28. Januar 2011
Politiker versprechen mehr Mittelstandsförderung
Stefan Musil, Präsident der Architektenkammer begrüßte die Anwesenden im Erbacher Hof in Mainz und beschrieb vorab die aktuelle Situation der Bauberufe. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Bauvolumen nahezu halbiert, Umbauten und Sanierungen machen inzwischen rund die Hälfte der Aufträge aus. Die Bauwirtschaft befindet sich in größeren Umwälzungsprozessen. Der europaweite Wettbewerb, zunehmend höhere Anforderungen und schlechte Zahlungsmoral seien weitere Schlagworte. Zudem seien Architekten und Ingenieure mit ihrem Wissen bei der Gestaltung der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie dem demografischen Wandel, dem Umbau der ländlichen Regionen und dem energieeffizienten Umbau, entscheidend gefordert. Musil rief alle Anwesenden auf, sich an der folgenden, von Peter Königsberger, dem stellvertretenden Chefredakteur der Mainzer Allgemeinen Zeitung, moderierten Diskussion zu beteiligen.
Die Bauwirtschaft war einmal die Lokomotive der Wirtschaft, in den vergangenen Jahrzehnten sind die Umsätze und Einnahmen der Planungsbüros jedoch drastisch zurückgegangen, nicht zuletzt auch durch den Investitionsstau der öffentlichen Hand. Eine kurze Verbesserung hat das Konjunkturprogramm II gebracht, dieses läuft in diesem Jahr aus. Fällt die Baukonjunktur damit wieder auf den Stand vor dem Programm zurück, fragte Königsberger. Die Grünen gehen von einem kleinen Einbruch aus, was bei der Höhe der ausgeschütteten Mittel aber auch nicht verwunderlich sei. Sie sehen den Mittelstand in Rheinland-Pfalz jedoch gut aufgestellt. Die FDP stimmt dieser Prognose zu und geht auch weiterhin von positiven Zuwachsraten aus - bei der Bauwirtschaft allerdings in geringerem Maße als in der Gesamtwirtscharft. Aufgrund der niedrigen Zinsen sieht Eymael aber Impulse durch private Bauherren. Darüber hinaus weist er darauf hin, dass er die Personalaufstockung bei den Bau-Landesbetrieben nicht unterstütze. Mohr berichtet aus ihrer Region, Kaiserslautern. Hier erwartet sie sich Impulse durch Großprojekte, wie die geplante Klinik der amerikanischen Streitkräfte. Der Problematik, dass bei solchen US-Großprojekten in der Regel Generalunternehmer und -übernehmer beauftragt werden, und die regionalen Planungsbüros nur in zweiter oder dritter Reihe profitieren, ist ihr bewusst. Die CDU macht sich wenig Sorgen um die Wirtschaft, inklusive der Bauwirtschaft. Das größere Problem sei die Überschuldung der öffentlichen Finanzhaushalte. Daher solle und dürfe es nicht zu einem „Dauerzuschuss“ für Bauinvestitionen kommen.
