15. September 2021

Neue Vergaberegeln für Rheinland-Pfalz in Kraft getreten

Mit der Einführung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und der Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz“ ist die lang erwartete Reform des Unterschwellenvergaberechts in Rheinland-Pfalz Anfang September 2021 weitestgehend abgeschlossen worden. Die neuen Regelungen gelten ab 7.9.2021.

In einem Rundschreiben vom 31. August 2021 hat das MWVLW über die Neuerungen informiert. Die Neufassung der Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz“ vom 18. August 2021 ersetzt Teil 2 der VV „Öffentliches Auftrags- und Beschaffungswesen in Rheinland-Pfalz“ vom 24.04.2014. Teil 2 der letztgenannten VV befasste sich mit dem öffentlichen Auftragswesen.

Die neue VV „Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz“ ersetzt das Rundschreiben des Ministeriums vom 17.06.2019, welches im Vorgriff auf die Neufassung bereits Anpassungen der Vergabe-Wertgrenzen für Bauleistungen, Liefer- und Dienstleistungen und Planungsleistungen enthalten hatte. Die Wertgrenzen bleiben jedoch unverändert (s. Tabelle unten).

Ausdrücklich weist das Ministerium darauf hin, dass die vergaberechtlichen Erleichterungen gem. Rundschreiben vom 29.06.2020 und 11.12.2020 (Konjunkturförderung wg. Corona) und das Rundschreiben vom 19.07.2021 (Flutwasserkatastrophe) weiterhin gelten.

Folgende Neuerungen in der VV „Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz“ sind besonders hervorzuheben:

 

1. Zum Aufbau

Zunächst erhält die Verwaltungsvorschrift mit der Neufassung einen komplett neuen Aufbau. So ergeben sich aus den ersten Nummern die Bestimmungen zum (sachlichen und persönlichen) Anwendungsbereich und die anzuwendenden Grundsätze und Vorschriften, bevor Einzelheiten zu den Phasen eines Vergabeverfahrens geregelt werden.

Die Verwaltungsvorschrift konzentriert sich auf das Vergabeverfahrensrecht im Unterschwellenbereich. Ausführungen und Hinweise zum Kartellvergaberecht enthält die Verwaltungsvorschrift nicht mehr.

 

2. Zum Inhalt

a) Anwendungsbereich, anzuwendende Bestimmungen (VV Nr. 1 bis 3)

  • Der sachliche Geltungsbereich erfasst neben der Vergabe von öffentlichen Aufträgen erstmals auch Dienstleistungskonzessionen im Unterschwellenbereich.
     
  • Der persönliche Geltungsbereich bleibt unverändert. Vergaberechtlich gebunden sind weiterhin nur die institutionellen Auftraggeber, also solche, die an das Haushaltsrecht des Landes oder der Kommunen gebunden sind. Neu aufgenommen wurde eine Regelung, wonach Vergabeverfahren im Namen oder im Auftrag des Bundes, eines Landes oder der Europäischen Union nicht unter die Verwaltungsvorschrift fallen.
     
  • Zum Zwecke einer einheitlichen Rechtsanwendung gelten die Begriffsbestimmungen des Kartellvergaberechts grundsätzlich auch im Unterschwellenbereich.
     
  • Schließlich enthält die Verwaltungsvorschrift den Anwendungsbefehl für die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), welche das Vergabeverfahren für Liefer- und Dienstleistungen regelt. Sie löst die seit Jahrzehnten geltende Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – VOL/A – ab. Für Bauvergaben gelten – wie bisher – die Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB).
     
  • Wegen der zunehmenden Bedeutung der Binnenmarktrelevanz in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des Europäischen Gerichtshofs wurden allgemeine Hinweise zur Binnenmarktrelevanz aufgenommen.
     
  • Erstmals sieht die Verwaltungsvorschrift Regeln bei gemeinsamer Auftragsvergabe vor. Sie sind in den Fällen von Bedeutung, wenn mehrere öffentliche Auftraggeber mit voneinander abweichenden Vergaberechtsregimen einen öffentlichen Auftrag gemeinsam ausschreiben.

 

b) Vergabeverfahren, Auftragswertgrenzen, Sonderregelungen (VV Nr. 4, 5)

  • Die Auftragswertgrenzen für nichtöffentliche Vergabeverfahren (Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und Freihändige Vergabe bzw. Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb) und den Direktauftrag werden, wie bereits durch Rundschreiben vom 17. Juli 2019 in Kraft gesetzt, in die Verwaltungsvorschrift übernommen.
     
  • Weiter sieht die Verwaltungsvorschrift – wie bisher – Sonderregelungen für bestimmte Vergaben vor. Dazu gehören Aufträge über preisgebundene Literatur, die Vergabe von freiberuflichen Leistungen, insbesondere Planungsleistungen und die Vergabe von Konzessionen im Unterschwellenbereich. Für alle diese Beschaffungen ist grundsätzlich ein schlankes wettbewerbsoffenes Verfahren erforderlich, aber auch ausreichend, welches mit einigen wenigen Voraussetzungen definiert ist.

