Frau Wolf, Sie arbeiten seit Ihrem Diplom im Büro Riepl Riepl in Linz. Warum sind Sie nach Österreich gegangen?
Während unseres Studiums haben wir schon immer gesagt bekommen, das es schwierig ist, einen Job in Deutschland zu finden. Ich habe mich deshalb nach dem Diplom ausschließlich in Österreich und in der Schweiz beworben. Aus Architekturzeitschriften habe ich mir Büros herausgesucht, die moderne, mich ansprechende Architektur praktizieren. Im Büro Riepl Riepl wurde ich angenommen.
Wie viele Bewerbungen haben Sie geschrieben, bevor Sie die Zusage erhalten haben?
Ich habe Mitte September etwa 15 Bewerbungen verschickt und bereits im Oktober habe ich die erste Zusage bekommen, wobei ich mich als Praktikantin beworben habe. Grund dafür war, dass ich keine Berufserfahrung hatte und mir dadurch eine größere Chance ausgerechnet habe.
Sie haben erst als Praktikantin angefangen und sind dann übernommen worden?
Genau.
Haben Sie als Praktikantin etwas verdient?
Am Anfang relativ wenig, da meine Praktikantenstelle nicht, wie erhofft, über ein Leonardo-Stipendium vom DAAD finanziert wurde. Man teilte mir von dieser Stelle mit, dass Österreich „zu wenig Ausland“ sei.
War Ihr Angebot, erst als Praktikantin zu arbeiten, ausschlaggebend dafür, dass Sie die Zusage bekommen haben? Oder hätten Sie auch eine Chance gehabt, wenn Sie sich direkt als um eine Anstellung beworben hätten?
Das kann ich schwer beurteilen. Das Büro hat schon immer Praktikanten beschäftigt. Da sich die Auftragslage erhöhte wurde ich am Ende meiner Praktikantenzeit als Diplom-Ingenieurin übernommen, zumal ich mich im Team sehr gut eingearbeitet hatte. Ich weiß aber auch von anderen deutschen Bewerbern, dass sie ebenfalls ohne viel Berufserfahrung direkt als Diplom-Ingenieurin angestellt worden sind.
Werden nach wie vor Architekten in Österreich gesucht?
Von Kollegen habe ich erfahren, dass immer wieder Architekturbüros neue Mitarbeiter suchen. Ein Grund hierfür ist, dass auch von öffentlicher Seite aus noch viel gebaut wird. In Graz oder Wien ist es aber schwierig oder zumindest schwieriger, einen Job zu finden, da dort die großen Architekturfakultäten sind.
Gibt es Unterschiede zwischen der Arbeit in Deutschland und der in Österreich?
Ich kann das nicht vergleichen, da ich in Deutschland nur zwei Praktika absolviert habe. Ich fühle mich aber nicht wie im Ausland und aufgrund der deutschen Sprache sehe ich erstmal keinen Unterschied. Unterschiede in den Vorschriften gibt es aber natürlich schon und ein paar Dinge werden auch anders dargestellt. Das heißt aber nicht, dass ich mich komplett umgewöhnen musste.
Sie scheinen in einem sehr guten Büro zu arbeiten, nicht nur in puncto Architektur, sondern auch hinsichtlich des Arbeitsklimas.
Da habe ich wirklich Glück gehabt. In diesem Büro wird Teamarbeit sehr hochgeschätzt und dies hat mir sehr geholfen. Es gibt nur eine geringe Hierarchie, die Altersstruktur ist gut durchmischt, und ich denke wir haben eine gute Mischung von Eigenverantwortung und auch gegenseitiger Unterstützung.
In Deutschland habe ich oft das Gefühl, dass man schon alles können muss, bevor man einen Job bekommt.
Das ist hier überhaupt nicht so. Man hat auf jeden Fall bei uns im Büro die Möglichkeit zu lernen, dazuzulernen, und man wird von den Kollegen auch dazu angehalten. Es wird untereinander viel über die Projekte gesprochen, man tauscht sich aus.
Ist es nur bei Ihnen im Büro so, oder sind in Österreich allgemein - vielleicht auch aufgrund der anderen Arbeitsmarktlage - die Ansprüche nicht so hoch?
Die Ansprüche an uns sind schon hoch, aber der Druck alles auf Anhieb richtig machen zu müssen, wird durch die gegenseitige Unterstützung gemindert. Man muss nicht alle Normen auswendig wissen. Bei uns wird die Auslegung von Vorschriften und Regeln immer wieder Projekt bezogen diskutiert. Das ist vielleicht ein Unterschied zwischen Österreich und Deutschland.
Wissen Sie, ob auch die Chancen, sich selbstständig zu machen, in Österreich besser sind?