Die öffentlichen Haushalte seien in der Tat klamm, stimmte Königsberger zu, und die Straßen kaputt. Wie könne man dieses Dilemma lösen? Die SPD-Vertreterin wies darauf hin, dass es dieses Problem in gleichem Maße auch in anderen Bundesländern gebe. Die Landesregierung habe gerade erst 17 Mio. Euro zur Behebung der Schäden zur Verfügung gestellt. Um die Kosten im Griff zu behalten sei man dazu übergegangen nur noch die Belagsschäden zu beheben und habe den Neubau von Straßen zugunsten der Sanierungen zurückgestellt. Die FDP ist dafür Schwerpunkte zu setzen. Als Flächenland brauche Rheinland-Pfalz dringend eine funktionierende Infrastruktur, unter anderem um den Wegzug aus dem ländlichen Raum zu stoppen. Die dafür notwendigen Gelder will die Partei im konsumptivem Sozialbereich einsparen. Auch die CDU hält die Infrastruktur für wichtig, insbesondere die Realisierung von „Schlüsselprojekten“, wie die Mittelrheinbrücke. Finanziert werden sollen viele Projekte von den Kommunen vor Ort. Dafür sei es notwendig, diese zu entschulden und die Einnahmen vom Land auf die Kommunen umzuverteilen. Das weder beim Land noch bei den Kommunen vorhandene Geld, könne aus der Umverteilung eines Prozentpunktes der Mehrwertsteuer kommen. Lemke wies darauf hin, dass Rheinland-Pfalz kein Entwicklungsland sei, auch wenn Schlaglöcher ärgerlich seien. Sie ist dafür die Straßen zu sanieren, aber keine neuen zu planen. Das Land habe im Bundesvergleich die größte Straßendichte und aufgrund der steigenden Benzinpreise werde sich der Verkehr in den kommenden Jahren verändern. Sie setzt auf den öffentlichen Nahverkehr.
Der Mittelstand gilt als Stütze der Wirtschaft. Wie stellt sich die Politik eine stärkere mittelstandsfreundliche öffentliche Auftragsvergabe vor, wollte Königsberger von den Vertretern der Parteien wissen. Die Maxime der CDU: Die Politik sei nicht der bessere Unternehmer, sagte Schreiner. Daher müssten öffentliche Bauaufgaben vergeben und zudem der bürokratische Aufwand bei Planungsprozessen entrümpelt werden. Die SPD setzt auf Entbürokratisierung von Vergabeverfahren. Die FDP will sich für mehr Wettbewerb, die Auslobung von kleineren Einzellosen, die Förderung von Arbeitsgemeinschaften bei der Teilnahme und weniger Vergaben an Generalunternehmer einsetzen. Die Büros müssten Zugang zu öffentlichen Vergaben erhalten und eine ordentliche Bezahlung erhalten, so Eymael. Den beiden letzten Punkten stimmte auch Lemke zu, darüber hinaus müsse man die fachliche Richtigkeit von Ausschreibungen sicherstellen.
Auch der Wohnungsmarkt birgt Probleme. Während die Mieten in den Ballungsräumen hoch sind und weiter steigen, stehen in den ländlichen Regionen die Wohnungen leer. Königsberger fragte die Parteien, was sie tun wollen, um einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt und tragbare Mieten zu gewährleisten. Die Grünen haben hierzu zwei Programme entwickelt. Zum einen wollen sie die energetische Wohnraumsanierung von Mietwohnungen fördern, um neben dem Umweltaspekt die Mieter, die finanziell oft nicht so gut gestellt sind, von Nebenkosten zu entlasten. Mit dem zweiten Programm soll die Dorfentwicklung unterstützt werden, um dem Exodus des Landes entgegen zu wirken. Die Ausgewogenheit der Regionen zählt auch die SPD zu ihren Zielen. Trotz der Kürzungen des Bundes bei der Städtebauförderung, will die SPD an der Landesförderung festhalten. Das Programm „Wohnen in Orts- und Stadtkernen“ soll ebenfalls fortgesetzt werden. Schreiner (CDU) sagte, man müsse akzeptieren, dass weniger Menschen weniger Wohnraum benötigen. Er setzt auf weitere Flächenausweisungen in und um die Ballungsgebiete in solcher Größe, dass Bauinteressierte auch Wahlmöglichkeiten hätten. In den ländlichen Räumen sollten dagegen keine weiteren Flächen ausgewiesen werden. Die FDP will hingegen die ländliche Struktur erhalten. Eymael sprach sich gegen eine einseitige Entwicklung der Zentren aus. Es müsse in die Infrastruktur und die Attraktivität der Dörfer investiert werden, damit die Menschen in den Dörfern wohnen und in der Stadt arbeiten könnten.
