26. Januar 2021
Wahlprüfsteine zur Landtagswahl 2021
Wahlprüfsteine 2021
der Architektinnen und Architekten in Rheinland-Pfalz
Als Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft leistet der Planungs- und Bausektor einen erheblichen Beitrag zur ökonomischen Stabilität der Bundesrepublik, denn die Wertschöpfung findet zum allergrößten Teil im eigenen Land statt. Über 693.000 Menschen arbeiteten 2018 in allen deutschen Planungsbüros und sorgten so für eine Bruttowertschöpfung von rund 84 Milliarden Euro.
Davon rund 5.700 Architektinnen und Architekten mit etwa 5.000 qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährleisten in Rheinland-Pfalz als Teil der Freien Berufe aufgrund hoher fachlicher Qualifikation und beruflicher Unabhängigkeit eine leistungsorientierte Berufsausübung. Sie sind wichtige Akteure auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Architektinnen und Architekten, Stadtplanerinnen und Stadtplaner verfügen in ihren jeweiligen Fachbereichen über Kompetenzen vom regionalplanerischen und stadträumlichen Kontext über Landschaft, Freianlagen und Hochbau bis zum raumbildenden Ausbau für Bildung, Gesundheit und Kultur im Detailmaßstab.
Alle vier Berufsgruppen erbringen Leistungen der Daseinsvorsorge, zum Beispiel die Herstellung und Instandhaltung von sozialen und technischen Anlagen im Wohnumfeld und auf Quartiersebene und nehmen im Gegenzug Regulierungen ihrer Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit hin.
Die Landespolitik ist daher aufgefordert, sich weiterhin für faire Rahmenbedingungen für die planenden Berufe aller Fachrichtungen einzusetzen und diese Berufsgruppen durch geeignete Maßnahmen zum Wohle der Gesellschaft zu stärken. Die Umsetzung der nachfolgenden Forderungen wird einen wertvollen Beitrag dazu leisten.
1. Zukunftsfeste Lebensräume schaffen
Im politischen Diskurs wird häufig „bezahlbarer“ Wohnraum gefordert. Doch angemessener und bezahlbarer Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen alleine reicht nicht aus, um zukunftsfeste Lebensräume in den rheinland-pfälzischen Städten und Dörfern zu schaffen.
Kommunen brauchen eine kluge Innenentwicklung, die neben dem Wohnraum die öffentlichen Freiräume, vorausschauende technische und soziale Infrastrukturprojekte sowie zukunftsfähige Mobilitätskonzepte mit bedenkt. Das integrierte Entwicklungskonzept als strategische Grundlage der Stadt- und Gemeindeentwicklung muss kurzatmige, reaktive Einzelplanungen ablösen. Dem Leerfallen von Ortskernen und dem schleichenden Attraktivitätsverlust innerstädtischer Einzelhandelsfunktionen müssen konzeptionelle Strukturverbesserungen entgegengesetzt werden. In einer bunteren Gesellschaft, deren Arbeitsmarkt sich zunehmend ausdifferenziert, braucht es lebendige, nutzungsgemischte und inklusiv gestaltete Quartiere.
Hier sehen wir folgenden Handlungsbedarf:
Intensivierung der Förderung von nicht-investiven Maßnahmen, wie z.B. die Erstellung von Integrierten Entwicklungsplanungen und die Etablierung von Gestaltungsbeiräten etc.
Unterstützung der Kommunen bei der Sicherung der Daseinsvorsorge durch eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik
Intensivierung des Modells der Konzeptvergaben und die Koppelung von Fördergeldern an baukulturelle Mindeststandards durch qualitätssichernde Verfahren
2. Klimagerechtes Planen und Bauen stärken
Bei der Umsetzung der im Corona-Konjunkturpaket angelegten Maßnahmen wie bei allen öffentlichen Folgeinvestitionen dürfen Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht in den Hintergrund geraten.
Energetische Gebäudesanierung und energieeffizientes Bauen sind Schlüsselbereiche für eine klimagerechte Stadt- und Siedlungsentwicklung. Dennoch verharrt die Sanierungsrate bei etwa einem Prozent pro Jahr. Auch Baustoffrecycling und der Einsatz nachwachsender Rohstoffe bleiben weit hinter den Möglichkeiten zurück. Ein Umdenken vom Vorrang für den Neubau zum Vorrang für die Weiternutzung, Sanierung und Aufwertung des Gebäudebestandes ist nötig.
Beim Neubau und in der Sanierung sollte das Maß von Technologie- und Ressourceneinsatz überprüft werden. Hohe Gestaltungsqualität und die Einbeziehung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes sowie die Auseinandersetzung mit dem Nutzerverhalten (Suffizienz) erfordern differenzierte Politikansätze. Die Freiraumplanung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Wo mehr Wohnraum in bestehenden Quartieren entstehen soll, muss gleichzeitig eine qualitative Aufwertung des Wohnumfeldes und der öffentlichen Freiflächen einbezogen werden.
