Sie haben erzählt, ihre Geschwister sind am Café beteiligt, brauchten Sie darüber hinaus noch einen Kredit?
Ja, ein Kredit war leider auch notwendig. Den haben wir aber von Bekannten erhalten.
Gab es keine Förderprogramme?
Wir haben keinerlei Gründungszuschüsse bekommen.
Sie brauchten keine, oder Sie hatten keinen Anspruch?
Wir hatten keinen Anspruch. Vom Arbeitsamt erhält man nur eine Förderung, wenn man zuvor arbeitslos war. Die KfW bietet zwar einen Gründerkredit an - bei dem man im ersten Jahr keine Raten zahlt, in den nächsten Jahren dafür um so höhere - aber auch da waren die Zinssätze schlecht. Dass wir trotz unseres Low-Budget-Ladenausbaus einen Kredit brauchten, ärgert mich noch immer. Die Stadt Mainz macht es Gründern unglaublich schwer. Der Nachweis der geforderten Stellplätze, beziehungsweise die Ablösesumme für diese, bricht sehr vielen Gründern das Genick. Unser Café ist in der Mainzer Neustadt, rund 1,5 Kilometer von der Innenstadt entfernt, ein typisches Kiez-Café. Für die Ablösung eines Stellplatzes mussten wir aber die gleiche Summe bezahlen wie ein Geschäft in der Fußgängerzone: 13.500 Euro. Es gibt auch einen reduzierten Satz von 7.500 Euro, der gilt außerhalb der Innenstadt. Wo der angewandt wird, ist mir schleierhaft.
Wie viele Stellplätze mussten Sie nachweisen?
Wir brauchten fünf, bei einer Ladenfläche von 48 Quadratmeter. Wir haben einen Tag lang gedacht, das ist das Ende. Letztendlich konnten wir die Anzahl auf zwei reduzieren, da die Schneiderei, die zuvor in unseren Räumen war, auch schon Parkplätze abgelöst hatte und da wir eine Mischung aus Café und Laden sind. Das ist aber immer noch sehr viel Geld, besonders da man die Parkplätze ja nicht bekommt. Kein Wunder, dass es hier so wenige Cafés, Kneipen und kleine individuelle Läden gibt, obwohl Mainz eine Studentenstadt ist.
Haben Sie Unterstützung von institutioneller Seite bei der Gründung erhalten?
Die IHK war sehr hilfsbereit. Wir wollten eine Firma gründen, um nicht mit unserem privaten Vermögen zu haften. Die IHK hat dazu sehr umfangreiche Informationen und bietet zudem ausführliche Beratungen an.
Kosten die etwas?
Nein, das war super. Ich war aber auch schon IHK-Mitglied. Sonst gab es allerdings sehr wenig Hilfe. Besonders bei den Ämtern kommt es sehr darauf an, an welchen Bearbeiter man gerät. Bei einigen hatte ich das Gefühl, sie wollten mir bewusst Steine in den Weg legen. Es gab auch immer wieder Fehlinformationen. Es gab Momenten, da dachte ich: Das schaffe ich nie! Dann gab es aber auch wieder sehr hilfsbereite Mitarbeiter bei den Behörden.
Wie lange hat die Vorbereitungsphase insgesamt gedauert?
Ich habe schon während der letzten Jahre viele Ideen gesammelt. Richtig konkret wurde es ab November 2009, nachdem wir das Ladenlokal hatten. Das war noch während meiner Diplomzeit. Im Februar habe ich meine Diplomarbeit abgegeben und danach noch eine kleine Weltreise gemacht, wieder mit Endziel Australien. Dort habe ich viele Ideen fürs Café gesammelt, ich war ständig mit meinem Skizzenbuch unterwegs. Nachdem ich Mitte März wieder zurück in Mainz war, ging es richtig los. Zuerst habe ich versucht alle Vorschriften zu recherchieren, dann mussten wir die Finanzierung klären und die letzten sieben Wochen haben wir umgebaut. Am 23. Juli 2010 war dann die Eröffnung.
Insgesamt also etwa ein halbes Jahr. Ist das ein realistischer Zeitrahmen?
Das ist wenig. Es ging nur so schnell, weil ich mir schon seit Jahren Gedanken gemacht hatte.
Was braucht man, Ihrer Meinung nach, um ein Café zu betreiben - unabhängig vom Geld?
Man braucht viel Durchhaltevermögen und viel Einsatz. Ohne sich selbst aufzuopfern geht es nicht. Am Anfang habe ich teilweise 18 Stunden am Tag gearbeitet. Außerdem braucht man auf jeden Fall Organisationstalent. Ich habe immer das Gefühl mit 10.000 Dingen gleichzeitig zu jonglieren. Und ein dickes Fell ist auch gut, das habe ich aber leider nicht.
Haben Sie einen Tipp für alle Architekten, die auch den Wunsch hegen ein eigenes Café zu eröffnen?
Machen, einfach machen! Wenn man zu 100 Prozent dahinter steht, dann funktioniert es auch. Wenn man bereit ist von morgens bis abends dafür zu arbeiten, ist alles möglich. Während der Baustellenzeit, als ich um 4 Uhr morgens aufgestanden bin, habe ich mich mehrfach gefragt: Willst du das wirklich? Und ich habe mir jedes Mal gesagt: Ja, ich will das wirklich, ich will nichts anders machen. Diesen 100-prozentigen Willen hat man nicht oft im Leben, und deswegen war mir auch klar: Das muss funktionieren. Wobei ich, zugegebener Maßen, auch manchmal beinahe verzweifelt wäre.
Das Interview führte Kerstin Mindermann, Freie Journalistin in Mainz und Mitarbeiterin der Architektenkammer Rheinland-Pfalz.
Archivbeitrag vom 12. Dezember 2016