Die neue Synagoge in Mainz war das Ergebnis eines Architektenwettbewerbs - und hat große Aufmerksamkeit erregt. Sei es nicht sinnvoll generell Wettbewerbe für öffentliche Bauprojekte auszuloben, fragte Königsberger. Schreiner vertrat die Meinung, dass Wettbewerbe nicht generell und immer das Richtige seien, aber zugegebenermaßen zu selten angewendet würden. Sie seien ein kluges Instrument, das zu einer Breite von Lösungen führe und unterm Strich helfe, Geld zu sparen. Voraussetzung sei, der Gewinner werde auch beauftragt. Eymael fand ebenfalls, dass Wettbewerbe zu selten angewendet werden, besonders bei Großprojekten wären sie sinnvoll. Schwierig sei es aber, wenn private Investoren einbezogen seien. Die Grünen lobten ebenfalls Planungs-Wettbewerbe, sie trügen zur Vielfalt und Wirtschaftlichkeit bei. Eine Kommission sollte jedoch die Einhaltung der Prinzipien von Architektenwettbewerben kontrollieren. Auch die SPD sprach sich uneingeschränkt für mehr Wettbewerbe aus.
Die Zuständigkeit der Landesregierung bei Fragen des Planens und Bauens ist auf drei Ministerien verteilt. Auf die Frage von Königsberger, ob es nicht sinnvoll sei, diese Abteilungen alle bei einem Ministerium zusammenzuführen, waren sich alle Parteien einig. Keiner der anwesenden Politiker sah darin ein Problem, solange die Zuständigkeiten klar getrennt seien und es eine gute Vernetzung gebe.
Dass die Umstellung der Ausbildung von Diplom auf Bachelor/Master ein Problem - nicht nur, aber auch - von Architekten und Ingenieuren sei, darauf hatte Musil bereits in seiner Begrüßung hingewiesen. Die international anerkannte Marke „Diplom Ingenieur“ sei aufgegeben und dafür der inhaltlich weniger qualitative Bachelor eingeführt worden. Königsberger griff das Thema zum Ende noch einmal auf und konfrontierte die Politiker mit der Problematik. Mohr vertrat für die SPD die Ansicht, dass dies auf Bundesebene, in der Kultusministerkonferenz, gelöst werden müsse. Schreiner gesteht ein, dass die Politik da übers Ziel hinaus geschossen sei. Alleine die alte Bezeichnung „Diplom“ wieder einzuführen, hält er jedoch nicht für sinnvoll. Den Wert des Diploms hätten die Studieninhalte ausgemacht, da müsse man nun nachbessern. Nicht unerhebliche Aspekte seien dabei auch die Praxisnähe sowie notwendige Freiheiten. Der FDP-Vertreter plädierte dafür, nicht den Bachelor, sondern den Master mit dem Diplom gleichzusetzen. Die Grünen halten die Umstellung auf das neue System für richtig und wichtig, um die internationale Anerkennung sicher zu stellen. In der Tat sei der Prozess aber nicht gut gelaufen. Für Nachbesserungen vertraut Lemke auf die Kompetenz der Akkreditierungsgruppen, die mit Professoren besetzt sind.
Anschließend stellten sich die Politiker noch den Fragen des Publikums. Dr. Coridaß, Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer, schlug eine Internationale Bauausstellung nach dem Vorbild in Sachsen Anhalt vor. In einem solchen Rahmen könnten Lösungen für die ländlichen Regionen entwickelt und erprobt werden. Dies konnten sich die Politiker aller Parteien vorstellen. Auch hielten alle das zb:zentrumbaukultur als Think tank für sinnvoll. Am Ende der Diskussion fasste Horst Lenz, Präsident der Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz, sein Fazit in einer Hoffnung zusammen: Da sich alle Parteien einvernehmlich für Entbürokratisierung, mehr Wettbewerb und mehr Mittelstandsförderung ausgesprochen hätten, sehe er schon der Abschaffung der Bau-landesbetriebe entgegen. Und betonte noch, dass es sich bei Planungswettbewerben nicht um Preiswettbewerbe, sondern um Leistungswettbewerbe handele.