Hier sehen wir folgenden Handlungsbedarf
Gesellschaftliches Kapital erhalten, graue Energie nutzen. Investitionsstau gefährdet langfristig Gebäudebestand und Infrastruktur. Kontinuierliche Erhaltungs- und Sanierungsinvestitionen statt Abriss und Neubau helfen, klimapolitische Ziele zu realisieren.
alle Möglichkeiten für die Transformation innerstädtischer Räume zur Qualifizierung der Freiräume nutzen. Flächenpotenziale in den Städten und Gemeinden durch die Neubewertung und Verteilung von Verkehrsflächen heben
Vorrang für Recycling und nachwachsende Rohstoffe: Öffentliche Bauten müssen ihrem Vorbild- und Modellcharakter gerecht werden.
3. Digitalisierung vorantreiben
Digitale Engpässe müssen beseitigt werden. Nur mit Hilfe einer hervorragenden digitalen Infrastruktur sind ländliche Räume für Unternehmen und ihre Beschäftigten attraktive Wohnalternativen zu verdichteten Siedlungsräumen.
Nicht erst seit Ausbruch der Coronakrise ist klar, dass Homeoffice-Lösungen Pendlerverkehr partiell ersetzen können.
Engpässe in Bauämtern verlangsamen noch immer Genehmigungsprozesse und damit die Umsetzung von Investitionen. Kurzfristig müssen daher die personellen und technischen Voraussetzungen geschaffen werden, um bestehende Engpässe aufzulösen und den Einstieg in digitale Bewilligungsverfahren bis hin zur vollständig digitalen Bauakte im BIM zu bewältigen. Dazu bedarf es zwingend einer Besetzung aller offenen Stellen mit Planungsfachleuten aus allen Bereichen der Architektur.
Hier sehen wir folgenden Handlungsbedarf:
Netzausbau auch in schwach versorgten Regionen in Rheinland-Pfalz
Stärkung der digitalen Kompetenz auch in öffentlichen Verwaltungen: sofortige flächendeckende Umsetzung des digitalen Bauantrages und Einstieg in die BIM-basierte Bauakte in Pilotkommunen
konsequente Wieder-Besetzung offener Stellen mit Fachkräften
4. Kompetenzen der Architekten nutzen
Die Vergabe oberhalb und unterhalb der EU-Schwellenwerte ist durch europarechtliche Vorschriften komplizierter geworden und erschwert die Beteiligung der regionalen Planungsbüros.
Umso wichtiger ist es, dass die Vergabevorschriften und das Vergabehandeln auf allen Ebenen die mittelständischen Strukturen der regionalen Planungsbüros beachten, um angemessene Zugangskriterien und faire Beteiligungschancen für Architekturbüros in Rheinland-Pfalz zu gewährleisten, wie es schon das Mittelstandsgesetz fordert. Ein effektives Verfahren zur Gestaltung der öffentlichen Räume und der Qualität der gebauten Umwelt sind Architektenbewerbe. Grundsätzlich sind bei der Vergabe von Planungs- und Bauleitungsaufgaben mehrere Bewerber in das Verfahren, die für das Leistungs- und Qualitätskriterium maßgeblich sein müssen, einzubeziehen. Bei planerisch-gestalterischen Aufgaben ist die Durchführung eines Planungswettbewerbes nach der RPW 2013 das geeignete Instrument.
Neben den Vergabeverfahren sichern auskömmliche Honorare langfristig einen hervorragend qualifizierten, leistungsfähigen, freien Planungsmarkt. Entsprechend hoch ist die Verantwortung der öffentlichen Hand auf allen Ebenen des Handelns, nicht den ruinösen Preiswettbewerb, sondern den Leistungswettbewerb zu fördern.
Hier sehen wir folgenden Handlungsbedarf:
verbindliche Honorartafeln der öffentlichen Hand
angemessene und transparente Vergabeverfahren oberhalb und unterhalb des Schwellenwertes
Planungswettbewerbe
5. Zuständigkeiten bündeln
Städtebauförderung und Dorferneuerung, soziale Wohnraumförderung, ökologische und nachhaltige Siedlungs- und Freiraumentwicklung, Natur- und Umweltschutz, Infrastrukturplanung, Wasser- und Abfallwirtschaft sowie Energiepolitik werden in Rheinland-Pfalz von verschiedenen Ministerien bearbeitet.
Im Sinne einer nachhaltigen, aufeinander abgestimmten, ressortübergreifenden Entwicklung sollte diese Trennung aufgehoben oder zumindest reduziert werden.
Hier sehen wir folgenden Handlungsbedarf:
die Einrichtung eines eigenen Ausschusses auf parlamentarischer Ebene im Landtag für die Querschnittsaufgaben im Bereich Planen und Bauen.