Er war ein neugieriger, fröhlicher Mensch, manchmal auch ein Clown in seiner blauen oberhessischen Fuhrmannsbluse, der zu leben wusste, der aus dem Vollen schöpfte. So konnte es durchaus vorkommen, dass Mitarbeiter kurz vor einem Brückentagwochenende zu einer Tour in die Provence verdonnert wurden, von der alle nach ununterbrochener Autofahrt mit vielen gezeichneten Blättern wieder nach Hause kamen, „savoir vivre" eingeschlossen. Gern angenommen wurden seine studentischen Zeichenexkursionen, mit denen er jungen Architekturstudenten die Augen öffnete, sie Räume, Formen und Landschaften sehen lehrte, ihnen optische Erkenntnisse vermittelte. Für manchen der erste Kontakt mit der weiten Welt.
Horst Römer war ein begnadeter Zeichner, der seine Arbeiten in mehr als 60 großen Ausstellungen an vielen Orten der Welt zeigte. Ein Weltpanorama von mehreren tausend großformatigen Blättern zeugt von seiner unbändigen Schaffenskraft. Er hat die Welt bereist und in allen Kontinenten gezeichnet, Europa, Süd- und Nordamerika, Russland, Asien, Afrika - kein Kontinent war im fremd. Dutzende Bücher und Kataloge bezeugen dies. Er war - so der russische Botschafter Wladimir S. Semjonow, der ihn 1979 zum ersten Mal in die Sowjetunion einlud, „die erste Schwalbe aus dem Westen", die den Eisernen Vorhang zur Sowjetunion öffnen half. Seine phantastischen Zeichnungen aus dem Goldenen Gürtel um Moskau, seine Zeichnungen aus Sibirien, Karelien, Azerbaijan, Armenien, Usbekistan, seine Ausstellungen in Moskau, in St. Peters-burg, in Tiflis und in Baku zeigen die gewachsene gegenseitige Wertschätzung.
Horst Römer suchte auch schon früh den Kontakt mit dem Partnerland Ruanda. Ein Forschungssemester verbrachte er in diesem Land, allein maß er das erste Haus der Partnerschaft in Kigali auf, plante es und sorgte für die bauliche Umsetzung. Einfühlsame Studien von den Menschen und der einzigartigen Landschaft dieses geschundenen Landes zeugen von seiner großartigen Beobach-tungsgabe. Mehr als 60 großformatige Blätter stellte er dem Land Rheinland-Pfalz zur Verfügung.
Neben aller Weltläufigkeit galt seine Liebe aber auch der neu gefundenen rheinland-pfälzischen Heimat. Hier hatte er einen großen Freundeskreis, hier arbeitete er unermüdlich und mit immer neuen Ideen an der Entwicklung der Hochschule. Er beriet das Land in gestalterischen Fragen, er stand Kommunen, Ämtern und Körperschaften mit Rat und Tat zur Seite, er war ein gern gesehener Preisrichter, Gutachter und Mediator, dabei schriftstellerisch und rhetorisch begabt, geschliffen und pfiffig. Politisch hoch interessiert stand er dem Land Rheinland-Pfalz für viele Projekte zur Verfügung, er warb im In- und Ausland für das Land und für den Universitätsstandort Kaiserslautern. Wer ihn rief, konnte mit seiner Hilfe rechnen.
Daneben plante und baute Horst Römer in wechselnden Partnerschaften unentwegt als Architekt und Innenarchitekt. Seine Pläne waren kleine Kunstwerke an sich. Auf schwerem Transparentpapier, nur mit Bleistift und ein wenig Filzstift oder Tusche, begann er oben links und endete ohne Verwischer und Radierfleck mit der Unterschrift rechts unten. Wer ihm dabei zuschaute, musste ihm sein großes Können attestieren.
Zahlreiche gewonnene Wettbewerbe, die Sanierung des Hambacher Schlosses Anfang der 80er Jahre, der Saalbau in Neustadt an der Weinstrasse, der Keller Südliche Weinstraße in Edesheim, Rathäuser, Banken, Sparkassen, Stadthallen, Konzerträume, viele Sanierungen aber auch Brückenbauwerke und verkehrsbegleitende Bauwerke in ganz Rheinland-Pfalz zeugen von seinem unablässigen Schaffensdrang.
Horst Römer, der in seinen frühen Arbeiten eine stringente moderne Auffassung mit eigener expressiver Note (Bruno Müller-Linow) zeigte, stand der in den 80er Jahren beginnenden Postmoderne skeptisch gegenüber. Diese „Tapetenarchitektur" überzeugte ihn nicht. Er machte es sich deshalb zur Aufgabe, Studierende anhand handwerklich geprägter Fügungen mit Gestaltungsfragen vertraut zu machen. Das haben viele Neuerer nicht verstanden. Horst Römer sah das nicht als restaurative Fortführung überholter Handwerkstechniken. Für ihn war es ein Statement gegen eine Verflachung gewachsenen Kulturgutes, das es zu schützen galt, ein Statement gegen einen ihn nicht überzeugenden Mainstream. Das Arbeiten im Sinne der zweiten Moderne überließ er anderen - ohne deren Qualitätsansprüche anzuzweifeln. Er entwickelte seine Vorliebe für eine handwerksgerechte Fügung, die aber immer auch von seiner unverkennbaren Handschrift geprägt war. Diese Handschrift erschien manchen dominant.
In den letzten Jahren wurde es stiller um ihn. Wenige Jahre nach seiner Emeritierung begann ein schleichender Krankheitsprozess, der ihn viel Kraft kostete. Mit der ihm eigenen Zähigkeit kämpfte er gegen seine Krankheit an. Wer ihn kannte, sah das zunehmende Schwinden der Kräfte. Zum Schluss hat er sich zurückgezogen und ist - von vielen unbemerkt - ganz leise gegangen.
Gerold Reker, Vizepräsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz
Archivbeitrag vom 19. April 2009