Vor dem Hintergrund der PISA- und der OECD-Studie werden Fragen aufgeworfen wie Lernen in der Zukunft organisiert und gestaltet werden sollte. Schulbau wird, nachdem es lange "ignoriert oder unterschätzt wurde", wieder zu einem beachteten Thema, so Günther Franz, Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz in seiner Einführung. Als Grundlage für die anschließende Analyse der aktuellen Diskussion entwickelte Franz parallel die Linien des deutschen und des rheinland-pfälzischen Schulbaus seit 1945 zum Resümee: "Ein halbes Jahrhundert stürmischer Schulbauentwicklung, manche reformatorische Ziele wurden erreicht, andere haben sich als untauglich erweisen - aus den Erfahrungen lernen!" Bildungspolitiker, Pädagogen, Architekten und Schulbauträger rief er auf, kurzfristig Regelverfahren zu erarbeiten, die Baukultur im Dienst der Bildung ermöglichen.
Anlässlich des ehrgeizigen rheinland-pfälzischen Ganztagsschulprogramms, bis zum Ende der Legislaturperiode soll es 300 Ganztagsschulen im Land geben, stehen zwar kaum Neubauten, aber viele Erweiterungen, Ergänzungen und Sanierungen von Schulen an. Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig, Staatssekretär im Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend, legte seine Vorstellungen vom Schulbau in neun Thesen dar. Schulen stärker im Dialog mit Lehrern und Eltern zu entwickeln war eines seiner Anliegen. Verantwortung und damit Identifikation müsse stärker auf die einzelne Schule übertragen werden. Nicht zu unterschätzen seien die pädagogischen Implikationen des Ortes, an dem junge Menschen einen großen Teil ihrer Lern- und Lebenszeit verbringen.
"Eine Schule ist dann eine gute Schule, wenn die Kinder traurig sind, wenn der Unterricht ausfällt," so Dr. Otto Seydel vom Institut für Schulbauentwicklung in Überlingen. Welche Rolle dabei der Raum spielt, so Seydel weiter, sei bislang kaum erforscht. Eine der wenigen Ausnahmen stelle ein Projekt der Wüstenrot Stiftung dar. Um sich dem Thema zu nähern, fragte er nach einem Ort, an dem Kinder lernen und leben und von dem Kinder lernen können.
Durch die Unterscheidung von vier verschiedenen Lernformen kam er zu Lerngruppengößen von einem, zwei, vier bis zwölf und vielen Beteiligten, für die adäquate Räume nötig seien - eine Herausforderung an den herkömmlichen Schulbau: "Fläche, Fläche und noch einmal Fläche" lautete Seydels Grundforderung und er ergänzte den Wunsch nach flexibler Gliederbarkeit, die vielfältige Arrangements zulasse. Für Ganztagsschulen gelte dann spätestens auch, dass der Lern- zum Lebensraum werde. Neben den Arbeitsflächen seien Spielräume, Speiseräume, Begegnungs- und Ruhezonen nötig. Ein Ort, von dem Schüler lernen könnten, müsste nach seiner Auffassung Arbeit und soziales Miteinander zu ordnen fördern. Er müsste zum achtsamen Umgang statt zum Vandalismus anregen und neben ästhetischer Grundbildung einen verantwortungsbewussten Umgang mit den natürlichen Ressourcen lehren. Schulen sollten ästhetisch, ökologisch und konstruktiv ein Vorbild sein. Nicht zuletzt gelte es auch die räumlichen Arbeitsbedingungen für Lehrer zu verbessern.
PISA sei ein kleiner Ast gewesen, "mit dem im Selbstbewusstsein des selbsternannten Dichter- und Denkerstaates" herumgestochert worden sei wie in einem Ameisenhaufen, so Prof. Arno Lederer, Architekt in Stuttgart und Hochschullehrer in Karlsruhe. Die einsetzende Aufregung münde nun übergangslos in einer Verordnungsphase, ohne dass eine wirkliche Auseinandersetzung stattgefunden habe. Bei den Bildungsausgaben und den Schulbauinvestitionen nehme, so Lederer weiter, die Bundesrepublik einen der hinteren Plätze im europäischen Vergleich ein. Das sich hierin manifestierende Versäumnis verglich er mit der Entdeckung einer Ölquelle, für deren künftige Ausbeutung umstandslos Kredite aufgenommen würden. Für Investitionen in die einzige natürliche Ressource einer Wissensgesellschaft sei dies im Zweifel ebenso notwendig, aber noch lange nicht selbstverständlich.