 

c) Anforderungen an Unternehmen (VV Nr. 6)

  • Für die Eignungsprüfung von Unternehmen gelten grundsätzlich die Bestimmungen der Vergabeverfahrensordnungen (UVgO, VOB/A). Zwecks Vereinfachung oder Flexibilisierung des Vergabeprozesses auf Seiten des Auftraggebers kann dieser darüber hinaus je nach Art und Umfang des Auftrags auf bestimmte Vorgaben und auch auf die Vorlage von Einzelnachweisen verzichten.
     
  • Die Bestimmungen zur Präqualifizierung wurden aktualisiert.

 

d) Beteiligung der mittelständischen Wirtschaft (VV Nr. 7)

  • Die Bestimmungen zur Beteiligung der mittelständischen Wirtschaft sind bis auf wenige Regelungen übernommen worden.
     
  • Aufgenommen wurde die Möglichkeit einer verlängerten Bindefrist (§ 10 Abs. 4 VOB/A) bei wirtschaftlich bedeutsamen Bauvergaben im Sinne der Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen.

 

e) Strategische Beschaffung (VV Nr. 8 bis 12)

  • Komplett neu gefasst und deutlich gestrafft wurden die Bestimmungen zur nachhaltigen Beschaffung, da sowohl die Unterschwellenvergabeordnung als auch die VOB/A zwischenzeitlich zahlreiche Bestimmungen für mehr Nachhaltigkeit im öffentlichen Auftragswesen enthalten. So wird in der neugefassten Verwaltungsvorschrift deutlich gemacht, dass in allen Phasen einer Beschaffung, von der Definition der Leistung über die Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien bis hin zur Vorgabe von Ausführungsbestimmungen qualitative, soziale, umwelt- und klimabezogene oder innovative Aspekte berücksichtigt werden können. Die Regelungen in der Verwaltungsvorschrift konzentrieren sich daher im Wesentlichen auf Hilfestellungen zur praktischen Umsetzung dieser strategischen Ziele.
     
  • Die Verwaltungsvorschrift enthält auch weiterhin Bestimmungen zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen sowie Regelungen zur besonderen Berücksichtigung von Werkstätten für behinderte Menschen, Blindenwerkstätten und Inklusionsbetrieben im Rahmen eines Beschaffungsverfahrens.

 

f) Kommunikation (eVergabe), Vergabedokumentation (VV Nr. 13, 14)

  • Für die Kommunikation zwischen den Vergabestellen und den an einem Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen gelten die Vorgaben der Vergabeverfahrensordnungen (UVgO, VOB/A). Während für Liefer- und Dienstleistungen grundsätzlich elektronische Kommunikation (eVergabepflicht) vorgesehen ist, bleibt es bei Aufträgen über Bauleistungen den Vergabestellen überlassen, welchen Kommunikationsweg sie wählen (Vorgaberecht). Aus verfahrensökonomischen und korruptionspräventiven Gründen wird aber empfohlen, alle Vergabeverfahren über eine eVergabeplattform abzuwickeln.
     
  • Vergabeverfahren über Liefer- und Dienstleistungsaufträge mit einem geschätzten Auftragswert bis 20.000 Euro (netto) können für eine Übergangszeit (bis 31. Mai 2022) noch mittels einfacher E-Mail durchgeführt werden.
     
  • In Anlehnung an die bisher geltende Regelung sind die Vergabeunterlagen für mindestens fünf Jahre nach Vorlage der Schlussrechnung aufzubewahren.

 

g) Wettbewerbsregister und Vergabestatistik (VV Nr. 15)

  • Die Verwaltungsvorschrift geht noch auf einige Aspekte zum bundesrechtlich geregelten Wettbewerbsregister beim Bundeskartellamt ein, welches Ende 2021/ Anfang 2022 in Betrieb genommen werden soll. Mit diesem Register werden den öffentlichen Auftraggebern künftig Informationen über Ausschlussgründe im Sinne der §§ 123 und 124 GWB (eintragungspflichtige Rechtsverstöße) zur Verfügung gestellt. Entsprechende Abfragepflichten bzw. Abfragemöglichkeiten gelten auch für den Unterschwellenbereich.
     
  • Die Inbetriebnahme des Wettbewerbsregisters wird erst durch die Bekanntmachung des BMWi im Bundesanzeiger ausgelöst, dass die Voraussetzungen für die elektronische Datenübermittlung zum Register vorliegen. Daran knüpfen auch die Melde- und Abfragepflichten an. Diese Bestimmungen sind erst durch Artikel 10 des Gesetzes vom 18. Januar 2021 (BGBl. I S. 2) – GWB-Digitalisierungsgesetz – eingeführt worden. Im Lichte dieser Neuregelung ist daher auch Nummer 7.2 Abs. 2 der Verwaltungsvorschrift „Korruptionsprävention in der öffentlichen Verwaltung“ vom 22. Januar 2019 (MinBl. S. 14) zu verstehen; das bedeutet, dass der komplette Abschnitt 4.3 mit den Anlagen 6 und 7 sowie Abschnitt 1.3.3 dieser Verwaltungsvorschrift als Grundlagen für die beim Ministerium für Finanzen eingerichtete Melde- und Informationsstelle außer Kraft treten.
     
