Auf die Impulsvorträge zum Start folgten zwei Arbeitsphasen zu drei Querschnittsthemen
Foto: Kristina Schäfer, Mainz
Zur Arbeitstagung Wiederaufbau luden Innenministerium und Architektenkammer im Dezember Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus den Ministerien, den Kommunen, den Mittelbehörden und den Landesbetrieben ein
Der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe im nördlichen Rheinland-Pfalz läuft, Ende 2022 wurde die Fristverlängerung für die Antragstellung der Aufbauhilfen um drei Jahre seitens des Bundes zugesagt. Denn trotz aller Fortschritte wird mehr und mehr klar, wie gewaltig die Aufgabe Wiederaufbau ist. Viele Entscheidungen, die das Leben des Ahrtals in den kommenden Jahrzehnten prägen werden, sind noch zu treffen – genau der richtige Zeitpunkt also für die „Arbeitstagung Wiederaufbau“, zu der das Ministerium des Innern und die Architektenkammer Rheinland-Pfalz Mitte Dezember nach Mainz eingeladen hatten. Ziel der Tagung war ein offener Austausch derjenigen, die in der Fachebene der Ministerien, den Landesbetrieben, den Kommunen und der Kreisverwaltung Verantwortung tragen. Eingeladen waren darüber hinaus die Landesdenkmalpflege, Kammern, Mittelbehörden, die Förderbank ISB und das Kompetenznetzwerk Wissenschaft für den Wiederaufbau sowie der Tourismus.
Zum Start in den Tag lieferten sehr kompakte Impulsvorträge aus den am Wiederaufbau beteiligten Ressorts den aktuellen Diskussions- und Arbeitsstand. Auf dieser Basis konnten in zwei ausführlichen Arbeitsphasen in wechselnden Besetzungen drei Querschnittsthemenfelder bearbeitet werden. Hier ging es darum, den enormen Zeit- und Arbeitsdruck des jeweiligen Fachalltags einen Moment zu durchbrechen, um die notwendigen Vernetzungsthemen in den Blick zu nehmen. Der Informationsaustausch sollte intensiviert und dem Ziel „eng zusammenarbeiten“, Raum gegeben werden. Gearbeitet wurde in den drei Themenfeldern >> Verkehr | Ufer | Übergänge, >> Stadt- und Ortsentwicklung | Tourismus von morgen und >> Wasser | Resilienz | Heimat.
Die Uferzonen sind von besonderer Bedeutung, da sie eine Mehrfachfunktion haben. In diesen schmalen Bereichen entlang des Flusses überlagern sich viele Anforderungen, beispielsweise der Verkehrsinfrastruktur, des Hochwasserschutzes und der touristischen Nutzung. Gleichzeitig sind diese Bereiche die vulnerabelsten bei erhöhtem Wasserstand und Hochwasser und bedürfen besonderer Schutzmaßnahmen. Mit der Frage nach dem Erhalt historischer Brücken sind die hier möglichen Zielkonflikte noch nicht annähernd beschrieben.
Das Ahrtal ist ein touristisches Ziel insbesondere wegen des Landschaftsbildes des engen Flusstals in Verbindung mit Weinbergen und den historisch gewachsenen Ortschaften. Im Wiederaufbau gilt es, diesen touristischen Wert zu erhalten und ggf. sogar zu stärken. Dies ist eine einmalige Chance, durch die Gleichzeitigkeit und die Vielzahl der erforderlichen Aufbaumaßnahmen grundlegende Verbesserungen, ja sogar den Wandel zum nachhaltigen und zeitgemäßen Tourismus zu schaffen. Wie gelingt es, diese unterschiedlichen Akteursgruppen zu verbinden, sodass öffentliche und private Maßnahmen einem gesamten Leitbild zu Gute kommen?
Der Baukulturbestand im Tal ist größer als die Zahl der unter Schutz gestellten Einzeldenkmäler. Hier sind Beschädigungen und Verluste entstanden. Es gilt das, was noch vorhanden ist, unter Beachtung der Belange des Hochwasserschutzes und dem damit verbundenen Schutz vor Menschenleben zu bewahren und bestandsorientiert wiederherzustellen, damit die Orte nicht ihre Identität verlieren.
Lückenschließungen und Neubauten sollen sich in das Gesamtbild einfügen und es stützen. Auch die Sanierung von Gebäuden aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Viele dieser Maßnahmen sind jedoch genehmigungsfrei.
Am Ende des Tages waren – jede andere Erwartung wäre unredlich gewesen – weiterhin zahlreiche Fragen offen. Dennoch wurde einiges erreicht. So wurde beispielsweise herausgearbeitet, dass die Überlagerung und Multifunktionalität von Flächen, die im Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteursgruppen hohe Anforderungen stellt, in Sachen Hochwasservorsorge und -resilienz sowie Orts- und Landschaftsbild eher die Lösung, denn ein Problem darstellen kann. Sofern – auch dies ein immer wiederkehrender Satz – die Planungen gut koordiniert werden. Bestätigt wurde auch der hohe Zukunftswert einer klugen Ortsentwicklung – trotz aller Zeitnöte. Ein Angebot der Kammer hier: Der Einsatz eines mobilen Planungs- und Gestaltungsbeirates, der Ortsgemeinden bei sensiblen Entscheidungen mit unabhängiger, fachlicher Expertise unterstützt.