Ob es leichter ist kann ich nicht beurteilen. Aber wenn man sich in Österreich selbstständig machen will, kann man erst nach dreijähriger Berufserfahrung einen kostenpflichtigen Kurs absolvieren, der mit der Ziviltechniker-Prüfung abgeschlossen wird. Das ist noch einmal eine Hürde, darum machen sich, so glaube ich, weniger selbstständig.
Muss man für diese Zusatzprüfung noch einmal studieren?
Nein. Ich habe von Deutschland aus oft das Gefühl, dass in Österreich zur Zeit viel öfter neuartige, freche Architektur gebaut wird, und dass auch viel öfter junge Büros die Möglichkeit haben, ihre Entwürfe zu realisieren.
Ist das tatsächlich so oder wirkt das nur von außen so?
Ich habe mich auch deshalb in Österreich und in der Schweiz beworben, weil ich das Gefühl hatte, die Architektur entspricht mehr dem, was ich machen will, sie ist fortschrittlicher, da wagt man mehr. Hier werden Gemeinden zum Beispiel durch spezielle Bauherrenpreise gefördert und dadurch belohnt, wenn sie etwas Neues wagen. Und von Linz weiß ich, dass es ein Architekturforum gibt, wo man auch besonders jungen Büros die Möglichkeit geben will, sich zu präsentieren.
Werden die deutschen Abschlüsse auch in Österreich anerkannt?
Ja, das war überhaupt kein Problem, obwohl sich das Studium unterscheidet. Hier studiert man an der Universität, Fachhochschulen gibt es, glaube ich, gar nicht oder sie werden gerade erst aufgebaut. Aber meinen FH-Abschluss haben sie trotzdem ohne Probleme anerkannt.
Gibt es eine spezielle Stellenbörse?
Da gibt es etwas, davon habe ich aber noch keinen Gebrauch gemacht, da ich mir die Büros über deren Veröffentlichungen in Architekturzeitschriften gesucht habe. Stellenbörsen im Internet sind: www.arching.at und www.austria-architects.com.
Muss man bei einem Wechsel in die österreichischen Sozialsysteme etwas beachten?
Der Wechsel einer gesetzlichen Krankenkasse ist kein Problem. Das heißt, wenn man in Deutschland in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, wird man auch automatisch in Österreich gesetzlich krankenversichert, wobei es hier keine freie Wahl der gesetzlichen Krankenkasse gibt. Man wird in der Gebietskrankenkasse des entsprechenden Bundeslandes übernommen.
Und wie sind die Verdienstmöglichkeiten in Österreich?
Hier sind 14 Monatsgehälter gesetzlich vorgeschrieben. Der Arbeitnehmeranteil der Lohnnebenkosten ist aber in Österreich wesentlich geringer als in Deutschland. Bei einem gleichen Bruttogehalt bekommt man in Österreich somit netto mehr raus.
Können Sie eine Prognosen für den österreichischen Architektenarbeitsmarkt geben, bleibt er relativ gut?
Das kann ich nur schwer beurteilen. Kollegen haben mir gesagt, dass die Auftragslage in Oberösterreich weiterhin positiv zu bewerten ist. Besonders in Linz gibt es zur Zeit einen großen Bauboom, da die Stadt zur Kulturhauptstadt 2009 gewählt worden ist.
Frau Wolf, Sie haben am Anfang unseres Gesprächs gesagt, dass Sie in Ihrem Studium immer wieder gesagt bekommen hätten, dass es in Deutschland keine Jobs für Architekten gebe. Wie auslandstauglich war denn Ihre Ausbildung und wie zufrieden sind Sie mit ihr?
Das Studium an der FH Mainz fand ich zum teil sehr antiquiert. Nur wenige Professoren ließen Raum für neue Ideen. Einige Gastprofessoren hielt ich für aufgeschlossener. Im Studium wurde eine Zusammenarbeit wenig gefördert und diese scheint mir in der Architektur sehr wichtig.
Wenn Sie sich noch einmal entscheiden müssten, ob Sie nach Österreich gehen oder in Deutschland bleiben, was würden Sie tun?
Also, ich wüsste im Moment kein Büro in Deutschland, das mich mehr interessieren würde als das in dem ich gerade arbeite.
Das klingt ja erschreckend. Können Sie denn all denen, die Ihnen nach Österreich folgen wollen noch ein paar Tipps geben?
Ich denke, wenn jemand ins Ausland geht, muss er offen neuen Dingen gegenüber sein. Wenn man allerdings wegen des Geldes ins Ausland will, dann ist Österreich nicht das Dorado, da sollte man eher in die Schweiz gehen. Aber wenn es darum geht, gute Architektur zu machen, dann kann man in Österreich schon einiges finden.
Leonardo-Stipendium: Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterstützt Studenten und Graduierte bei Auslandspraktika. MEHR