09. Juni 2017

Kultur im alten Eisen

Nahaufnahme eines roten Backsteingebäude
Sayner Hütte, Bendorf-Sayn
Foto: Architekturbüro Steinhardt

Das 6. Ortsgespräch fand am 19. Mai 2017 in Bendorf auf der Sayner Hütte statt, einem Relikt des beginnenden Industriezeitalters und lange vergessenes Zeugnis vom Bergbau im nördlichen Rheinland-Pfalz: die Sayner Hütte.

Kammerpräsident Gerold Reker und Thomas Metz, Generaldirektor der GDKE, nahmen auf der Sayner Hütte in Bendorf die unterschiedlichen Verschneidungen von zeitgenössischem Bauen, von Sanierung und Denkmalpflege einerseits und andererseits der Beteiligung von Architektinnen und Architekten aller Tätigkeitsarten daran in den Blick. Einmal mehr gab der Besuch vor Ort Gelegenheit, die jeweiligen Beiträge zum Gesamtwerk zu präsentieren und das im Ergebnis im Zusammenhang zu diskutieren. Nach Terminen in der Pfalz, in Rheinhessen und am Mittelrhein haben die Ortsgespräche mit Bendorf nun auch das nördliche Rheinland-Pfalz erreicht.

Bergbau und Metallverhüttung hat im Neuwieder Becken bereits seit den Kelten Tradition. Mit dem Eisenkunstguss wurde in preußischer Zeit ab 1818 begonnen, die vielgerühmte Gußeisenkonstruktion der Gießhalle datiert um 1830 durch den Einsatz seriell gefertigte Elemente gehört diese zu den Pionierbauten der Industriearchitektur in Europa. Nach ihrer Schließung 1926 erlebte die 1865 von der Firma Krupp übernommene Anlage wechselvolle Schicksale. Seit wenigen Jahren bemüht sich eine Stiftung um die Erhaltung und Revitalisierung des ausgedehnten Komplexes, der Bauten von der Gründungszeit unter dem Trierer Kurfürsten bis ins 20. Jahrhundert umfasst.

  

Nach dem obligatorischen Rundgang auf dem Hüttenareal - das eben eröffnete Besucherzentrum in der Krupp'schen Halle, die Gießhalle, der ehemalige Hochofen und der Außenraum standen auf dem Programm - schloss sich die Gesprächsrunde an.

Im Zeichen der didaktischen Aufbereitung des Hüttenareals steht die Sanierung der Krupp'schen Halle durch Architekt Thomas Steinhardt, Heinrich + Steinhardt Architekten, Bendorf-Sayn. Hier sollen in den nächsten Jahren nicht nur Gäste des Hüttenareals empfangen werden, sondern auch Kulturveranstaltungen aller Art stattfinden. Daher wurden nur die nötigsten Elemente (Toiletten und Büro in einem eingestellten Solitär, Theke für Ticketverkauf und Besucherempfang) konsequent zeitgemäß eingebaut.

Die alte Produktionshalle aus den Jahren 1908/1909 behielt die Kranbahn ebenso wie die beiden an Emporen erinnernden Galerieeinbauten. Sie dienten ehemals der Hüttenverwaltung als zusätzliche Büroräume.

Im Obergaden des Mittelschiffs stellen neue Lichtbänder eine an die bauzeitliche Situation erinnernde Belichtung her. Eine neue, eingestellte Treppe führt zu den Galerien, drei Fluchttüren auf das alte Hofgelände, die Lüftung wurde über den Keller realisiert - das war's.

  

Vis-à-vis kündet die Gießhalle von Beginn der Sanierungsarbeiten im Jahr 2011. Der gesamte Komplex war schon 2004 in den Besitz der Stadt Bendorf gelangt, die sich sofort darum bemühte, die historische Gießhalle vor dem Verfall zu bewahren.

Zunächst fanden wegweisende Beratungen durch Prof. Dr. Karl Ganser, bekannt durch die IBA Emscher Park, statt. Für die Gießhalle war die Standsicherheit der brüchigen gußeisernen Trägerkonstruktion die zentrale Fragestellung der Sanierungsarbeiten.

Das Juwel der frühen Industrialisierung - zur Entstehungszeit in Dimension und Ausführung einmalig - stellte hohe Anforderungen an die statische Sicherung. Die aus der eigenen Hütte Hüttenproduktion stammenden Fachwerkträger waren vielfach gerissen oder gar gebrochen. Das spröde Material hatte die beinah zwei Jahrhunderte im Erdbebengebiet des Neuwieder Beckens nicht schadlos überstanden. Zur Sicherung hat Dr. Rudolf Käpplein, Büro für Baukonstruktion, Karlsruhe, ein spezielles Plombensystem entwickelt. Jeder Träger, so Käpplein während der Führung, stellte individuelle Ansprüche an die Sanierung.

 

    

Im rückwärtigen Teil der Gießhalle schließt sich mit dem heute fragmentierten, ehemaligen Hochofen der nächste Sanierungsabschnitt im Hüttenareal an. Barocke Wohn- und Verwaltungsbauten, der stadtseitige Zugang zum Areal und der Werkstatttrakt sollen in späteren Abschnitten folgen. Für die Stadt Bendorf ist die Sayner Hütte, die sich anschickt, auf der Welterbeliste Platz zu finden, ein herausfordernder Glücksfall.

Dr. Wolfgang Bachmann, der bereits zum sechsten Mal die Gesprächsrunde im Anschluss an die Informationsstationen moderierte, nahm deshalb auch das herausfordernde dieses Erbes kritisch in den Blick. Seine Fragen bezogen sich auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit der kulturellen Nutzung, die heute in der Krupp'schen Halle Platz findet. Die Weiternutzung stellt bekanntermaßen die wohl pragmatischste und praktischste Haltungsoption dar. Seine These: Die Bewahrung des Denkmals als Industriebetrieb wäre der kulturellen Nachnutzung allerdings vorzuziehen gewesen. Doch genau da zeigten sich in der Diskussionsrunde mit dem Bauforscher Rolf Hömann vom Büro für Industriearchäologie, Darmstadt, dem Bendorfer Architekten Thomas Steinhardt, dem Generaldirektor der Generaldirektion Kulturelles Erbe - GDKE, Thomas Metz, sowie dem Projektleiter des Hüttenareals Werner Prümm, die Unterschiede zwischen Wunsch und Realität deutlich: So hatte ein Gewerbebetrieb in den 1970er Jahren die zu diesem Zeitpunkt schon fünf Jahrzehnte stillgelegte Sayner Hütte erworben und durch seine gewerbliche Nutzung vorm Abriss bewahrt, doch war in dessen Nachfolge keine wirtschaftliche Gewerbenutzung mehr möglich. Der Moderator insistierte weiter und gab damit das Stichwort für die Frage ob sich denn kulturelle Nutzung tatsächlich als Kostgänger der Kommunen und der "harten" wirtschaftlichen Fakten verstehen müsste oder inzwischen nicht längst auch die kulturelle und touristische Nutzung zu den vitalen Standortfaktoren zu zählen sei. Wie auch immer diese Bilanz für Bendorf ausfällt: Regionales Bewusstsein, Identität und eine gehörige Portion Stolz der Bendorfer Bevölkerung stehen auf der Habenseite.