Es häufen sich Fälle, in denen Büros die von Ihnen erarbeiteten Ausschreibungsunterlagen einschließlich der Pläne anonymisieren müssen; damit werde Korruption verhindert. Was für eine krude Vorstellung von vertrauensvoller Zusammenarbeit, wenn man den Vertragspartner vorsorglich unter Korruptionsverdacht stellt. Abgesehen davon, dass jeder Bieter auf tausend Wegen den Namen des tatsächlich planenden Architekten erfährt - sofern er das will, und dass er mit diesem Wissen ausgestattet in einem Vergabeverfahren gar keinen Vorteil erlangen kann, ergeben sich andere Probleme.
Mit Unterlagen, die nur den Kopf der bauenden Institution erhalten, wird insbesondere bei auch selbst planenden Behörden und Betrieben der Eindruck erweckt, sie selbst hätten die Planung erarbeitet. Das ist urheberrechtlich bedenklich, wirbt für eine unter Umständen nicht gegebene Leistungsfähigkeit, und lässt den Bekanntheitsgrad von Architekten abnehmen. Wer in einigen Jahren Pläne aus Archiven zieht, wird oft auf die falsche Urheberschaft schließen müssen.
Zudem lassen sich anonymisierte Unterlagen oftmals für andere Bauvorhaben wiederverwenden; erste Beispiele sind belegt. So wird der ohnehin unter schrumpfendem Markt leidende Berufsstand einmal mehr geschröpft. Traurig, dass man solcherlei Entwicklungen thematisieren muss, erschütternd, mit welcher Selbstverständlichkeit man sich fremdes geistiges Eigentum aneignet.
Das Gespräch mit den Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung werden wir suchen, die Einrichtung einer öffentlichen Datenbank, welche Auskunft über Projekte und Planer gibt, müssen wir erwägen. Der Berufsstand ist aufgefordert, entsprechende Fälle der Kammer zu melden. Lassen wir weiter zu, dass man uns auslöscht, sind wir bald in der Anonymität ... verschwunden.
Vizepräsident Ernst Wolfgang Eichler, Alzey
Archivbeitrag vom 18. Oktober 2010