umbau den Dachstuhl mit dem Zimmermann komplett digital abgewickelt. Bevor das Holz auf die Baustelle kam, wer er nicht einmal zum Aufmessen dort.
Wie unterstützt BIM Ihre Arbeit, wie hat es sie verändert?
Schon mit Bürogründung 2009 haben wir konsequent auf eine dreidimensionale Planung gesetzt, denn bei zweidimensionalen Planungen wurden immer wieder Fehler mitgenommen. Durch BIM haben sich Planungsprozess und Projektabwicklung verändert – gerade, wenn man mit Fachplanern zusammenarbeitet. Die Kommunikation ist viel kooperativer geworden, man begegnet sich auf Augenhöhe. Zunächst erstellen wir ein Architekturmodell. Das wird an den Fachplaner oder Handwerker weitergegeben, der seine Teilplanung macht, in unser Modell integriert und uns zurückspielt. Bereits 2012 haben wir bei einer Haustechnikplanung die externe Lüftungsplanung in unser Modell eingepflegt. Das hat dazu geführt, dass die Baustelle reibungslos innerhalb von einem halben Jahr fertiggestellt werden konnte. Es mögen nur Kleinigkeiten sein, doch diese bringen einen entscheidenden Vorteil in der Bauabwicklung! An den Abläufen selbst ändert sich nichts, auch die Haftungsfragen bleiben eigentlich die gleichen, wenn jeder in seinem Modell arbeitet – nur alle Daten müssen zusammengeführt werden!
Welcher Nutzen besteht für Architekten?
Die Planung erhält eine neue Wertschätzung, da sie besser verstanden wird. Das Gebäude entsteht zunächst 3D, bevor es real umgesetzt wird. Durch die Möglichkeit, das Projekt vorab virtuell zu begehen, erhält der Bauherr eine bessere Entscheidungsgrundlage. Raumproportionen und Höhen, die er aus dem 2D-Plan oftmals für sich gar nicht umsetzen kann, sind nun für ihn verständlich. Zudem können Abstimmungsfehler zwischen den unterschiedlichen Projektbeteiligten reduziert werden und es besteht eine höhere Kostensicherheit.
Was ist in Ihren Augen das größte Hemmnis für die Kollegen, die noch nicht auf BIM umgestiegen sind?
Zum einen liegt das sicherlich an der fehlenden Bereitschaft, die eigenen Prozesse zu ändern und der grundsätzlichen Digitalisierungsfeindlichkeit in Deutschland. Statt die Vorteile von BIM zu sehen – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels lassen sich durch die Nutzung von BIM große Potenziale generieren – wird über datenschutzrechtliche Probleme diskutiert. Zudem hinkt die Normung stark hinterher, ein umfassendes Regelwerk fehlt. In diesem Kontext ist die Richtlinie VDI 2552 zu nennen, die einen strukturierten Ansatz für die effektive Implementierung von BIM in die Prozesse des Planens, Bauens und Betreibens liefert. Bislang wurden jedoch nur rund die Hälfte der vorgesehenen 11 Blätter veröffentlicht.
Was ist der wichtigste Schritt, um sein Architekturbüro BIM-fit zu machen?
BIM als Chance zu sehen! Auch die innere Bereitschaft, sich mit der Software und den Tools auseinanderzusetzen, muss da sein. Am besten startet man mit kleinen Projekten und Anwendungsfällen. So kann man schrittweise den Einstieg realisieren. Kleinere Architekturbüros wie unseres haben es da deutlich leichter als große Büros, ihre Mitarbeiter auf die neue Arbeitsweise einzustellen.
Was raten Sie Ihren Berufskollegen?
Einfach machen! Einfach einsteigen und sich Schritt für Schritt in das Thema hineinbegeben.
BIM – Die Zukunft des Bauens?
Auf jeden Fall. Ich denke, das Rad lässt sich nicht zurückdrehen. Den Schritt zurück zur Planzeichnung am Zeichentisch würde ja auch keiner mehr gehen. Zudem wurden innovative Entwürfe wie von Zaha Hadid erst durch die Digitalisierung baubar. In digitalen Themen steckt noch viel Potenzial!
Vielen Dank für das Gespräch!