Wer hat den Baumangel - oder ist es nur eine kleine hinzunehmende Unzulänglichkeit - zu verantworten? Niemand natürlich! Schon wird ein Gutachter eingeschaltet, der in einer breit angelegten Expertise für den in Bauangelegenheiten nicht sonderlich geschulten Richter in epischer Breite darlegt, was man eigentlich ohnehin wusste.
War der Auftrag tatsächlich erteilt oder handelte es sich um eine „unverbindliche“ Akquiseleistung des Architekten, die nicht honoriert werden muss? Missverständnisse sind der Normalfall. Anwälte beider Parteien tauschen sich über viele Seiten und für den juristischen Laien kaum verständlich darüber aus, bis ein Richter schließlich entscheidet, dass beide im Grunde verloren haben. Insoweit gut, als noch vor einigen Generationen mit dem Degen oder der Keule entschieden worden wäre. Und letztlich auch gut für den Berufsstand, dem solche Streitigkeiten ein prächtiges Einkommen garantieren, ein Einkommen, das viele Architektinnen und Architekten schon lange nicht mehr erwirtschaften können.
Dabei sind die Konfliktparteien vielfach selbst die besten Experten für die Lösung ihrer Probleme, nur dass ihnen der Streit den Zugang zu ihren Stärken und Kompetenzen für eine Konfliktklärung schwer macht.
Im anglo-amerikanischen Rechtsraum wird ein hoher Anteil der Konfliktlösungsverfahren in Mediationen gelöst und 80 Prozent der Beteiligten gaben in einer Befragung an, mit dem Ergebnis zufrieden zu sein. Bei uns ist dieses Verfahren bei weitem noch nicht so verbreitet, der Deutsche Bundestag hat aber erkannt, dass es enorm ressourcenraubend ist, wenn mehr oder weniger banale Zivilprozesse die Gerichte verstopfen. Die Politik reagierte mit einem „Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“. Offensichtlich hat man jedoch nicht nur eine Entlastung der Justiz im Auge, sondern auch die Stärkung der Eigenverantwortung der Bürger bei der Konfliktlösung.
Was ist Mediation?
Es handelt sich dabei um ein strukturiertes Verfahren, in dem ein allparteilicher Dritter, der Mediator, die Konfliktparteien bei ihren Bemühungen unterstützt, selbstständig und eigenverantwortlich eine optimale Regelung zu finden. Der Mediator stellt eine sichere Kommunikationsstruktur im Regelungsprozess zur Verfügung. Die Streitparteien erhalten dadurch ein zunehmend vertieftes Verständnis von sich selbst, den anderen und dem Kontext des Konfliktes, wodurch verstehensbasierte und eigenverantwortliche Regelungen möglich werden.
Wie funktioniert das im Detail? Um das zu verstehen, ist es wichtig, die Prinzipien der Mediation zu kennen. Dazu gehört zunächst einmal Transparenz. Das Verfahren wird erläutert, alles wird offen diskutiert.
Niemand wird in das Verfahren gezwungen und jede Partei kann jederzeit abbrechen, wenn sie der Meinung ist, dass sie auf anderem Wege eine bessere Regelung erreichen kann, also Freiwilligkeit.
Es wird Vertraulichkeit vereinbart. Medianten, also die Konfliktparteien, und der Mediator verpflichten sich, alle gewonnenen Informationen nicht außerhalb des Mediationsprozesses zu verwenden. Eigenverantwortlich für die Regelungen sind ausschließlich die Parteien. Der Mediator liefert keine Lösungen, sondern ist ausschließlich für die Struktur der Mediation verantwortlich und unterstützt die Medianten beim selbstständigen Finden einer Regelung.
Dazu gehört die Kenntnis aller entscheidungsrelevanten Tatsachen. Alles kommt auf den Tisch. Behauptungen müssen auf Nachfrage belegt werden. Mediation ist zudem ein partizipatives Verfahren. Dies bedeutet, dass alle am Verfahren aktiv mitwirken.
Der Mediator, allparteilich im Gegensatz zu neutral, steht nicht über oder neben den Parteien, sondern unterstützt die Interessen beider. Alle Regelungsfindungsprozesse sind ergebnisoffen gestaltet und es hängt von den Parteien ab, im Rahmen der vorgegebenen Strukturen eine Lösung zu finden. Am Ende steht eine rechtsverbindliche Regelung, zu der beide eine schriftliche Vereinbarung treffen.
Letztlich werden die persönlichen Fähigkeiten gefördert und veranschaulicht, wie mit Unterschiedlichkeiten, Enttäuschungen und Konflikten sowie Ablehnung konstruktiv umgegangen werden kann.
Bei einer Mediation siegt nicht der Stärkere, der mit den besseren Waffen, und die Entscheidung ist nicht an einen Richter delegiert, der im Rahmen einer ritualisierten Verfahrensordnung Angriff und Verteidigung zu kanalisieren versucht, sondern es kommt ein interessengerechter, aufeinander bezogener, wertschöpfender Konsens zustande.
Eine zentrale Frage in der Mediation ist beispielsweise: „Was können Sie denn dazu beitragen, dass …?“ Eine Frage, die Streitparteien sich gelegentlich selbst stellen sollten. Was liegt näher, als sich im Konfliktfall an einen erfahrenen und gut ausgebildeten Mediator zu wenden, bevor der Scherbenhaufen unübersehbar ist? Gerade dann, wenn auch zukünftig ein Kontakt mit dem Konfliktgegner unvermeidlich ist - und das dürfte mindestens bei unternehmens- oder familieninternen Konflikten regelmäßig der Fall sein - ist nach meiner Auffassung die gerichtliche Auseinandersetzung bestenfalls dritte Wahl. Das haben auch Architekten erkannt und eine Mediatorenausbildung absolviert. Mit deren Kenntnissen unserer berufsspezifischen Problemlagen kann das für den Berufsstand nur ein Vorteil sein.