25. August 2020

Konzeptsicher und gut ausgestattet!

Lutz Beckmann
Foto: Foto- und Bilderwerk

Das Thema Ausbildung beschäftigt uns seit Jahrzehnten. Wir haben Prof. Dr.-Ing. Lutz Beckmann um seine Einschätzung gebeten.

70 Jahre Architektenkammer Rheinland-Pfalz – ein paar Themen beschäftigen uns seit Jahrzehnten. Die Ausbildung zählt dazu. Wie steht es aktuell um sie? Wir haben Prof. Dr.-Ing. Lutz Beckmann um seine Einschätzung gebeten. Er ist seit Mitte 2019 Vorsitzender des Akkreditierungsverbundes für Studiengänge der Architektur und Planung – ASAP – und Dekan am Fachbereich Architektur der Jade-Hochschule am Standort Oldenburg.

Es ist ganz schön kompliziert geworden, Architektin oder Architekt zu werden. Eigentlich soll es nach Vitruv ja nur um venustas (Schönheit), utilitas (Nützlichkeit), firmitas (Festigkeit) gehen, aber die Anforderungen an Ausbildung und Beruf sind innerhalb weniger Jahrzehnte so über die Maßen gewachsen, dass es vor allem gilt, einen klaren Kopf zu wahren.

Für Studium und Beruf:

  • Darstellung und Kommunikation, analog, digital, verbal, schriftlich – kompetent und angemessen; online, in Entwurf, Konstruktion, Building Management, in Gebäudetechnik, Brandschutz, Nachhaltigkeit
  • Öffentlichkeitsarbeit in Architektur; Partizipation bei Planungsprozessen
  • Vertragskonstruktionen, Verantwortlichkeiten, Haftungsfragen und Arbeitsrecht; Entscheidungshemmungen durch Gremien und zwischengeschaltete Instanzen
  • zunehmende Industrialisierung des Bauens; schwindende handwerkliche Fähigkeiten bei den Ausführenden
  • veränderte Bürostrukturen und Arbeits(ver)teilungen, die Integration familienfreundlicher
    Arbeitsstrukturen in einer gleichberechtigt arbeitenden Gesellschaft; mehr als 50 Prozent aller Studierenden sind Frauen, ihr Anteil zunehmend in Büros, Bauämtern, in Hochschulen – in Führungspositionen

Für die Hochschulen:

  • die Herausforderungen dualer Ausbildung und die Integration von Online-Lehre
  • Umgang mit der politischen Forderung, die Gesamtzahl der Akademiker durch möglichst
    kurze (!) Studiengänge zu erhöhen bei steigenden Abbruchsquoten im Studium
  • die Notifizierung aller Architekturstudiengänge zur Berufsanerkennung bei der Europäischen
    Kommission
  • die politische Forderung nach Drittmittelbeschaffung und intensiver Forschung bei gleichbleibend hoher Lehrbelastung fürdie Lehrenden

Zwei allen Hochschulen gemeinsame Ausbildungsziele und Zuwendung von außen helfen aus dem Dilemma: Generalistisch zu denken ist das Alleinstellungsmerkmal von Architektinnen und Architekten: „Spezialisten für´s Ganze“ sollen sie sein, vielseitig versierte „Dilettanten“, Moderatoren und Künstler, die das Konzept zusammenhalten, ohne im Detail zu versinken. Und Lösungskonzepte lernen Studierenden zu entwickeln, tragfähig, angemessen und aufnahmefähig für immer neue Gesichtspunkte: zur Integration der jeweils nächsten Herausforderung (s.o.).

Das notwendige Dritte sind die den Hochschulen durch Ministerien und Öffentlichkeit gestellten materiellen und ideellen Bedingungen: In ausreichender Zahl brauchen wir engagiert arbeitende Lehrende und Forschende. Sie sollen großzügig mit Zeit, ideellem und physischem Raum ausgestattet sein. Und indem sie den Studierenden als Rollenmodell dienen, entstehen gelassene, angemessen agierende Absolventinnen und Absolventen.

Diese werden flexibel genug ausgebildet sein, um als gute Architektinnen und Architekten zu arbeiten. Sie werden mit individueller Prägung die Kultur des Bauens überzeugend vertreten und weiterbringen. Und mit klarem Kopf werden sie Vitruvs Forderungen hochhalten: venustas, utilitas, firmitas!