05. September 2024

Infrastrukturen und baukulturelle Schönheit

Politisches Sommerfest 2024
Über 300 Gäste aus Politik, Verwaltung, (Bau)Wirtschaft und Kultur waren der Einladung zum Politischen Sommerfest im Zentrum Baukultur gefolgt
Foto: Kristina Schäfer, Mainz

Das Politische Sommerfest rückte vor dem Hintergrund der Transformation im Bauwesen die Bedeutung von Infrastrukturen in den Mittelpunkt

Über 300 Gäste aus Politik und Verwaltung, Kammern und Interessensverbänden, aus der Architekten- und Bauwirtschaft und den Hochschulen waren am 28. August im Zentrum Baukultur in Mainz dabei.


Er wolle keine „Meckerrede“ halten, so Kammerpräsident Joachim Rind, der die zahlreichen Gäste unter „Arnes Brücke“ begrüßte. Nach (berufs)politischen Dauerbrennern wie Inflation, Fachkräftemangel und Bürokratiewahnsinn suchte man in seiner Rede daher vergeblich. Vielmehr versuchte Rind Positives in den Vordergrund zu stellen und die Anwesenden zu mehr Einsatz für die Baukultur zu motivieren. „Einsatz lohnt sich immer!“, so Rind. Ganz ohne Kritik kam er dann aber doch nicht aus. Das Ziel der Bundesregierung, mit 400.000 neuen Wohnungen jährlich die Wohnungskrise zu bekämpfen, sei weit verfehlt worden. Doch anstatt immer nur den fehlenden, bezahlbaren Wohnraum zu beziffern, müsse – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Transformation im Bauwesen – auch der Ausbau von Infrastruktur stärker in den Blick genommen werden. Neben den Themen Mobilität sowie grüne und blaue Infrastruktur seien dabei vor allem soziale Aspekte zu berücksichtigen: Freizeit- und Kulturangebote, Bildung und Wissen, Kindertagesstätten und Schulen ... In diesem Kontext verwies Rind auf den aktuellen Baukulturbericht der Bundesstiftung Baukultur, der in den Bundestag geht und beim Konvent der Baukultur, dem „Kirchentag der Architekten“, im Juni in Potsdam vorgestellt wurde. „Schauen Sie da rein. Das ist wirklich eine `kleine Bibel´. Da steht alles drin, was aktuell im Planen und Bauen wichtig ist“, sagte der Kammerpräsident.

Rind lobte die neue Schulbaurichtlinie, die erstmals Flächen- statt Raumangaben ausweist und somit individuelle pädagogische Konzepte ermöglicht. Seine Devise: Baukultur zum Leitbild zu machen! Als qualitätssichernde Maßnahme eigne sich dabei insbesondere der Planungswettbewerb. Hier sollte die öffentliche Hand in Rheinland-Pfalz Kopenhagen zum Vorbild machen. Die dänische Hauptstadt habe schon vor 60 Jahren den Stadtumbau eingeleitet. Im Paradigmenwechsel vom Neubau zu einer neuen Umbaukultur sah Rind große Chancen für den Klima- und Ressourcenschutz. Auch verwies er auf den Gebäudetyp e – "e" wie einfach, effizient, aber auch experimentell. Mit dem digitalen Bauantrag und der Muster-Umbauordnung sei es dem Berufsstand gelungen, wichtige Themen zu platzieren. Zudem bemühe man sich aktiv um den Nachwuchs und starte im Oktober eine Social-Media-Kampagne zur Juniormitgliedschaft. „Wir brauchen in Rheinland-Pfalz viele kleine, auch junge Büros!“, sagte Rind mit Blick auf die Entwicklung der Mitglieder: immer weniger Absolventinnen und Absolventen entschieden sich für die freiberufliche, selbständige Tätigkeit. So überwiegen bei neu eingetragenen Mitgliedern die A+B-tätigen etwa zweifach die Selbständigen. Abschließend appellierte Rind noch einmal, die Prozesse im Planen und Bauen zu optimieren, Infrastrukturen zu sichern und auszubauen, um qualitätsvolle Orte zu schaffen.

Das Politische Sommerfest biete den idealen Rahmen für den Dialog zwischen Politik und Planern, ja fungiere als „Aufgalopp nach dem Sommer“ für die hiesige Politik, so Ministerpräsident Alexander Schweitzer. Im Grundsatzteil seines Beitrages nahm er Stellung zu aktuellen Bauthemen. Zudem dankte er der Architektenschaft für die gute Zusammenarbeit sowie ihren großen Einsatz beim Wiederaufbau im Ahrtal. Angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt müssten das Bauen erleichtert und die Baukosten gesenkt werden: „Mit der Änderung der Landesbauordnung setzt Rheinland-Pfalz als eines der ersten Bundesländer die Beschlüsse der Bauministerkonferenz um und den Kurs der vergangenen Jahre fort.“ Zudem verwies er auf die Förderprogramme des Landes für mehr bezahlbaren Wohnungsbau. Neben Klimaschutz und Nachhaltigkeit nannte er auch die Digitalisierung der Verwaltung als wichtiges Anliegen der Landesregierung. „Da der Wohnungsbau vor großen Herausforderungen steht, ist ein schnelleres und flexibleres Baugenehmigungsverfahren notwendig. Wir unterstützen daher den digitalen Bauantrag und freuen uns sehr, dass die Stadt Trier als erste Pilotkommune auf einem erfolgreichen Weg ist“, sagte Schweitzer. Sein Appell: Lassen Sie uns die Dinge gemeinsam angehen!

Dass zentrale gesellschaftliche Herausforderungen nur gemeinsam bewältigt werden können, hatte zuvor auch Landtagspräsident Hendrik Hering in seinem Grußwort klargemacht und ein Zwischenfazit gezogen: Man sei nicht so weit gekommen, wie gewollt; der Weg sei noch weit. Die energetische Sanierungsquote liege unter einem Prozent. Dabei habe Umbau stets Vorrang vor Neubau. Insgesamt müsse schneller, effizienter und unbürokratischer gebaut werden. „Wir brauchen schließlich auch schneller bezahlbare Wohnungen", so Hering. Standards müssten überdacht und entsprechend modifiziert werden. Dafür brauche es Mut, Kreativität und Verantwortungsbereitschaft auf allen Ebenen.

Der Abend klang bei guten Gesprächen und toller Kulinarik in gewohnt lockerer Atmosphäre aus. Das Zentrum Baukultur und sein Umfeld hatten sich wieder in eine Partylocation verwandelt. Für Musik sorgte das Jazztrio Vinyl.