09. März 2017

Integrierte Standortentwicklung

Porträt Frank Böhme
Frank Böhme
Foto: Heike Rost, Mainz

Vizepräsident Frank Böhme äußert sich in der April-Ausgabe 2017 des Deutschen Architektenblattes zur Integrierten Standortentwicklung.

Lebendige Innenstädte stehen für Lebensqualität und Vitalität einer Stadt, sie zu erhalten und weiterzuentwickeln stellen Stadtplanung und Kommunalpolitik immer wieder vor neue Herausforderungen. Mit eben diesen Herausforderungen beschäftigte sich die Abschlussveranstaltung „Dialog Innenstadt“ am 14. März 2017 im Zentrum Baukultur Mainz. Vorgestellt und erörtert wurde ein seit gut zwei Jahren laufendes Pilotprojekt der Nationalen Stadtentwicklung. Im Dialog mit 19 Kommunen in Rheinland-Pfalz ist dabei ein umsetzungsorientierter Leitfaden für die Praxis entstanden, der unter den Gliederungspunkten „Projektmanagement“, „Imagegestaltung“, „Standort- und Wirtschaftsfaktoren“, „Strategie- und Kommunikationsprozesse“ sowie „Städtebau und Immobilien“ die relevanten Instrumente und Abläufe beschreibt und mit ausgewählten Praxisbeispielen illustriert.

Das knapp 80-seitige (Ergebnis)-Handbuch soll insbesondere von den kommunalen Vertretern intensiv genutzt werden. Erfahrungsaustausch und Netzwerken, das Anwenden und nicht nur Kopieren von best practise-Beispielen sowie deren bedarfsgerechte Weiterentwicklung zusammen mit Akteuren vor Ort sind dabei wichtige Aspekte. Eine Herkulesaufgabe. Hat sich doch in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, dass Kommunalpolitik und Bürgerengagement in den seltensten Fällen das Heft in der Hand hatten. Insbesondere im Handelssektor, dem heute in vielen Städten prägendsten Belebungselement, sind zumeist nicht die Städte die Akteure, sondern privatwirtschaftliche Unternehmen. Diese werden von rein merkantilen Aspekten bei ihren Standortentscheidungen geleitet und zwingen die Städte unter Beeinflussung der Bürger-Käufer-Schaft oft zu einem nicht abgestimmten Handeln, das einer vielfältig geprägten „europäischen Stadt“, wie wir sie kennen und schätzen, zuwider läuft.

Die Stadt braucht den Handel, aber der Handel braucht die Stadt nicht mehr! Die Shopping-Malls und der stetig steigende Anteil des Online-Handels tragen dazu bei, lebendige und vielfältige Innenstadtstrukturen zu gefährden. Allein Zalando will 2017 über 100 Millionen Euro in den Ausbau seines Internethandels investieren und über 2.000 Arbeitsplätze schaffen. Dafür sollen sogar starke Gewinnreduzierungen in Kauf genommen werden. Für das Unternehmen steht jedoch der Konkurrenzkampf mit dem übermächtigen Marktführer Amazon im Vordergrund. Die Verlierer werden unsere Innenstädte sein!

Neue Lösungsansätze sind gefragt

Integriertes und dialogorientiertes Verhalten sind gefragt. Denn bisher beschränkt sich das Handeln in unseren Innenstädten vielfach auf das Heilen und Aufrechterhalten sowie auf Versuche des Wiederbelebens. Die bittere Erkenntnis des Bedeutungsverlustes einer Einkaufsstraße oder eines Quartiers, beispielsweise nach Eröffnung einer hochgepriesenen, überdimensionierten Shopping-Mall, hat zumindest mancherorts den positiven Effekt, dass die betroffenen Geschäftsleute nicht mehr einzeln handeln, sondern im gemeinsamen Austausch und gegebenenfalls mit Hilfe Dritter neue Lösungsansätze entwickeln. Gerade hierzu zeigt der Praxisleitfaden zum Integrierten Standortmanagement Innenstadt interessante Lösungen.

Neue Plattform für Integrierte Standortentwicklung in Rheinland-Pfalz

Die Arbeit muss jedoch weitergeführt werden. Als Fortsetzung des Projektes zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik startet im Mai die Arbeitsgruppe „Integrierte Standortentwicklung“ des Beirats für Kommunalentwicklung Rheinland-Pfalz. Ziel ist es, eine ergebnisorientierte Diskussionsplattform für die Herausforderungen der „strategischen Standortentwicklung“, in ihrer gesamten Breite und Tiefe, in Rheinland-Pfalz zu schaffen. Dabei soll der Begriff Standortentwicklung neben der Daseinsvorsorge auch gleichermaßen die Bereiche Wohnen, Arbeiten, Mobilität, Freizeit, öffentlicher Raum, Umwelt und Kommunikation umfassen. Im ersten Schritt werden aus arbeitsökonomischen Gründen zunächst die Kernbereiche Wohnen, Handel, Daseinsvorsorge, öffentlicher Raum und Kommunikation inhaltlich und unter Beteiligung der zuständigen Fachressorts behandelt. Als Mitglied dieser interdisziplinären Arbeitsgruppe bin ich gespannt, wie es gelingen wird, einen Prozess anzustoßen, um „die Idee der europäischen Stadt“ zeitgemäß zu interpretieren und für eine „Stadt von Morgen“ neu zu beleben.

Der Praxisleitfaden steht im Internet als pdf-Datei zur Verfügung: MEHR
Einen ausführlicheren Nachbericht finden Sie im Internet: MEHR 

 

Archivbeitrag vom 9. März 2017