28. August 2023

Mehr Freiraum!

Thomas Dang
Thomas Dang
Foto: Kirsten Bucher, Frankfurt

Raum für zeitgemäßes Lernen

Lange hat es gedauert. Bereits 2009 hat sich die Kammergruppe Mainz im Rahmen ihrer woche der baukultur mit dem Thema Schulbaurichtlinie beschäftigt. Vor knapp anderthalb Jahrzehnten wollten wir das Bewusstsein dafür schärfen, das gute Gestaltung der Gebäude eine zentrale Voraussetzung dafür ist, die Schule als lebendigen Ort ganzheitlichen Lernens zu entwickeln. „An der Baukultur der Schulen zeigt sich, welcher Stellenwert der Bildung und Erziehung in einer Gesellschaft beigemessen wird“ war die zentrale Aussage unserer Veranstaltungsreihe. Gerold Reker, damals noch Vizepräsident, forderte schon 2009 „Mehr Flexibilität – Schulbaurichtlinien anpassen“.

Bei aller Kreativität der Planungsteams liegt ein wesentlicher Teil der Lösung in der Schulbaurichtlinie.“

Gerade hatten PISA-Studie und OECD-Berichte deutlich gemacht, dass das Bildungssystem insgesamt reformiert werden muss. Zeitgemäße Schulgebäude mit Schulhöfen, die mehr bieten als Asphalt und Mülleimer, gehörten dazu. Deshalb spielte für uns schon damals die Architektur – verstanden als multidisziplinäre Aufgabe vom städtebaulichen Rahmen und dem Freiraum über den Hochbau bis zur Raumbildung innen – eine zentrale Rolle. Und es war klar: Bei aller Kreativität der Planungsteams liegt ein wesentlicher Teil der Lösung in den Voraussetzungen, also der Schulbaurichtlinie. In der Novelle 2010 fand sich das alles noch nicht wieder: Weg vom starren Raumprogramm, Umdenken in den Planungsstrukturen der „Bauaufgabe Schule“, qualitätssichernde Prozesse schon im Vorfeld der Vergabe.

Doch auch wenn schon 2010 bei vielen Fachleuten die Auffassung unbestritten war, dass zeitgemäßes Lernen angemessenen Raum braucht und damit entsprechende Schulbauten, folgten Jahre des Stillstands.


Nun zeichnet sich mit der Neufassung der Schulbaurichtlinie, die Anfang 2024 in Kraft treten soll, endlich Veränderung ab. Das enge Korsett des Raumprogramms soll einem flexibleren Flächenprogramm weichen. Durch den Blick auf einen Rahmen für die Gesamtfläche entsteht Flexibilität für die passgenaue Planung. Schulen sollen nicht nur funktionale Voraussetzungen erfüllen, sondern Raum zur Umsetzung des pädagogischen Konzeptes bieten. Das freilich muss die Schulgesellschaft entwickelt haben. Denn nur im engen Austausch aller und vielleicht sogar in der Vernetzung mit dem anschließenden Quartier kann die Planung das leisten, was sie leisten sollte: Die Schule zu einem lebenswerteren Ort des Lernens und der Bildung zu machen.

Noch ist das Gesetzgebungsverfahren nicht abgeschlossen. Die Bewährungsprobe für die neugefassten Regeln steht aus. So viel ist aber sicher: Wir werden unsere Hausaufgaben erledigen!