  • Ebenso sind die grundlegenden Bestimmungen der seit 1. Oktober 2020 bestehenden Vergabestatistik für öffentliche Aufträge ab 25.000 Euro Gegenstand der Verwaltungsvorschrift.

 

h) Beratungsstellen, Nachprüfungsstellen (VV Nr. 17, 18)

  • Die Verwaltungsvorschrift enthält – wie bisher – Hinweise zu den Beratungsstellen bei vergaberechtlichen Fragen (Auftragsberatungsstelle, VOB-Stelle).
     
  • Zudem weist die Verwaltungsvorschrift zu den Nachprüfungsmöglichkeiten auf die Bestimmungen der am 1. Juni 2021 in Kraft getretenen Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen vom 26. Februar 2021 (GVBl. 123) über die strukturierte Nachprüfung von wirtschaftlich bedeutsamen öffentlichen Aufträgen sowie die Rechts- und Fachaufsichtsregelungen hin.

 

i) Änderungen, Inkrafttreten, Außerkrafttreten (VV Nr. 19, 20)

  • Die bisherige Verwaltungsvorschrift vom 24. April 2014 wird als Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Beschaffungswesen in Rheinland-Pfalz“ fortgeführt und soll künftig eigens überarbeitet werden.
     
  • Die Neufassung tritt am Tage nach der Veröffentlichung im Ministerialblatt der Landesregierung von Rheinland-Pfalz in Kraft. Die Veröffentlichung erfolgte im Ministerialblatt vom 6.9.2021, Inkrafttreten der Neuregelunge somit am 7.9.2021
     
  • Die Sonderregelung für die Beschaffung von preisgebundener Literatur soll erst zum 1. August 2022 in Kraft treten. Bis dahin gelten die bisherigen Bestimmungen unter Nummer 2.2 der noch geltenden Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auftrags- und Beschaffungswesen“ vom 24. April 2014 (MinBl. S. 48) weiter.

 

3. Weiter weist das MWVLW noch auf folgendes hin:

Mit der Einführung der strukturierten Nachprüfung von Vergabeverfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte zum 1. Juni 2021 und dem Inkrafttreten der Unterschwellenvergabeordnung im Zuge der Neufassung der Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz“ findet die Reform des Haushaltsvergaberechts ihren vorläufigen Abschluss. In diesem Zusammenhang haben wir auch die Homepage des MWVLW zum öffentlichen Auftragswesen neugestaltet, die im September online gehen soll. So sei insbesondere auf die Möglichkeit hingewiesen, sich für einen Newsletter einzutragen, mit dem die Vergabepraxis unmittelbar mit neuen Entwicklungen im Vergaberecht versorgt werden soll.

 

4. Weiterhin gültige Wertgrenzen:

 

Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb

 

Verhandlungsvergaben (UVgO) und
Freihändige Vergaben (VOB/A)

Direktauftrag


 

Bauleistungen nach VOB/A


 

200.000 Euro

(abweichend von § 3a Abs. 2 Nr. 1 a-c VOB/A 1. Abschnitt)

40.000 Euro

(abweichend von § 3a Abs. 3 Satz 2 VOB/A 1. Abschnitt)

3.000 Euro


 

Liefer- und Dienstleistungen nach UVgO
(früher VOL/A)

 

80.000 Euro

 

 

40.000 Euro

 

 

3.000 Euro

 

 

Für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren enthält die neue VV Öffentliches Auftragswesen unter Ziffer 5.2.2 folgende Regelung:

"Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren (Grundleistungen, Beratungsleistungen wie Umweltverträglichkeitsstudien und Besondere Leistungen wie Bedarfsplanung und Bedarfsermittlung nach § 3 Abs. 1 bis 3 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – HOAI – vom 10. Juli 2013 – BGBl. I S. 2276 –, geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 2. Dezember 2020 – BGBl. I S. 2636 - dürfen abweichend von dem in Nummer 5.4 Buchst. a niedergelegten Grundsatz bis zu einer Auftragswertgrenze von 25.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) auch ohne Aufforderung weiterer Planungsbüros zur Abgabe eines Angebots mit nur einem Planungsbüro verhandelt werden.

§ 30 UVgO gilt entsprechend.

§ 77 VgV gilt entsprechend. Die Vergütung ist den Unternehmen vor Ausarbeitung der zusätzlichen Unterlagen zur Kenntnis zu geben. Die Vergütung kann entweder mit der Bekanntmachung oder mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgesetzt werden. In solchen Fällen eignet sich auch, ein zweistufiges Verfahren durchzuführen."

 

Quelle: Rundschreiben MWVLW vom 31.08.2021 sowie die VV Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz vom 18.08.2021